Zuzug in der Spätbronzezeit?

Autorin: Christine Ranseder

Diese Woche pausiert die Berichterstattung zur aktuellen Ausgrabung. Stattdessen geht es mit der Serie zur Urgeschichte auf Wiener Boden weiter, die mittlerweile in der Spätbronzezeit (um 1300 bis 800/750 v. Chr.) angekommen ist. Sie wird wegen der Sitte, die Toten zu verbrennen und in Urnen zu bestatten, auch Urnenfelderzeit genannt. Basierend auf einem dichten Netz aus Kontakten, einem wirtschaftlichen Austausch und gegenseitigen Einflüssen entstand ein Kulturkomplex, der sich über weite Teile Europas erstreckte. Niederösterreich, das Burgenland, Teile der Steiermark, Südmähren, die Südwest-Slowakei und Westungarn bildeten eine weitgehend geschlossene kulturelle Einheit. Im Wiener Raum lässt die größere Anzahl archäologischer Fundstellen einen Bevölkerungsanstieg vermuten.

Es muss eine unruhige Zeit gewesen sein: Neben den großen „Urnenfelderwanderungen“ (um 1200 und 1100 v. Chr.) kam es auch zu kleinräumigen Verschiebungen der Siedlungsgebiete. Die Verarbeitung von Bronze erreichte in der Urnenfelderzeit einen ersten Höhepunkt. Der mit dem begehrten Metall verbundene wachsende Wohlstand einiger Weniger, Machtpoker und Verlustängste sind archäologisch nachvollziehbar. Zu den landwirtschaftlich orientierten Flachlandsiedlungen kamen ab der Mitte der Urnenfelderzeit mehrere Hektar große Höhensiedlungen, die mit Gräben und mächtigen, in Holz-Erde-Konstruktion errichteten Wällen befestigt waren. Es handelte sich vermutlich um zentrale Orte, in deren Schutz Handwerk und Handel nachgegangen wurde und zumindest Teile der Oberschicht ansässig waren. Dass Gegenstände aus Metall gehortet und gut versteckt wurden, zeigen die zahlreichen – nicht immer eindeutig zu deutenden – Depotfunde. Damals wurde das Vermögen nicht in die Matratze gestopft, sondern in der Erde vergraben. Manche Depots könnten aber auch als Opfer- oder Weihegabe in den Boden gelangt sein.

Doppelkonisches Gefäß, das als Urne verwendet wurde, aus dem 1939 freigelegten Gräberfeld in Aspern.

Der soziale und geistige Wandel spiegelt sich in den Bestattungssitten und dem Symbolgut wieder. Die Gräberfelder lagen in einiger Entfernung außerhalb der Siedlungen, wenn möglich jenseits eines Wasserlaufs. Brandbestattungen waren die Regel. Man verbrannte die Verstorbenen in ihrer Tracht mit den Beigaben auf einem Scheiterhaufen, sammelte die Reste ein und bestattete sie mit oder ohne Urne. Als Behältnis für den Leichenbrand wurden häufig doppelkonische Gefäße verwendet, die als keramische Leitform der Urnenfelderkultur angesehen werden.

In der Ornamentik der Spätbronzezeit sind erstmals Motive fassbar, die mit mythisch-religiösen Vorstellungen in Zusammenhang gebracht werden können. Dazu gehören die Sonnensymbole Rad, Dreiwirbel und konzentrische Kreise sowie Darstellungen von Wasservögeln. Als wichtigstes Motiv gilt jedoch die Vogel-Sonnen-Barke. Es ist vorwiegend auf Schutzwaffen und bronzenem Trinkgeschirr zu finden – also auf Gegenständen, deren Gebrauch einer sozialen Elite vorbehalten blieb. Schild- und lanzettförmige Anhänger dürften als Amulette getragen worden sein.

Landleben am Fluss, aber ohne Luxus

Luxusgegenstände aus Metall konnten bis jetzt im Wiener Raum nicht gefunden werden. Es ist jedoch ein eindeutiger Anstieg an Fundstellen, die Hinweise auf größere Siedlungen und Gräberfelder liefern, zu verzeichnen.

Besonders ertragreich waren in den letzten Jahren die Grabungen auf dem Gelände der Seestadt Aspern (Wien 22). Oberflächenfunde, Gruben und auch Gräber wurden in diesem Gebiet bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckt. In den Jahren 1979/80 konnten beim Bau des General-Motors-Motorenwerkes 58 Gruben mit Keramik der Urnenfelderzeit freigelegt werden. Mittlerweile gelang auch der Nachweis von Pfostenbauten. Insgesamt bietet sich das Bild einer weitläufigen Streusiedlung, bestehend aus Häusern, Wirtschaftsbauten und zahlreichen Speicher-, Arbeits- und Abfallgruben.

Reste von spätbronzezeitlichen Pfostenbauten, Seestadt Aspern (Wien 22).
Urnenfelderzeitliche Speichergrube mit Tierdeposition, Seestadt Aspern (Wien 22).
Reste eines spätbronzezeitlichen Urnengrabes, Seestadt Aspern (Wien 22).

Ein Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderzeit lag am Plateau des Leopoldsberges (Wien 19). Der Großteil der Gräber kam während des Baus der Endschleife der Höhenstraße und des zugehörigen Parkplatzes zu Tage. Es kann angenommen werden, dass sich auf dem Leopoldsberg auch die zum Gräberfeld gehörende Siedlung befand. Etwaige Überreste wurden durch die starken Eingriffe in den Boden im Zuge der mittelalterlichen Bautätigkeit und von Planierungsarbeiten im 20. Jahrhundert zum Verschwinden gebracht. Spärliche Spuren einer Siedlungstätigkeit konnten jedoch dank einer archäologischen Ausgrabung auf der Terrasse am Südhang nachgewiesen werden.

Der Bau der Höhenstraße am Leopoldsberg, 15. Juni 1935. (Foto: Gerlach. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Sign. Nr. C4151)

Ein Siedlungsschwerpunkt lässt sich im Südosten des Wiener Raumes ausmachen. In dem Gebiet Csokorgasse/Sängergasse/Etrichstraße/Mühlsangergasse (Wien 11) kamen Gruben mit urnenfelderzeitlich datierendem Fundmaterial sowie Pfostenlöcher, die auf mindestens zwei Häuser schließen lassen, zu Tage. Das nach Nordosten leicht abfallende Areal befindet sich in der Nähe der Flüsse Donau, Schwechat und Liesing sowie des Laaer Berges. Augebiet und fruchtbares Ackerland treffen hier aufeinander. Auf ein zur Siedlung gehörendes Gräberfeld lassen einige Brandgräber der älteren Urnenfelderzeit schließen, die 1924 bei der Anlage einer Verbindungsstraße von der Mühlsangergasse zur Simmeringer Hauptstraße nachgewiesen werden konnten.

Auf weitere in der Nähe der Liesing gelegene Ansiedlungen weisen die in der Sulzengasse (Wien 23) gefundenen 12 Gruben mit überwiegend urnenfelderzeitlicher Keramik, 29 Pfostengruben und eine Feuerstelle hin. In Unterlaa (Wien 10) kamen ebenfalls Gruben und einige urnenfelderzeitliche Streufunde zu Tage.