Die Erkundung des keramischen Sammelsuriums aus der Siebenbrunnengassse geht weiter …

Autorin: Christine Ranseder

Im letzten Blog habe ich einen Blick auf einige besondere Einzelstücke versprochen, die im Wiener Fundmaterial rar sind. Nun, hier sind sie. Passend zum Namen ihres Fundortes, Siebenbrunnengasse, steht die Keramik mit Wasser in Zusammenhang.

Trink dich gesund!

Vor der Eröffnung der ersten Wiener Hochquellenwasserleitung 1873 war das Wasser in Wien und Umgebung – sagen wir es höflich – von mäßiger Qualität. Johann Pezzl fand in seiner Skizze von Wien deutliche Worte:

Leider sind wir hier verdammt, schlechtes Wasser zu geniessen. […] Der öffentlichen laufenden Brunnen sind eben nicht viele, und dann herrscht noch obendrein das Vorurtheil, lieber das Wasser aus stehenden Hausbrunnen, als aus Röhrenbrunnen zu trinken. Dieses stehende Wasser ist in der ganzen Stadt, noch mehr in den niedrig liegenden Vorstädten, weich, lettig, wärmlich, setzt sich in wenigen Stunden dicht an die Gläser, macht Schleim im Halse, Blähungen im Magen, Schläfrigkeit, und spannt die nicht daran gewöhnten Gedärme stark ab.

Kein Wunder also, dass lieber Wein und Bier getrunken wurde.
Das von weit her importierte Mineralwasser bot sich nicht als Ersatz für sauberes Trinkwasser an, es taugte eher als Genußmittel. In den Sommermonaten konnten Wohlhabende im 18. Jahrhundert im Augarten, ab 1818 in der Mineralwasser-Trinkanstalt am Wasserglacis vor dem Karolinentor ein Gläschen genießen.

Verbesserte der Inhalt die Gesundheit? Links: Fragment einer Mineralwasserflasche aus Steinzeug, gefunden in der Siebenbrunnengasse, Wien 5. Rechts: Der Stempel verweist auf Kurtrier, das weltliche Herrschaftsgebiet des Erzbischofs von Trier mit der Hauptstadt Trier. (Fotos: Stadtarchäologie Wien / Christine Ranseder)

Private versorgten sich im Handel mit dem in Flaschen aus Steinzeug abgefüllten Trank. Da die Flaschen mit einem Stempel versehen waren, lässt sich die jeweilige Quelle identifizieren. Der Fund aus der Siebenbrunnengasse enthielt Mineralwasser aus einem der Mineralbrunnen in Kurtrier, einem der sieben Kurfürstentümer des Heiligen Römischen Reiches. Das Fragment trägt einen Einkreisstempel mit umlaufendem Kobaltring, unter dem Querbalken des lateinischen Kreuzes stehen die Buchstaben C T für Cur-Trier. Es handelt sich also um eine frühe, in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zu datierende Mineralwasserflasche − für Wien ein seltener Fund.

Die Flasche stammt übrigens aus dem Westerwald, wo sie auf der Töpferscheibe von Hand gedreht wurde. Die Wahl des Materials für die versandgeeignete Verpackung fiel auf salzglasiertes Steinzeug, weil es wasserdicht, säurefest sowie geschmacksneutral ist. Darüber hinaus konnten die Flaschen luftdicht verschlossen werden.

Das Segenszeichen im Haus

Das Bruchstück eines Gefäßes aus Fayence mit blauem Träufeldekor zeigt an der Vorderseite eine Darstellung von Christus am Kreuz. Damit gibt es sich als Weihwassergefäß zu erkennen. Aufgrund seines geringen Fassungsvermögens wird dieses wohl an der Wand eines Privathauses − vielleicht im Eingangsbereich oder auch neben der Tür in einem Wohnraum − befestigt gewesen sein. Das in ihm angebotene, gesegnete Wasser zur Selbstbekreuzigung förderte das seelische Wohlbefinden. Unser Fund kann also durchaus als Hinweis auf die religiösen Gepflogenheiten in einem Haushalt des 18. Jahrhunderts gedeutet werden.

Ein Ausdruck der Frömmigkeit: Fragment eines Weihwassergefäßes aus dem 18. Jahrhundert. Größter rekonstruierter Randdurchmesser 9,2 cm. (Fotos, Zeichnung: Stadtarchäologie Wien / Christine Ranseder)

Funktion rätselhaft

Den einstigen Verwendungszweck eines Gefäßes festzustellen, ist für Archäolog:innen manchmal nicht einfach. So gibt das Fragment eines rechteckigen Objekts mit Henkelchen und einer Trennwand, die das Innere in zwei Abteile gliedert, Rätsel auf. Hierzulande werden die kastigen, schubladenartigen Keramiken unterschiedlicher Größe unter die Tränkgefäße gereiht. Es wird also angenommen, dass sie zur Tränkung und/oder Fütterung von Kleintieren, wie Vögel, gedient haben. Für den mit einer Höhe von rund 3,6 cm recht kleinen Fund aus der Siebenbrunnengasse gibt es auch die Vermutung, es könnte sich um eine Gewürzlade handeln. In der Schweiz werden hingegen aus dem Spätmittelalter bekannt gewordene Exemplare als Zunderbüchse/Zunderlade angesprochen. Dieser Funktionszuweisung zufolge wurden in ihnen Zunderschwamm, Leinwandzunder/Hobelspäne, Feuerstahl und Feuerstein aufbewahrt. Sie sehen, es gibt Spielraum bei der Interpretation unseres Fundes.

Vogeltränke? Zunderbüchse? Gewürzlade? Raten sie mit! (Fotos: Stadtarchäologie Wien / Christine Ranseder)