Datum: 18.10.2016 | Autor: I. Gaisbauer
Fundort: Wien 1, Palais Porcia | Zeitstellung: Mittelalter

Um ein solches Fundstück handelt es sich bei einem Objekt, dass im Material der Ausgrabung im Palais Porcia entdeckt wurde und uns zumindest vorerst mit nicht ausreichend beantwortbaren Fragen konfrontiert.

Gerade bei etwas rätselhaften Stücken empfiehlt sich:  langsam und der Reihe nach – worum handelt es sich hier überhaupt, bzw. was lässt sich feststellen? Die Bruchstücke gehören zu einer figuralen keramischen Hohlform und sind mittelalterlich – die sauerstoffarme Brennatmosphäre bei der Herstellung, die dem Ton seine grauweiße Farbe verliehen hat und die Zusammensetzung des Tones selbst, machen eine Entstehung  im 15. Jahrhundert sehr wahrscheinlich. Die Anatomie weist, ebenso wie die wenigen erkennbaren Details der Kleidung, auf die Darstellung einer Frau hin. Der Rock ist einfach, als Gürtel dient eine Kordel oder ein Strick. Der Oberkörper ist offenbar nackt. Am Rücken sind möglicherweise noch Reste eines langen Zopfes zu erkennen, die uns – auch ohne den Kopf der Figur – einen Hinweis auf die Haartracht geben. Der Kopf fehlt – leider stellt bei allen keramischen Figürchen, quer durch die Zeiten, der Hals eine „Sollbruchstelle“ dar, die den Archäologen oft genug des „Kopfstücks“ beraubt. Auch die Arme, die offenbar vor der Brust, genauer gesagt unter den etwas „pointierten“ Brüsten verschränkt gewesen sein dürften, fehlen.

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Völlig unklar ist, wozu diese Figur gedient haben könnte. Möglich ist natürlich ein rein dekorativer Charakter. Ebenso wäre es aber auch denkbar, dass es sich bei der hohlen Figur um ein Gießgefäß, eine Art von Krug gehandelt haben könnte. Tatsächlich sind Figuren dieser Art immer als Einzelstücke und sehr individuell zu betrachten, was Vergleiche naturgemäß schwierig macht. Zumindest eine andere Nutzungsart drängt sich aber an Hand zumindest ähnlicher Figuren auf: es könnte sich um einen Kerzen– oder Lämpchenhalter gehandelt haben. In diesem Fall hätten die abgebrochenen Arme wohl am ehesten eine Tülle für eine Kerze umschlossen, oder eine Lampenschale gestützt, wie man sie im Mittelalter gerne verwendete. Wie groß die Bandbreite der Ausgestaltung bei solchen Figuren sein kann, zeigen Beispiele von älteren Objekten und sehr neu entdeckten Funden.