Autorin: Constance Litschauer
Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Wien im April 1945, welches archäologisch oft durch Schuttlagen und Bombentrichter geprägt ist, zeichnete sich für die Bevölkerung spätestens ab 1943 ab. Von dieser beklemmenden Phase zeugen auch im Wiener Boden heute oberflächlich nicht mehr sichtbare bauliche Reste, die durchwegs dem Luftschutz dienten.
Die Planung und der Ausbau des örtlichen Luftschutzes war Teil des Luftschutz-Sofortprogrammes oder Führer-Sofort-Programmes. Die Ausführung begann systematisch ab 1940 in Städten wie Wien aufgrund deren Größe sowie Bedeutung und fand in mehreren Etappen statt. Vollendet wurde es bis Kriegsende nicht, wie nicht zuletzt auch archäologische Ergebnisse zeigen.

Löschwasserbehälter, Deckungsgräben und Schutzräume
Während in der ersten Phase ab 1940 vor allem Bunker errichtet wurden und ab Ende 1942 auch Flaktürme, richtete sich ab März 1943 der Fokus auf den Ausbau weiterer Schutzeinrichtungen. Infolge der ab 1942 einsetzenden massiven Luftangriffe auf deutsche Städte und deren katastrophalen Auswirkungen forcierte man jetzt vermehrt den Ausbau von Luftschutzräumen sowie ebenso die Errichtung von Deckungsgräben und Löschwasserbehältern. Mitunter treffen wir bei Abtiefungsarbeiten auf die oft archivalisch belegbaren Einbauten. Sie zeugen von der zunehmend als bedrohlich eingeschätzten Lage vor Ort.
Da im Zuge von Luftangriffen verstärkt mit Bränden zu rechnen war, wurden im Bereich größerer und gut zugänglicher Areale, wie etwa Plätzen oder Parks, ober- oder unterirdische Löschbecken angelegt. Ein entsprechender archäologischer Belege fand sich etwa in Wien-Währing im Schubertpark in Form eines rechteckigen oberirdischen Beckens mit trapezförmiger Wandung. Ein unterirdisches Reservoir in Wien-Landstraße in der Ungargasse setzte sich aus zwei Tankbehältern zusammen. Wie viele der rund 100 geplanten Behältnisse, deren Aussehen sich häufig der Platzform anpasste, tatsächlich baulich ausgeführt wurden, können wir nicht beantworten, allerdings belegen die archäologischen Ergebnisse, dass einige nicht über die Planungsphase hinauskamen. So im Falle des projektierten unterirdischen Löschwasserbehälters am Augustinplatz in Wien-Neubau. Hier wurden im Zuge des U-Bahn-Ausbaus „lediglich“ Mauern aus dem 19. Jahrhundert aufgedeckt. Der Plan hätte eigentlich zwei an der Schmalseite aneinandergestellte Tanks erwarten lassen.

Ob der oberirdisch geplante und ebenfalls an die Platzform angepasste Löschteich im Arne-Carlsson-Park in Wien-Alsergrund tatsächlich ausgeführt wurde, wird sich im Zuge des weiteren Ausbaus des U-Bahn-Netzes zeigen.

Auch Luftschutz- bzw. Splitterschutzdeckungsgräben finden sich gelegentlich bei archäologisch betreuten Baustellen. Diese behelfsmäßigen Schutzbauten sind im Umfeld kriegswichtiger Betriebe belegt sowie innerstädtisch im Bereich größerer Plätze. Sollte man nach dem Einsetzen eines Luftangriffes keine als bombensicher eingestuften Einrichtungen wie Bunker und Flaktürme erreichen können, boten sie zumindest behelfsmäßigen Schutz. Sie waren allerdings unbeliebt, da die Gefährdung durch herabfallende Splitter und kleinere Trümmer nur verringert wurde. Im Notfall boten sie aber doch zumindest rund 100 Personen Platz. Um über einen längeren Zeitraum Schutz gewährleisten zu können, sollten sie zudem mit Aborten, Strom und Gasschleusen ausgestattet sein. Zu derartigen ganz oder teilweise unterirdisch in Zick-Zack-Form oder rechtwinkelig angelegten Einbauten zählen unter anderem die nach Kriegsende geschleiften Überreste in Wien-Hernals am Dornerplatz sowie in Wien-Rudolfsheim im Märzpark. Während die beiden Luftschutzdeckungsgräben in Betonbauweise geplant und ausgeführt wurden, ist das im Anton-Baumann-Park in Wien-Währing noch nicht gesichert. Da zu diesem Einbau neben der Variante aus Beton auch ein Plan zur ebenso gebräuchlichen Holzbauweise vorliegt, hoffen wir jedoch im Zuge des U-Bahn-Ausbaus weitere Aufschlüsse dazu gewinnen zu können.

