Armenhausgeld – eine Wiener Spezialität

Autorin: Constance Litschauer

Wenn das Fundmaterial eine seltene Objektgruppe umfasst und Einblicke in die Stadtmorphologie Wiens ermöglicht, ist das natürlich ein Glücksfall. Ein solcher ist zweifelsohne Armenhausgeld des 18. Jahrhunderts, das während der letzten zwei Jahre vermehrt im Zuge des Ausbaus des Wiener U-Bahn-Netzes zu Tage kam.

Die Fundobjekte

Die neu gefundenen Armenhauspfennige mit einer sog. Geldkatze aus dem 19. Jahrhundert. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/ Constance Litschauer)

Die zumeist nur mäßig erhaltenen und aktuell elf-, vermutlich aber zwölffach vorliegenden Kupferstücke mit einem Durchmesser von bis zu rund 18 mm zeigen auf der Vorderseite das nimbierte Brustbild Christi nach links sowie die Umschrift QUOD PAUPERI MIHI. Diese variiert, da mitunter der Buchstabe U durch ein V ersetzt wurde. Auf der Rückseite sind fünf Getreideähren oberhalb der Wertangabe 1 in einer Kartusche dargestellt. Hier lautet die Umschrift CENTUPLUM REDDO. Der in etwa mit „Was dem Armen (und) mir (geschieht), gebe ich hundertfach zurück“ zu übersetzende Text geht auf die Verse 25,40 und 13,23 des Evangeliums nach Matthäus zurück und ergänzt inhaltlich die Bildsprache mit ihrer religiösen Charakteristik.

Der am besten erhaltene Armenhauspfennig o. J. vom Frankhplatz. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/Constance Litschauer)

Die knappe Beschreibung ermöglicht es bereits, die nicht als Münzen, sondern vielmehr als Marken bzw. Hausgeld zu bezeichnenden Objekte einzuordnen. Es handelt sich um Armenhausgeld ohne Jahresangabe im Wert von einem Pfennig, das unter Karl VI. (1711−1740) vom Wiener Großarmen- und Invalidenhaus ausgeprägt wurde. Es wurde mit der oben beschriebenen, relativ stereotypen Darstellung erstmals unter der Regentschaft von Karl VI. (1711−1740) um 1720 hergestellt und auch noch unter Maria Theresia (1740−1780) ausgegeben. Lediglich die Ausgabe aus dem Jahr 1756 unterscheidet sich umfassend. Die Emissionen orientierten sich unter Karl VI. an der bis 1750 in Wien gültigen Währung und sind auch im Wert von zwölf sowie vier Pfennigen überliefert. Die Umrechnung konnte damit auf Basis des im Heiligen Römischen Reich ab der Neuzeit bzw. ab ca. 1510 bis zur Einführung der Konventionswährung 1750 unter Maria Theresia gültigen Rechensystems erfolgen:

1 Groschen = 3 Kreuzer = 12 Pfennig bzw. 1 Kreuzer = 4 Pfennig

Sämtliche der neu vorliegenden Objekte kennzeichnet, dass die ab 1728 die Wertangabe flankierende Jahreszahl noch nicht genannt wird, während die auf den frühen Exemplaren wiedergegebene Signatur I.W. bereits fehlt. Die Buchstaben können die Initialen des Medailleurs – beispielsweise ist ein J. V. Wolfgang überliefert – wiedergeben, oder aber auch für „Invalidenhaus Wien“ stehen. Mit diesen Merkmalen fällt es schlussendlich leicht, die Fundstücke exakt zuzuordnen: Sie wurden im Zuge der zweiten Auflage der ersten Ausgabe zwischen ca. 1720 und 1728 hergestellt.

Ein Armenhauspfennig mit der Einstempelung 17 – 22. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Constance Litschauer)

Eine noch engere zeitliche Eingrenzung erlaubt ein Armenhauspfennig aus der Landesgerichtsstraße, da er die sekundäre Einstempelung der Jahreszahl 1722 aufweist.

Fundverteilung

Die neu aufgedeckten Armenhauspfennige stammen von benachbarten, an der Grenze zwischen dem 8. und 9. Wiener Gemeindebezirk gelegenen Grabungsflächen. Am Frankhplatz wurden vier Armenhauspfennige gefunden, in der Landesgerichtsstraße fünf sowie am Friedrich-Schmidt-Platz zwei oder drei. Sie wurden in großflächigen Planierschichten und Verfüllungen aufgedeckt und erinnern damit vor allem an die vielen Baumaßnahmen im Zuge der Stadterweiterung und des Verschwindens des Glacis ab 1858.

