Archäologische Verhörtechniken die „Erste“, oder: Wenn Mauern nicht sprechen wollen …

Autorin: Ingeborg Gaisbauer

Wie bringt man eine Mauer zum Sprechen? Steine sind zwar recht persistent, aber zumindest in einer direkten Konfrontation (stellen Sie sich das bitte nicht zu gewalttätig vor!) nicht besonders eloquent. Besser ist es da schon, wenn man Mauersteine im Zusammenhang betrachtet, sie sozusagen als Kollektiv, mehr oder weniger durch Lehm oder Mörtel gebunden, sieht.

Man besieht sich strukturelle Details wie Größen, Anordnung und Lagenhöhe, die friedliche Koexistenz von Stein und Ziegel, usw. Im Kollektiv sind Steine einfach irgendwie zutraulicher. Erwarten sie sich auch in diesem Fall nicht gerade einen griechischen Tragödienchor an informativer Beschallung: wenn die Mauer ihr Alter preisgibt, ist das eine feine Sache und man soll sein Glück nicht überstrapazieren. So gesehen hat uns unser aktuelles PinUp-Mäuerchen (Abb. 1) zuerst einmal etwas hingehalten, mittlerweile wissen wir mehr über Wiens neuestes U-Bahnarchäologisches „Baby“.

Abb. 1a, b und c: Mauer und Ansatz eines Gewölbes am Matzleinsdorfer Platz (Fotos: Stadtarchäologie Wien/Constance Litschauer)

Aber von Anfang an: Wer, wie, was, wo und wann? Wenig überraschend haben die Bauarbeiten zur U2 eine gewissen auch für die Archäologie relevanten Realitätsgrad erreicht – am Matzleinsdorfer Platz geht es in die Tiefe (Abb. 2).

Abb. 2: Archäologie Hand in Hand mit den U-Bahn Bauarbeiten (Foto: Stadtarchäologie Wien/Constance Litschauer)

Womit zu rechnen sein könnte? Nun, der Linienwall, 1704 zum Schutz gegen die einfallenden Kuruzzen erbaut, könnte wieder das Tageslicht erblicken. In jedem Fall werden die Grabungen nahe an dieses ehemalige Annäherungshindernis heranreichen und damit das direkte Umfeld des Walls – zuerst aus Erde und dann aus Ziegelsteinen errichtet – freilegen. Da an dem Wall mehrfach Veränderungen und Reparaturen vorgenommen wurden, könnte sich somit auch ein Hauch „Baustellenmist“ aus dem 18. Jh. finden. Möglich wäre es zumindest.

Was nun gefunden wurde, passt nicht so ganz ins Profil. In nahezu zwei Meter Tiefe wurde ein kleiner Teil einer Mauer und eines Gewölbeansatzes aus Steinen und Ziegel freigelegt. Zum Linienwall jedenfalls hat die Mauer nicht gehört, dagegen spricht besonders ihr Erscheinungsbild (Abb. 3).

Abb. 3: Das freigelegte Mauerstück im Überblick (Plan: Stadtarchäologie Wien/Martin Mosser)

Möglicherwiese haben wir es hier mit einem außen an den Wall angebauten Gebäude zu tun. An der Frage nach dem genauen Alter und dem Nutzen arbeiten wir noch, aber es sieht ganz so aus, als würde es sich hier eher um ein Überbleibsel des 19. Jahrhunderts handeln. Wir werden ihnen die dieser Mauer abgerungenen Erkenntnisse nicht vorenthalten.