Autorin: Christine Ranseder
Befund- und Fundkatalog sind fertig, die Chronologie erstellt, Vergleichsbeispiele gefunden, einzelne Textteile vielleicht schon geschrieben – doch damit ist die Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen. Nun gilt es, die Recherche auszuweiten. So kann es zum Beispiel notwendig sein, die bereits erarbeiteten Ergebnisse mit einer Haus- und Ortsgeschichte in Zusammenhang zu bringen. Manche Funde benötigen die Beschäftigung mit alten Herstellungstechniken, andere vielleicht eine Auseinandersetzung mit dem sozialen und wirtschaftlichen Umfeld ihrer einstigen Besitzer. Für mich ist dies der spannendste Teil des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses, weil er auch die Möglichkeit gibt über den Tellerrand zu schauen, Nachbardisziplinen einzubeziehen und in die Kulturgeschichte einzutauchen.
Viele Stunden werden mit Lesen, Exzerpieren, Bildbetrachtung und Nachdenken verbracht. Es ist an der Zeit eigene Thesen zu entwickeln, sie zu prüfen und unter Umständen wieder zu verwerfen. Schließlich können die Notizen geordnet und die Gliederung der geplanten Publikation festgelegt werden. Natürlich müssen für wissenschaftliches Arbeiten und Publizieren Regeln befolgt werden. Innerhalb dieser gibt es aber ausreichend Spielraum, um sie den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Wie ausführlich und strukturiert die Ergebnisse einer Grabungsaufarbeitung vorgelegt werden können, hängt einerseits von Umfang und Art der Funde- und Befunde, andererseits von dem gewählten Publikationsmedium ab. In einem Buch, das sich ausschließlich einer Grabung widmet (Monografie) dürfen Katalog und interpretierender Text ausführlicher sein als in einem Artikel, der z. B. für einen Jahresbericht geschrieben wird. WissenschaftlerInnen sollten sich also gut überlegen wie sie ihre Forschungsergebnisse präsentieren, bevor sie zu Schreiben beginnen.
Das Schreiben selbst ist ein einsames Geschäft, darin unterscheiden wir uns nicht von Romanautoren. Die Arbeitsweise ist ebenfalls stark individuell geprägt. Es mag WissenschaftlerInnen geben, denen ein druckreifer, brilliant formulierter Text nur so aus der Feder – pardon, der Tastatur – fließt. Ich notiere in der Regel zunächst die Fakten und meinen Gedankengang in Stichworten, erst danach beginne ich die Sätze auszuformulieren. Dieser Rohtext wird auf inhaltliche Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit der Interpretationen überprüft – und auch die Fußnoten müssen in Form gebracht werden. Dann geht es an das sprachliche Überarbeiten und Feilen, schließlich soll das Buch/der Artikel verständlich und lesbar sein. Im Idealfall öffnet sich so ein Fenster in die Geschichte eines Ortes und Fundensembles.
Das fertige Manuskript wird schließlich einer Redaktion anvertraut, die es für den Satz und darauffolgenden Druck vorbereitet. In vielen Fällen müssen heutzutage Autor und Manuskript allerdings zuvor eine „peer-review“, also eine Beurteilung durch unabhängige Gutachter, überleben. Doch der oftmals steinige Weg des Manuskripts zum fertigen Buch ist eine andere Geschichte …