Des einen Wohlgeruch …

Autorin: Christine Ranseder

… ist des anderen Kopfweh. In der Vorweihnachtszeit können das vermutlich Leidgeprüfte bestätigen, die allergisch auf Duftlampen reagieren. Mir genügen fünf Minuten in der Nähe eines solchen Dinges und ich habe einen Brummschädel. An Weihrauchschwaden, die durch Kirchen wabern, möchte ich gar nicht denken. Im Kult spielte das Räuchern natürlich schon immer eine wichtige Rolle. Im Wiener Raum stammen die ersten Belege für das Verbrennen wohlriechender Substanzen aus der Römerzeit.

Dem Rauch wurden zahlreiche Eigenschaften angedichtet: Er sei reinigend, würde Übel abwehren und Verehrung bekunden. Kein Wunder also, dass im Rahmen von Tier-, Trank- und Ernteopfern, im Kaiserkult, bei Initiationsriten und vielen anderen gesellschaftlichen Ereignissen duftende Substanzen ein fixer Bestandteil des Rituals waren. Große Bedeutung hatte das Räuchern im römischen Totenkult. Während der Zeremonie der Feuerbestattung verbrannte man  Räucherwerk in eigens angefertigten Fußschalen aus Ton, die später ins Grab mitgegeben wurden. In einem auf dem Grundstück Klimschgasse 19–21 (Wien 3) ausgegrabenen Brandgrab lagen gleich fünf derartige Räucherschalen. Auch bei den Gedenkfesten, zu denen sich die Angehörigen am Grab versammelten, wurde den Toten mit wohlriechendem Rauch Ehre erwiesen.

Das römische Bustum-Grab während der Ausgrabung, Klimschgasse 19–21 (Wien 3). Die gelben Pfeile zeigen auf die Räucherschalen. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Nikos Piperakis)

Leider wissen wir nicht, welches Räucherwerk in diesem konkreten Fall geopfert wurde. Die Römer verbrannten alles Mögliche: Weihrauch, Mhyrre, Balsam, Styrax, Kampfer, Sandelholz, Zedern- und Pinienholz, Zimtrinde, Salbei, Myrte, Wacholder, Lorbeer, Thymian, Rosmarin … Es mussten also nicht immer Baumharze sein, die aus dem fernen Arabien über die Weihrauchstraße zu uns gelangten.

Wir haben für unsere Fotos natürlich keinen Originalfund einer römischen Räucherschale verwendet. Das kleine ockerfarbene Kügelchen ist übrigens Weihrauch. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Im Alltag versuchten die Römer ihre Haus- und Schutzgötter – die Laren, Penaten und den Genius – mit kleinen Geschenken milde zu stimmen. In jedem Haus befand sich daher eine als Heiligtum gestaltete Wandnische, das Lararium. Hier wurden Opfergaben dargebracht oder duftende Substanzen verbrannt. Ein Mini-Altar, jedoch keine Spur eines Larariums, kam am Michaelerplatz (Wien 1) zu tage. Wo sich heute Touristen tummeln, kreuzten einst die Limesstraße und die Straße nach Scarbantia (Sopron). An Wegkreuzungen, an denen zum  Jahreswechsel das Laren-Fest (compitalia) gefeiert wurde, standen oft Schreine für die Lares Viales, die Beschützer der Straßen und Reisenden. Gehörte unser Altärchen gar zum Mobiliar eines solchen Schreins, damit Kleinigkeiten – darunter vielleicht auch gelegentlich ein Körnchen Weihrauch –  stilvoll hinterlassen werden konnten?  Oder befand es sich im Gepäck eines Römers, für das Räuchern unterwegs sozusagen?

Ein nur 10 x 11 x 7,5 cm großer Altar aus dem 2. Jahrhundert n. Chr, gefunden am Michaelerplatz (Wien 1). Die Opfergaben wurden in den trogförmig vertieften Focus gelegt. (Fotos: Stadtarchäologie Wien)