Autorin: Ingeborg Gaisbauer
Offenbar liebt es die Wiener Medienlandschaft persönlich. Sie schätzt den direkten Kontakt, die unmittelbare Ansprache, denn wie sollte es sich sonst wohl zutragen, dass ein Skelett nur wenige Tage nach seiner Entdeckung bereits einen (wenig geistreichen) Spitznahmen hat? Also gut, es soll uns keiner nachsagen, dass wir unseren Funden nicht innig verbunden sind, nur keine falsche Distanziertheit und schön der Reihe nach.
Die letzten Neuigkeiten, die wir hier für sie bereithielten, waren zwar nicht „sensationell“, aber nichts desto trotz immer noch „neu“. Sie erinnern sich an die etwas zweckentfremdeten Grabplatten, die als „Pflasterung“ direkt über dem Fundament des Stephansdomes gefunden wurden? Mittlerweile kann ich ihnen wenigstens berichten, dass diese Platten aus dem 14.Jh. stammen. Was die noch halbwegs erkennbaren Inschriften anbelangt, so werden wir hoffentlich noch detaillierter werden können. Der Nutzen scheint genau wie bereits angedeutet recht einfach gewesen zu sein. Man schuf eine eben Oberfläche. Pietätlos? Ansichtssache – immerhin wurden die Friedhofsareale um St. Stephan im 18. Jh. aufgelassen und geräumt. Mit diversen „Umräumarbeiten“ ist durch die Jahrhunderte aber immer wieder zu rechnen. Leider lässt sich nicht genauer feststellen, wann zwischen dem 14. und dem 18. Jh. die „Ebnung“ stattgefunden hat. Wo wir aber gerade bei verschwundenen Sehenswürdigkeiten aus dem 14. Jh. sind: Ein kurzer Blick auf die Überreste der Magdalenenkapelle war uns auch vergönnt in den letzten zwei Wochen. Wie geplant wurden die bis knapp unter das Pflaster erhaltenen Mauern der Kapelle durch die Erneuerung der Oberfläche kurz sichtbar, und wir hatten, das erste Mal nach den 70er Jahren und das letzte Mal auf absehbare Zeit, die Möglichkeit sie zu dokumentieren.
Direkt neben den Überresten der Kapelle fand sich dann auch unser Überraschungsgast ein, jenes Skelett, das einige mediale Aufmerksamkeit auf sich zog. Menschliche Knochen haben offenbar immer Saison, auch wenn sie das Gegenteil von sensationell sind. Ein Skelett auf einem Friedhof überrascht natürlich niemanden. Was allerdings erstaunlich war und offenbar schwierig zu kommunizieren, war der Umstand, dass es sich hier um ein – mit Ausnahme der Beine – erhaltenes Skelett handelte. Wie wir schon berichtet haben, ist bei den Bauarbeiten immer wieder kleinteiliges Knochenmaterial im mehrfach durch frühere Bauarbeiten durchwühlten Erdreich aufgetaucht. Dass sich aber praktisch neben der Störung durch den U-Bahnbau noch recht ungestört menschliche Überreste finden, war unerwartet. Vermutlich kam es zwischen dem 16. Und 18. Jh. zu dieser Bestattung, eine Geschlechtsbestimmung steht noch aus – vielleicht sollte man mit der ebenso launigen wie unnötigen Namensgebung also noch ein wenig warten? Auf jeden Fall war es vor dem großen Rummel um den „stillen Schläfer“, den kein noch so großer Tumult stören kann, eindeutig friedlicher am Stephansplatz – so friedlich wie eine Baustelle eben sein kann.