Archäologie an der Erdbergstraße 4

Autoren: Constance Litschauer, Martin Mosser

Können Sie sich noch an den ersten Blogbeitrag zu unserem jüngsten archäologischen Projekt erinnern? Heute wollen wir nämlich auf den damals formulierten Fragenkatalog Bezug nehmen und auf diese Weise die Grabung ein letztes Mal Revue passieren lassen.

Am vergangenen Freitag war es also so weit: Mit dem letzten Arbeitstag in der Kundmanngasse im 3. Wiener Gemeindebezirk konnte unsere im Vorfeld der Erweiterung und Sanierung der Zentrale des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger durchgeführte Ausgrabung planmäßig beendet werden. Und zwar mit Ergebnissen, die für die Stadtgeschichte Wiens relevant sind und die Resultate der Ausgrabung beim benachbarten Rochusmarkt bestätigen beziehungsweise ergänzen. Welche sind also die bereits ablesbaren Resultate?

Sind überhaupt archäologisch relevante Überreste vorhanden?
Ja       
Nein        Vielleicht
Auch wenn das Grabungsareal aufgrund jüngerer Einbauten in Form von gründerzeitlichen Kellern und einer Tiefgarage aus den 70er Jahren überschaubar war, tauchten die ersten historisch relevanten Befunde unterschiedlicher Zeitstellung bereits rund 50 cm unter dem jetzigen Gehniveau auf.

Plan der aufgedeckten archäologischen Reste.

Finden wir ein weiteres Langhaus aus der Jungsteinzeit oder andere Strukturen aus dieser Epoche?
Ja        Nein        Vielleicht
So sehr wir es uns auch wünschen, mehr als ein „vielleicht“ geht sich beim Interpretieren mit einem singulär und auch fundleer angetroffenen Gräbchen mit Pfostenstellung nicht aus. Aber ein daneben geborgener, möglicherweise frühneolithischer Streufund und die in die gleiche Zeit datierenden Strukturen ähnlicher Orientierung vom Rochusmarkt lassen die Vermutung zu, dass sich die steinzeitliche Besiedelung mit ihren Langhäusern bis in die Kundmanngasse erstreckt haben könnte.

Reste eines frühneolithischen Langhauses?

Dehnt sich die spätkeltische Siedlung am Rochusmarkt über die Erdbergstraße nach Osten weiter aus?
Ja        Nein        Vielleicht
Ganz eindeutig JA! Nicht nur, dass sich die zuletzt auf sieben Stück angestiegenen Gruben unterschiedlichen Zwecks in seichte rundliche, in eine zweiteilige sowie in drei schachtartige brunnenartige differenzieren lassen, sondern auch, dass das abermalige Antreffen von entsorgtem Bernstein die Funktion als Handwerksviertel bestätigt. Außerdem kann das Fehlen von Befunden im Norden des Grundstücks ein Hinweis auf die nördliche Begrenzung der Keltensiedlung des 1. Jahrhunderts v. Chr. sein.

Blick auf die Grabung mit den markanten spätlaténezeitlichen Gruben.
Bernsteinfunde als Relikt einer hier beheimateten Werkstätte.

Wenn ja, treten römische Funde gemeinsam mit latènezeitlichen Funden auf?
Ja
        Nein        Vielleicht
Der Großteil des Fundmaterials ist den Tierknochen zuzuordnen und der typisch einheimischen Keramik mit Kammstrichdekor sowie bemalter Ware. Römische Belege als Hinweis auf Kontakte zwischen den Völkern waren Objekte der Feinware, unter anderem ein gestempelter Scherben der Campana und vor allem ein beinerner Stilus.

Der Hauptanteil des Fundmaterials: Tierknochen und keltische Keramik.
Ein römischer Klassiker: der Stilus.

Gibt es auch außerhalb des Umfassungsgrabens um die Vorstadt St. Niklas mittelalterliche Befunde?
Ja        Nein        Vielleicht
Eigentlich wenig überraschend konnten knapp außerhalb der im Zuge der Ausgrabungen beim Rochusmarkt erstmals dokumentierten mittelalterlichen Befestigung der Siedlung St. Niklas keine mittelalterlichen Überreste angetroffen werden.

Werden wir von vollkommen unerwarteten Überresten überrascht?
Ja        Nein        Vielleicht
Auch ohne gänzlich Unerwartetes war es ein zufriedenstellendes Grabungsergebnis für die Archäologie Wiens – und wir hoffen auch für Sie!