Aus der Wundertüte: Ein Löffel

Autorin: Christine Ranseder

Manchmal finden BearbeiterInnen in Fundsackerln Dinge, die sie nicht erwarten würden – oder die sie besonders erfreuen. Ihnen ist die neue Rubrik Aus der Wundertüte gewidmet. Den Anfang macht ein Löffel, der mir beim Katalogisieren und Fotografieren der Funde vom St.-Bartholomäus-Platz in Hernals (Wien 17) in die Hände fiel.

Heute ist die Oberfläche dieses multifunktional konzipierten Freiraums vor der Kalvarienbergkirche mit Steinplatten und Asphalt  versiegelt, seine Randzonen werden als Parkplatz genutzt. Vom späten Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert  befand sich auf diesem Areal jedoch ein Friedhof. Die Stadtarchäologie Wien konnte im Zuge der Neugestaltung des Platzes mehr als 300 Gräber freilegen und dokumentieren. Nicht alle während dieser Ausgrabung zutage gekommenen Funde lassen sich einem Grab oder einer Grube zuordnen. ArchäologInnen nennen derartige Gegenstände Streufunde. Ein solcher ist auch der Löffel. Ging er einst verloren? Oder wurde er versehentlich, zusammen mit Hausmüll, entsorgt? Wir werden es nie erfahren.  In Anbetracht der Redewendung „Den Löffel abgeben“ als Umschreibung für sterben, erscheint es jedoch fast wie eine Ironie des Schicksals einen Löffel auf dem ehemaligen Friedhofsgelände zu finden.

Der Löffel  sieht eigentlich sogar im nicht restaurierten Zustand noch recht hübsch aus – wenn man barockes Design mag. Üppige Formen sind ja nicht jedermanns Sache. Ober- und Unterseite seines Stiels zieren randbegleitende Ranken und je eine Palmette. Auf der Oberseite ist die Palmette allerdings bereits so verschliffen, dass sie kaum mehr zu erkennen ist. Die große Laffe ist auf der rechten Seite vom vielen Gebrauch abgeschabt und schon ganz dünn. Daraus lässt sich schließen, dass der Löffel über einen längeren Zeitraum von einer linkshändigen Person zum Mund geführt wurde. Es handelte sich bei diesem Alltagsgegenstand also um einen treuen Begleiter, der für jemanden eine Zeit lang unentbehrlich war.