Voruntersuchungen

Autorinnen: Kristina Adler-Wölfl, Heike Krause | Stand: 5.8. 2020

Auf dem Augustinplatz ist die Errichtung eines Notausstieges zwischen den neuen U2-Stationen Rathaus und Neubaugasse vorgesehen. Im Vorfeld sollte geklärt werden, ob von einem 1943 geplanten, unterirdischen Löschwasserbehälter noch Reste im Boden vorhanden sind. Dafür wurden im April 2019 auf dem Platzteil östlich der Kellermanngasse drei 1 x 1 m große Suchschächte angelegt. Es zeigte sich, dass der Behälter anscheinend gar nicht gebaut worden ist – im Gegensatz zu jenem am Siebensternplatz, dessen Umriss in der Oberflächengestaltung kenntlich gemacht wurde. Die Suchschächte brachten jedoch anderes zutage.

Lageplan des 1943 projektierten Löschwasserbehälters im Bereich des heutigen Augustinplatzes in Wien-Neubau, Osten ist oben. (© WStLA)
Der Augustinplatz während der Sondage-Arbeiten, Blickrichtung Westen. (Fotos: Stadtarchäologie Wien)

Vom mittelalterlichen Dorf St. Ulrich zur Vorstadt Neubau

Um die südöstlich des Augustinplatzes gelegene Kirche St. Ulrich befand sich zumindest seit dem 13. Jahrhundert ein Dorf mit einem herrschaftlichen Hof, das zunächst Zeismannsbrunn, später nach dem Kirchenpatron St. Ulrich genannt wurde. Im 14. Jahrhundert entstand westlich von ihr eine Siedlungserweiterung „auf der Neustift“ (etwa zwischen Kellermanngasse und Zieglergasse). Davon leitet sich der heutige Straßenname Neustiftgasse ab.
Im Nordwesten des Platzes lag der bis ins Mittelalter zurückreichende St.-Ulrichshof bzw. Oberhof mit Wirtschaftsgebäuden und Gärten. 1629 erwarb das Schottenkloster den Hofkomplex und die dazugehörigen Gründe. Fortan wurde er Schottenhof genannt. Aus den Liegenschaften des Oberhofes entwickelte sich im 16. Jahrhundert die Vorstadt Neubau („Oberes Gut“).
Die ältesten genauen Pläne ab dem 18. Jahrhundert zeugen bereits von einer recht durchstrukturierten Bebauung in diesem Gebiet.

Der Ortskern von St. Ulrich mit dem Schottenhof um 1773. Ausschnitt aus dem Plan von Joseph Anton Nagel, Südwesten ist oben. (© ÖNB)

Die Entstehung des heutigen Platzes

Prägend für die topographischen Verhältnisse im Bereich des Platzes war der von Nordwesten kommende Ottakringer Bach und seine eingeschnittene Talsohle. Wie alte Pläne zeigen, dürfte der Bach bereits Ende des 17. Jahrhunderts teilweise unterirdisch in einem Kanal verlaufen sein. Die in Rohren verlegte Schottenfelder Hofwasserleitung folgte stellenweise dem Verlauf des Ottakringer Bachs. Sie wurde um 1650 erbaut und ist heute nicht mehr in Funktion.
Der Vergleich historischer Karten des 18./19. Jahrhunderts mit der aktuellen Stadtkarte von Wien verdeutlicht, dass es den Augustinplatz in seiner heutigen dreieckigen Form noch nicht gab. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Baulinien der Häuser beiderseits der Neustiftgasse zugunsten eines geradlinigen Verkehrsflusses, vor allem südlich der Gasse, stark verändert. Das bedeutete, dass die bestehenden Häuser demoliert werden mussten und rückversetzt Neubauten entstanden. Durch diesen Eingriff in die Baustruktur konnte der größere Augustinplatz, so wie wir ihn kennen, erst Gestalt annehmen. Der Platzteil westlich der heutigen Kellermanngasse war schon vorhanden. Die Kirchengasse wurde als Verlängerung der bereits bestehenden Schottenhofgasse (heute Kellermanngasse) im Norden bis zur Kreuzung der Burggasse im Süden neu geschaffen.

Lage der drei Sondage-Schächte in der heutigen Stadtkarte überlagert mit den Plänen von Neubau und St. Ulrich von Anton Behsel aus dem Jahr 1825. (Plangrundlagen: ViennaGIS, WStLA, Plan: © Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)

Ergebnisse aus den Sondagen

Die in den Suchschächten geborgenen Keramikscherben stammen vom späten Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert und zeugen von der Jahrhunderte langen Nutzung bzw. Besiedlung dieses Areals.
An baulichen Überresten trat einerseits ein nicht mehr genutzter Abwasserkanal aus dem 19. Jahrhundert in Schacht 1, andererseits ein Stück einer Hausmauer in Schacht 2 zutage. Letzteres gehörte vermutlich zum 1898 abgerissenen Gebäudekomplex Neustiftgasse 37, der von Süden her weit in den heutigen Platzbereich hineinragte.
1779 waren diese zur Vorstadt Neubau gehörenden Häuser mit den Schildnamen „Weißer Ochs“ und „Blaue Kugel“ im Besitz der Erben von Spaun.1 Ab den 1820er Jahren wurden die zwei Hausparzellen unter der Nr. 61 „Zur blauen Kugel“ vereint. Die aufgedeckte Mauer ist aufgrund ihrer Lage im georeferenzierten Behsel-Plan dem einstigen Haus „Weißer Ochs“ zuzuweisen. Unmittelbar vor der Demolierung 1898 angefertigte Fotos zeigen den recht umfangreichen Gebäudekomplex mit zahlreichen Wohnungen und Geschäftslokalen.

Mauerreste des ehemaligen Hauses Neustiftgasse 37 in Schacht 3 und Aufnahme des Hauses vor seiner Demolierung 1898, Blickrichtung Osten. (© Stadtarchäologie Wien, Wien Museum)

Man darf gespannt sein, was die archäologische Untersuchung im Zuge des U-Bahn-Baus auf dem Augustinplatz an weiteren neuen Erkenntnissen zur Siedlungsgeschichte liefern wird. Überreste aus der Römerzeit könnten ebenfalls zutage treten, denn aus der Umgebung sind bereits Funde bekannt. So kam etwa 1912 beim Bau des Hauses Neubaugasse 79 in zwei Meter Tiefe eine Körperbestattung sowie römische Keramik und eine spätantike Münze zutage. In der alten, 1574 abgebrochenen Kirche St. Ulrich soll ein römischer Votivstein für Victoria und Fortuna Augusta eingemauert gewesen sein. All diese Funde könnten auf einen römischen Siedlungsplatz, vielleicht einen Gutshof (villa rustica) im Nahbereich des Ottakringer Bachs hinweisen.

Anmerkung:

  1. Franz de Ponty, Verzeichniß der in der Kaiserl. Königl. Haupt- und Residenzstadt Wien sammt dazu gehörigen Vorstädten und Gründen befindlichen numerirten Häusern, Wien 1779, S. 190 Nr. 1 und 2.