Zuletzt zeugen in Wiener Kellern eingerichtete Luftschutzräume von der letzten Kriegsphase. Ihr Ausbau begann zögerlich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, aufgrund der negativen Entwicklung des Kriegsverlaufs für das Deutsche Reich wurde er aber besonders ab 1943 vorangetrieben. Und auch dazu bietet der U-Bahn-Ausbau einen Beleg. In Wien-Josefstadt wurden im Keller eines Altbaus nicht nur Abzeichen des Winterhilfswerks angetroffen, sondern ebenfalls ein Luftschutzraum. Er dürfte der im Haus untergebrachten NSDAP Ortsgruppe Burgviertel und der Deutschen Arbeitsfront (DAF) gedient haben.

In der Wiener Innenstadt schloss man entsprechend eingerichtete Keller idealerweise an das Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt an. Die Verbindung der Schutzräume mittels Durchgängen und gangartiger Stollen sollte im Notfall eine Flucht selbst über längere Strecken ermöglichen. Allerdings wurde auch dieses System bis Kriegsende nicht fertiggestellt. Gleiches gilt für die dazugehörenden Ausstiegsbauwerke. Von den ursprünglich 20 geplanten wurden nur zwei – wie jenes am Rudolfsplatz, Wien-Innere Stadt – vollendet.

Mit dem Luftschutz-Raum-Netz Innere Stadt steht zuletzt ein archäologisch untersuchter Wiener Innenstadtkeller im Zusammenhang, in dem illegale Propagandaschriften aus dem Jahr 1934 versteckt wurden. Als der Keller 1944 zum Luftschutzraum ausgebaut und an das Fluchtsystem angeschlossen wurde, entdeckte man die 1934 deponierten Schriften ein erstes Mal und entsorgte sie umgehend wieder. Zu den damaligen Entdeckern dürften Zwangsarbeiter gezählt haben, was neben archivalischen Belegen auch die Dokumentation vor Ort unterstrich. Mit dem Bleistift auf Mauern geschriebene und nur schwer entzifferbare Namen bestätigen ihre Anwesenheit und lassen zudem vermuten, dass italienische Militärinternierte (IMI) unter ihnen waren.

Zu den erhaltenen Überresten des Luftschutzraumes zählen Fluchtmöglichkeiten, wie nach dem Krieg vermauerte Durchgänge und Notausstiege. Aber auch Beschilderungen und mit dem Pinsel weiß aufgetragene Beschriftungen sind darunter. Unscheinbar sind zudem rote, ebenfalls der Orientierung dienende Markierungen. Sie stehen bereits im Zusammenhang mit den an das Kriegsende anschließenden, von der Roten Armee geleiteten Aufräumarbeiten in Wien.

Resümee
Archäologisch dokumentierte Überreste – wie auch das römerzeitliche Massengrab in Wien-Simmering – sind oft das Erbe kriegerischer Auseinandersetzungen und zeugen von Gewalt sowie Zerstörung. Die fatalen Auswirkungen der Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren für Mensch und Umwelt bleiben jedoch unvergleichlich – im negativen Sinn.
Mehr zu den im Text erwähnten, archäologisch untersuchten Luftschutzeinrichtungen gibt es in Fundort Wien zu lesen:
- Anton-Baumann-Park: Kristina Adler-Wölfl / Heike Krause, Archäologische Voruntersuchung in Wien 18, Anton-Baumann-Park, Wasserturm (Projekt U-Bahn-Linie U5). In: Fundort Wien 23, 2020, S. 166–172.
- Schubertpark: Claus P. Huber / Karin Traunmüller / Marcello La Speranza, Wien 18, Währinger Straße – Schubertpark. In: Fundort Wien 6, 2003, S. 262–266.
- Ungargasse: Marcello La Speranza, Wien 3, Ungargasse 66. In: Fundort Wien 6, 2003, S. 300.
- Dornerplatz: Christoph Öllerer / Marcello La Speranza, Wien 17, Dornerplatz. In: Fundort Wien 6, 2003, S. 273–275.
- Märzpark: Elfriede H. Huber / Marcello La Speranza, Wien 15, Märzpark. In: Fundort Wien 6, 2003, S. 264–266.
- Reichsratsstraße: Dimitrios Boulasikis / Ullrike Zeger / Michael Schulz / Heike Krause, Wien 1, Reichsratsstraße 15 / Liebiggasse 2. In: Fundort Wien 24, 2021, S. 281–284.
- Rudolfsplatz: Marcello La Speranza, Wien 1, Rudolfsplatz 12 (Rudolfspark). In: Fundort Wien 13, 2010, S. 246–247.
- Wiener Innenstadtkeller: Constance Litschauer, Ein Depot von Druckschriften aus der Zeit des Ständestaates in Wien 1, Ledererhof 2. In: Fundort Wien 25, 2022, S. 158−169.