Autorin: Ingrid Mader
Heute ist von der ehemalige Neutorbastion leider nichts mehr zu sehen. Im Bereich der Neutorgasse 4–8 wurden Teile derselben anlässlich eines Bauprojektes archäologisch und bauhistorisch untersucht. Die Ergebnisse liegen nun als Buch vor.
Die vorliegende Publikation beinhaltet die Besprechung von Erdbefunden, baulichen Überresten und Fundkomplexen der frühneuzeitlichen Befestigung im Bereich der Neutorgasse 4–8, 1010 Wien. Die Ausgrabung wurde 2008 von der Stadtarchäologie Wien durchgeführt. Auf den Parzellen Neutorgasse 4–8, konnten auf der Fläche von rund 2160 m², bauliche Strukturen der Westseite der Neutorbastion dokumentiert werden: der südliche Mauerteil der Bastion samt drei Strebepfeilern, die westliche Flankenmauer, die nördliche und südliche Geschützkasematte, ein Teilstück der Kurtine, die zur Elendbastion führte, sowie fünf dazugehörige Strebemauern. Die Neutorbastion liegt in der Talsohle der Donau, jedoch die südlich gelegenen Strukturen teilweise in Hanglage, dem Geländeabfall zwischen der risszeitlichen Donauterrasse und der Talsohle. Archäologisch nachvollziehbar war dies anhand der Strebemauern, welche die südlich gelegene Kurtine stützten und unterschiedliche Unterkanten aufwiesen.
Bis zur Erbauung der Neutor- und der benachbarten Elendbastion erstreckte sich die Vorstadt im Oberen Werd, auf dem Gebiet des heutigen Schottenring und der Rossau. Erste Erwähnungen hängen mit der Ansiedlung des Klosters der Augustiner-Eremiten zusammen (1266 gegründet). Eine große Anzahl an schriftlichen Quellen lässt die Grund- und Besitzverhältnisse im 14. und 15. Jahrhundert nachvollziehen. In der Vorstadt ist auch Handwerk vertreten gewesen, wie Lederer, Kürschner und vor allem Fischer.
Das Ende findet die Vorstadt im Oberen Werd durch die Erste Türkenbelagerung beziehungsweise später durch den Bau der frühneuzeitlichen Bastionen.
Funde verschiedenster Gattungen, die sich in Planierschichten der Grabung gefunden haben und dem Hoch-und Spätmittelalter zuzuordnen sind, sowie sehr spärliche Mauerreste deuten auf Siedlungsaktivitäten in der Zeit vor der Ersten Türkenbelagerung hin.
Im Gegensatz zu den anderen Teilen der frühneuzeitlichen Befestigung von Wien, sind die schriftlichen Quellen zur Neutorbastion nur sehr spärlich erhalten. Die Funktion der Bastion war, die Sicherung des ebenfalls neu errichteten Neutores, des Schiffsarsenals, das durch einen Kanal mit der Donau verbunden war, sowie gemeinsam mit der sogenannten Piatta forma, die Sicherung des stadtseitigen Donauufers.
Erste Hinweise für Bauaktivitäten an der Bastion stammen aus einem Konzept des Hofkriegsrats vom September 1558. Ein Reisebericht vom August 1560 beweist, dass die Bastion noch im Bau ist. Im Jahre 1568 wird das Kordongesims an der Bastion angebracht und damit kann das Bauprojekt vorerst als fertiggestellt betrachtet werden. Das Neutor selbst war gemeinsam mit der Bastion errichtet, aber nicht für den Verkehr freigegeben worden – das wurde erst im eingeschränkten Maße im 17. Jahrhundert gestattet.
Der Arsenalkanal, welcher die Verbindung zwischen Donau und Arsenal darstellte, wurde bereits Ende des 16. Jahrhunderts zu einem Dauerproblem, das bis zu seiner Aufgabe in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts in den Quellen immer wieder auftauchte. Nach der Verlegung der Schiffswerft nach Korneuburg, diente das Gebäude hauptsächlich zur Aufbewahrung von Geschützen und es wurde eine kleine Militärbäckerei für die Garnison eingerichtet.
In der nördlichen Geschützkasematte wurden Reste von Holzfußböden dokumentiert. Ein Holzboden erleichterte das Manövrieren von schweren Geschützen, um sie vor den Geschützöffnungen in Position zu bringen. Das nachgewiesene Begehungsniveau passte hervorragend zur Bedienhöhe der Geschützöffnung, die wie in der benachbarten Elendbastion auch in der Neutorbastion in einem fragmentierten Zustand nachgewiesen werden konnte.
Der Zugang zu den Kasematten erfolgte durch die Kurtine und ist indirekt auf Planquellen (ab 1746) angedeutet. Eine schriftliche Quelle aus dem Jahre 1758 bestätigt, dass sich der Zugang an dieser Stelle befand. Archäologisch dokumentiert wurde im Durchgangsbereich ein Estrichboden, der als Gehniveau zu interpretieren ist.
Von den Sprengungen der Festungswerke durch die Franzosen 1809 war die Neutorbastion nicht betroffen. Am 20. Dezember 1857 ordnete Kaiser Franz Joseph I. schließlich den Abbruch der Befestigung von Wien an, womit auch 1858 begonnen wurde.
Ingrid Mader/Ingeborg Gaisbauer/Sabine Jäger-Wersonig/Markus Jeitler/Doris Schön
Die Residenzstadt Wien an der Donau. Die Geschichte der Stadtbefestigung am Beispiel der Neutorbastion.
Mit Beiträgen von Werner Chmelar/Sigrid Czeika/Michael Grabner/Sabine Grupe/Christine Jawecki/Mathias Mehofer/Gerhard Reichhalter/Kinga Tarcsay/Ursula Thanheiser
Festungsforschung 10 (Verlag Schnell & Steiner, 2018)
17 x 24 cm. Broschur.
464 Seiten mit zahlreichen Abbildungen.
EUR 49,95.
ISBN 978-3-7954-3307-9
Die Publikation ist ein Kooperationsprojekt der Stadtarchäologie Wien mit der Deutschen Gesellschaft für Festungsforschung