Durchgebrannt. Was Gebrauchsspuren an Keramik verraten

Autorin: Christine Ranseder

Der Einsatz von Keramik im Haushalt war früher vielfältiger als heute. Gefäße aus Ton dienten zum Kochen, zum Aufbewahren von Vorräten, zum Holen und Wärmen von Wasser und als Tischgeschirr. Die Verwendung hinterließ Spuren, vor allem am Kochgeschirr.
Wir sind es gewohnt, bereits leicht beschädigte Dinge zu entsorgen und durch neue zu ersetzen. Diesen Luxus konnten sich in der Vergangenheit viele Haushalte nicht leisten. Töpfe und Pfannen, Schüsseln und Teller wurden verwendet bis sie buchstäblich den Geist aufgaben. „Schöne“ Beispiele dafür stammen aus zwei Grabungen im 3. Wiener Gemeindebezirk.

Die auf den Grundstücken Rasumofskygasse 29–31 und Kundmanngasse 21 geborgene Keramik aus dem 16. bis 18. Jahrhundert war bereits arg mitgenommen, als sie in den Boden kam.

Die Schwerarbeiter: Das Kochgeschirr

Töpfe und Pfannen litten am meisten. Köche verlangten Engagement bis zur Selbstaufgabe und gingen nicht gerade zimperlich mit ihnen um. Das lag an den Herden. Bis ins 19. Jahrhundert wurde – wie im Mittelalter – am offenen Feuer gekocht. Dieses wurde auf einer aus Ziegeln oder Steinen aufgebauten Unterlage entfacht. Glücklicherweise loderten die Flammen nicht immer so dramatisch, wie sie Hans Wertinger um 1516/1526 auf einem Monatsbild für Dezember dargestellt hat – er hielt sogar die beträchtliche Rauchentwicklung fest.
Gefäße, die einst auf derartigen Herden standen, weisen in der Regel dunkelgraue bis schwarze Flecken auf. Dabei handelt es sich um eine sekundäre Schwärzung des Scherbens. Sie entsteht durch eine Kohlenstoffanreicherung/-ablagerung an der dem Feuer zugewandten Seite. Diese konnte tief in die Gefäßwand eindringen.

Drei Ansichten eines Topfes. Die dunkelgrauen Verfärbungen an der dem Henkel gegenüberliegenden Seite belegen, dass mit ihm am offenen Feuer gekocht wurde. Wien 3, Rasumofskygasse 29–31. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)
Fußpfanne mit abgeriebenen Füßchen und sekundärer Schwärzung bis tief in die Gefäßwand. Wien 3, Rasumofskygasse 29–31. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Die in der Rasumofskygasse 29–31 gefundene Fußpfanne wurde nicht nur dicht ans Feuer gestellt. Ihre abgeriebene Füßchen belegen, dass sie auch Hin- und Hergeschoben wurde – entweder kräftig oder über einen längeren Zeitraum. So wurde aus dem Füßchen beim Griff ein Stümpfchen.

Bis zum letzten Tropfen Suppe: Das Tischgeschirr

Den Tellern und Schüsseln, aus denen gegessen wurde, erging es nicht besser.

Eine Wöchnerinnenschüssel weist in ihrem Inneren abgesehen von Krakelur auch lange Kratzer auf. Es gibt keinen Hinweis, dass das Gefäß je am Herd stand, die Gebrauchsspuren stammen also nicht vom Umrühren beim Kochen. Wurde auch noch das kleinste bisschen der servierten Speise aus der Schüssel gekratzt? Spielte jemand lustlos mit seinem Essen? Oder entwickelte eine Küchenmagd besonderen Eifer beim Sauber scheuern?

Kratzspuren im Inneren einer Wöchnerinnenschüssel. Wien 3, Kundmanngasse 21. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Angesichts abgeriebener Standringe von Tellern drängt sich die Frage auf: Langer Gebrauch oder raue Tischplatte?

Abgeriebener Standring eines Tellers mit Malhorndekor. Wien 3, Rasumofskygasse 29–31. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Keramik ist wahrlich hart im Nehmen!