Archäologie an der Erdbergstraße 3

Autorin: Constance Litschauer

Wie die Zeit vergeht! Neben der inzwischen doch recht herbstlich gewordenen Witterung lässt sich diese Tatsache auch gut an unserer Ausgrabungsfläche in der Kundmanngasse 21 im 3. Bezirk ablesen. Die letzte Ecke der archäologischen Verdachtsfläche ist gerade freigelegt worden und wies – wie es auch schon aus den bekannten Plänen überliefert ist – Störungen durch Kellereinbauten aus der Gründerzeit auf.

Aber auch die verbleibende Fläche bietet genug an Arbeit und historisch relevanten Ergebnissen für die Wiener Stadtgeschichte. Konnten doch bisher nicht nur Relikte der Vorverbauung des 19. und 20. Jahrhunderts aufgedeckt werden, sondern auch Reste aus spätkeltischer und frühneolithischer Zeit. Das Fehlen mittelalterlicher Befunde bestätigt indes die Lage des Fundpunktes unmittelbar außerhalb der bei der Grabung in der Rasumofskygasse erstmals aufgedeckten spätmittelalterlichen Befestigungsanlage der Siedlung St.  Niklas vor dem Stubentor.

Der Grabungsplan mit den farblich nach Epochen unterschiedenen Objekten vom Rochusmarkt und der Kundmanngasse.

Frühneolithikum

Währenddessen erinnern ein vor Ort angetroffenes Gräbchen und drei unmittelbar benachbarte Pfostenlöcher aufgrund ihrer Orientierung an frühneolitische Langhäuser, die in den Jahren 2014/15 in der nur rund 100 m entfernten Fundstelle unterhalb der „Post am Rochus“ entdeckt wurden und die bisher ältesten Siedlungsbelege auf Wiener Boden darstellen. Allerdings kann die zeitliche Zuweisung im aktuellen Fall aufgrund des fehlenden Fundmaterials in den Verfüllschichten nicht weiter belegt werden.

Die aufgrund der Orientierung vielleicht frühneolitischen Objekte.

Spätlatènezeit

Zuletzt wurden in Form von sechs Gruben und von Fundmaterial auch Reste der spätlatènezeitlichen Ära Wiens angetroffen, die ebenfalls den Ergebnissen der Ausgrabungen  beim Rochusmarkt entsprechen, wo ein Siedlungsbereich mit Werkstätten aus dem 1. Jahrhunderts v. Chr. aufgedeckt werden konnte.

Unter den freigelegten Objekten befinden sich nicht nur zwei seichte Gruben unbekannten Zwecks sowie eine zweiteilige Grube, deren derzeit noch nicht vollständig freigelegte Unterkante und etwaige Pfostenlöcher vielleicht eine genauere Identifizierung ermöglichen, sondern auch drei Objekte, die nach derzeitigem Stand am ehesten als in etwa in einer Flucht liegende Brunnen anzusprechen sind. Ihre verhältnismäßig hohe Anzahl könnte auf Werkstätten mit hohem Wasserverbrauch hinweisen.

Ähnlich spannend ist das Fundmaterial, das in Form von antikem Abfall nicht nur Tierknochen und spätkeltische Keramik zu Tage gebracht hat, sondern inzwischen ebenso jenes Fundmaterial, das auf Kontakte mit „Fremden“ und auf vor Ort hergestellte Produkte rückschließen lässt: dabei handelt es sich um Stücke der römisch republikanischen keramischen Ware wie beispielsweise ein Fragment der sog. Campana – eines der luxuriösen republikanischen Tafelgeschirre – und um Funde aus fossilem Harz beziehungsweise Bernstein als Hinweis auf einen hier angesiedelten Handwerksbetrieb. Ergänzt wird das Spektrum durch Metallfunde, unter denen eine filigrane Fibel heraussticht. Sie ist als typisch keltischer Trachtbestandteil und als beliebte Handelsware anzusprechen.

Das Fehlen von Befunden im Norden des Grundstücks könnte hingegen auf den keltischen Siedlungsrand verweisen, für dessen Lokalisierung im näheren Umfeld der aktuellen Ausgrabung die bisher im Bereich der Flachlandsiedlung des 3. Bezirks aufgedeckten Fundpunkte gleicher Zeitstellung sprechen.

Die restlichen Arbeitstage vor Ort und die Aufarbeitung werden damit auf jeden Fall weiterhin aufschlussreich sein: Sie werden die neuesten Erkenntnisse natürlich hier erfahren!

Ein Hinweis auf Römer: das Campana-Fragment. (oben)
Unbearbeiteter Bernstein unmittelbar nach der Bergung. (mitte)
Die fragmentierte Fibel nach dem Auffinden und Erstinventarisieren. (unten)

Für alle Kurzentschlossenen besteht außerdem heute die einmalige Möglichkeit, die Grabung zu besichtigen!

Nähere Infos zur Führung am 3.11.2017 hier.