Salomon Kleiner, „Prospect des Armen Hausses und Soldaten Spithals“ (Allgemeines Krankenhaus), aus: Wahrhafte und genaue Abbildung (…), 3. Teil, Abb. 14, 1733. (Wien Museum, Inv.-Nr. 15737)

Das Ensemble und seine Aussage

Aufgedeckt wurden die Marken aber ebenso in der Nähe des Wiener Großarmen- und Invalidenhauses, das in Wien 9, Alser Straße 4, Spitalgasse 2−4 beheimatet war. Die Einrichtung wurde unter Leopold I. (1658−1705) im Jahr 1693 per Beschluss gegründet, um die Bedürftigen Wiens versorgen zu können. Dazu zählten allen voran die aufgrund ihrer Aufopferung für das Land versehrten und verarmten Soldaten mit ihren Familien, aber auch andere anzuerkennende Verarmte. Im Gegenzug konnten „Herumtreyber und arbeitsunwilliges Gesindel“ verwiesen und arrestiert werden. Die Finanzierung der Bautätigkeit und auch Versorgung der Bewohner erfolgte mithilfe von Erbschaften, Stiftungen und Almosen sowie Einnahmen von Verbrauchsabgaben, Steuern und Sammelaktionen, wie sie beispielsweise an den Stadttoren überliefert sind. Der Komplex wurde bis zur Fertigstellung im Jahr 1733 unter Karls VI. stetig erweitert, ehe wegen Veralterung der Funktionalität unter Joseph I. (1705−1711) im Jahr 1783 die Auflassung und der Umbau zum Allgemeinen Krankenhaus, dem jetzigen Alten AKH, erfolgten.

Die Versorgung der Bedürftigen im 18. Jahrhundert lässt sich auf dem Kupferstich „Die in groser Theurung Ao. 1770. 1771. u. 1772. noch anhaltende Noth, Mildthätige Herzen der Armen und Nothleidenden. / (…)“ des Johann Martin Will aus dem Jahr 1772 erahnen. (Wien Museum, Inv.-Nr. 212849)

Gemeinsam mit den Neufunden des als selten gehandelten Armenhausgeldes bietet sich damit ein Einblick in das Leben der im 18. Jahrhundert im Großarmenhaus untergebrachten Bedürftigen. Als versehrte Soldaten mit ihren Familien, „Hausarme“ Männer mit ihren Familien sowie Witwen und Kinder gruppiert, bewohnten sie die rund um die aneinandergereihten Innenhöfe gelegenen Gebäudeblöcke. Sie konnten sich in den ebenfalls vor Ort einquartierten Lokalen und Geschäften versorgen, womit sich bereits der Zweck des Armenhausgeldes erahnen lässt. Mit dem ab Karl VI. vom Großarmenhaus täglich ausgegebenen kupfernen Hausgeld erübrigte sich das unerwünschte Betteln an anderen Plätzen. Die Bezieher konnten am Areal nicht nur Nahrungsmittel, Kleidung und andere Produkte des eigenen Bedarfs erwerben, sondern auch Versorger wie die Hl.-Geist-Apotheke, Barbiere oder Gastronomiebetriebe aufsuchen. Die Dienstleister konnten in der Folge einmal monatlich die erhaltenen Marken gegen reguläres Geld wechseln.

Um die persönlichen Bedürfnisse stillen zu können, erhielten Männer drei Groschen (= 36 Pfennige), Frauen zwei Groschen (= 24 Pfennige) und zur Versorgung der Kinder wurde ein Groschen (= 12 Pfennige) ausgegeben. Etwas besser gestellt waren aufgrund ihrer Verdienste für das Land die versehrten Soldaten. Gestaffelt nach ihrem Rang konnte ein Militärveteran über vier Groschen (= 48 Pfennige), ein Offizier über sechs Groschen (= 72 Pfennige) sowie eine Offiziersgattin über drei Groschen (= 36 Pfennige) verfügen.

Mit dem Fund der zahlreichen, ansonsten jedoch nur selten anzutreffenden Armenhauspfennige nahe des einstigen Umlaufortes, dem Großarmenhaus, hat sich somit gezeigt, dass das Fundmaterial nicht nur zu Grabungsbefunden Auskunft geben kann, sondern auch zur Umgebung. Wie hier kann es dann von der Lebensweise der quer durch die Jahrhunderte in einzelnen Grätzeln Wiens lebenden Bevölkerungsschichten erzählen.

Literaturtipps

  • Dr. L. Wittelshöfer, Wien´s Heil- und Humanitätsanstalten, Ihre Geschichte, Organistation und Statistik, (Wien 1856), S. 20.
  • Joseph Appel, Appel´s Repertorium zur Münzkunde des Mittelalters und der Neuern Zeit …: Abt. 1−2. Münzen und Medaillen der Republiken, Städte, Ortschaften, Gymnasien, etc., Band 4, Teil 2 (Hartleben 1829).
  • Thomas Anton, Das Wiener Armenhausgeld, in: Money Trend 6/2014, 218–220.