Aus der Wundertüte: Greif oder Löwe?

Autorin: Christine Ranseder

Figurale Darstellungen auf Funden aus Wien sind oft kopflos. Das trifft auch auf ein leicht übergewichtiges Wesen auf einem Blattkachelfragment aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu. Immerhin kann sich das Fabeltierchen an schmucken Flügeln erfreuen. Ist es ein mutierter Löwe oder gar ein Greif?

Auskunft sollten – mangels des edlen Haupts – die Tatzen geben können. Sie sind ein wenig unbeholfen geformt und nur fragmentarisch erhalten. Das Hinterbein scheint in einer Pranke zu enden. Aber für den Vorderlauf bleiben alle Deutungsmöglichkeiten offen. Tatze oder klobiger Vogelfuß minus der ersten Zehe? Lassen Sie also Ihrer Fantasie freien Lauf – das belebt die Sinne.

Als edel und mächtig gelten sowohl der Greif als auch der geflügelte Löwe. Kein Wunder also, dass sie als Wächter Portale flankieren und als Wappentiere Dienst verrichten. Fliesen, Ofenkacheln und Logos (denken Sie an Verlage, Museen und Versicherungen) verleihen sie das gewisse Etwas.

Unser Fund kam übrigens bei der Ausgrabung in der Hernalser Hauptstraße 59–63 zum Vorschein. Greife und geflügelte Löwen sind aber in ganz Wien zu finden – an Hausfassaden von Gründerzeithäusern, als schmückende Skulptur oder Laternenstütze sowie in Stiegenhäusern öffentlicher Gebäude. Nutzen Sie doch einen der letzten goldenen Spätsommertage für eine Erkundungstour! Noch ist von der Architektur und Stadtmöblage des 19. Jahrhunderts etwas übrig.

Zwei liegende Greife an einem Wiener Altbau. (Foto: Christine Ranseder)
Zwei Greife, die einen Schild halten, an einem Wiener Altbau. (Foto: Christine Ranseder)
Zwei geflügelte Löwen an einem Wiener Altbau. (Foto: Christine Ranseder)
Ein Greif am Fuß einer Laterne beim Parlament. (Foto: Christine Ranseder)
Der Greif bei der Salztorbrücke. (Foto: Christine Ranseder)