Das Gusshaus auf der Wieden: eine wandlungsfähige Betriebsstätte

Autorin: Christine Ranseder

Heute ist das ehemalige k. k. Gußhaus (Gußhausstraße 25, Wien 4) dem Blick der Öffentlichkeit entzogen, aber nicht vollständig verschwunden. Teile der historischen Bausubstanz wurden in den Neubau für das Zentrum für Micro- und Nanostrukturen integriert. Doch bevor dies geschehen konnte, erfolgten eine bauhistorische [1] und eine archäologische Untersuchung, deren Ergebnisse nun als Buch vorliegen.

Eine erstklassige Liegenschaft für eine Kanonengießerei

Das Grundstück, auf dem am 28. Juni 1763 der Grundstein für das neue Gusshaus gelegt wurde, befand sich in bester Lage. An seine südliche Grenze schloss das kaiserliche Lustschloss der Favorita an, doch war in diese bereits die Theresianische Akademie eingezogen. Die Reichen und Schönen vergnügten sich also andernorts und so wurde die Gelegenheit ergriffen, Teile des nun zur Verfügung stehenden angrenzenden Areals einer militärischen Verwendung zuzuführen.

Für die Errichtung des Gusshauses auf der Wieden zeichnete der Artilleriebaumeister Ferdinand Mödlhammer verantwortlich. Der U-förmige, eingeschoßige Bau war 1770 vollendet und beherbergte Arbeitsplätze für Schmiede, Schlosser, Tischler, Zimmerleute, Wagner und Drechsler. Es handelte sich also um eine Fertigungsstätte, die Ofenanlage für den Guss der Kanonen befand sich im Hof. Von dem Gebäude waren zum Zeitpunkt der bauhistorischen Untersuchung noch der südliche Trakt, der südliche und mittlere Teil des Osttrakts und die Südfassade des nördlichen Trakts vorhanden. Der barocke Gussofen hatte sich nicht erhalten.

Ab 1823 erfolgte der Umbau des Gusshauses, der es nicht nur feuerfest machte sondern auch auf den neuesten Stand der Technik brachte. In das Innere der Werkshalle im Osttrakt wurden im Zuge dessen zwei unterschiedlich konstruierte Gussöfen (Reverberieröfen) integriert. Reste der beiden Ofenanlagen konnten archäologisch nachgewiesen werden. Teile eines Gangsystems im Keller, durch das Frischluft zu den Öfen geführt werden konnte, sind noch heute erhalten. Die Arbeitsstätten der Handwerker wurden aus dem Osttrakt in einen Anbau verlegt, der dem Gusshaus an drei Seiten vorgelagert war.

Die archäologischen Befunde und der Bestand des TU-Gebäudes im Juli 2015. (Plan: Stadtarchäologie Wien)
Der Rost von Ofen 1 während der Ausgrabung. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Ingrid Mader)
Der Rost der ehemaligen Befeuerungsstelle von Ofen 1, von oben und von unten gesehen. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Ingrid Mader)
Der kreuzbandgewölbte Raum in Keller des Gusshauses unter dem ehemaligen Herd von Ofen 1. (Foto: Denkmalforscher/Doris Schön)
Noch erhaltener Gang als Teil des ehemaligen Belüftungssystems unter Ofen 1. (Foto: Denkmalforscher/Doris Schön) | Bauphasenplan Kellergeschoß (Plan: Denkmalforscher)

Mitte des 19. Jahrhunderts verlor das Gusshaus durch den Bau des am Stadtrand gelegenen Arsenals (1849–1856) an Bedeutung, schließlich wurde die Produktion von Kanonen eingestellt. Da die relativ neue technische Ausstattung einen beträchtlichen Wert darstellte, beschloss man die Anlage für den Guss von Standbildern zu nutzen. 1861 kam es zur Gründung der k. k. Kunsterzgießerei mit Sitz im Gusshaus.

Wiens erstes Kunstquartier?

Im Gusshaus waren bereits zuvor gelegentlich auch künstlerisch hochwertige Standbilder gegossen worden. Eines davon, das 1807 enthüllte Reiterstandbild Kaiser Josephs II., steht heute am Josefsplatz (Wien 1).

Franz Anton Zauner, Kaiser Joseph II., Josephsplatz (Wien 1). (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Ab 1853 beherbergte das Gusshaus das Atelier des Bildhauers Anton Dominik Fernkorn. Ihm sind einige der eindrucksvollsten Denkmäler Wiens zu verdanken, darunter die Reiterstatuen von Erzherzog Carl und Prinz Eugen am Heldenplatz (Wien 1). Nach der Erkrankung Fernkorns übernahmen 1866 seine Schüler Franz Pönninger und Josef Röhlich die Leitung der k. k. Kunsterzgießerei. Wenige Jahre später erhielt auch der Maler Hans Makart ein Atelier und eine Wohnung auf dem Areal des Gusshauses. Noch lange nach seinem Tod 1884, blieb das Gusshaus ein Standort der Kreativwirtschaft.

Caspar von Zumbusch, Erzherzog-Albrecht-Denkmal, 1898/1899, aufgestellt auf der Rampe der Albertina (Wien 1). (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

1897 übernahm Arthur Krupp die finanziell angeschlagene Kunsterzgießerei und gliederte sie in die Berndorfer Metallwarenfabrik ein. In der Folge kam es zu einem massiven Um- und Ausbau des Gusshauses, dennoch wurde der Betrieb 1908 nach Berndorf verlegt. Einige Jahre zuvor war bereits auf dem an der Gußhausstraße gelegenen Teil des Grundstücks ein Gebäude für das Elektrotechnische Institut der Wiener Technischen Hochschule errichtet worden.
Der Nordtrakt und der nördliche Teil des Osttrakts des Gusshauses fielen 1929/1930 dem Neubau des Schwachstrominstituts zum Opfer. Makarts Atelier war bereits 1916/17 abgerissen worden. In den von Gusshaus verbliebenen Gebäudeteilen war bis 2014 der Bauhof der Technischen Universität untergebracht.

Neugierig geworden? Mehr erfahren Sie in unserem handlichen Buch:

Doris Schön / Günther Buchinger / Ingrid Mader /Johannes Ramharter / Werner Chmelar / Markus Jeitler
Kanonen und Kunst. Das Gusshaus auf der Wieden
Wien Archäologisch 14 (Wien 2018)
22 x 14 cm. Broschur.
152 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
EUR 21,90.
ISBN 978-3-85161-186-1

 

[1] Die Bauforschung wurde durch die Firma Denkmalforscher durchgeführt. (www.denkmalforscher.at )