Ein Ringlein kommt selten allein

Autorin: Christine Ranseder

Erinnern Sie sich noch an die alten Zwirnknöpfe, mit denen Bettzeug verschlossen wurde? In ihrem Inneren befinden sich Ringlein aus Metall, die ArchäologInnen bereits aus der frühen Neuzeit kennen – allerdings nicht aus Schlafzimmern, sondern aus Gräbern.

Aus den Grabungen der Stadtarchäologie Wien stammen Bronzeringlein vom ehemaligen Friedhof auf dem St.-Bartholomäus-Platz sowie vom Spanischen Friedhof und vom Neuen Schottenfriedhof, die sich beide einst im Bereich der Sensengasse befanden.

Es scheint sich bei den kleinen Buntmetallringen bereits um standardisierte Massenware zu handeln. Der Durchmesser unserer Exemplare beträgt meist etwa 11 mm, es gibt im Fundmaterial vereinzelt jedoch auch kleinere oder größere. Damit der Faden, mit dem das Ringlein umwickelt wurde, nicht durchscheuerte, ist ihr Querschnitt oft oval. So wurden scharfe Kanten vermieden und der Knopf blieb flach.

In den meisten Fällen dürften die Ringlein als Rahmen von Zwirnknöpfen gedient haben. In einem in das späte 16./frühe 17. Jh. datierten Grab bei der Leechkirche in Graz konnten an einigen vergleichbaren Buntmetallringen noch geringe Reste einer Fadenumwicklung festgestellt werden.

Je nach Ausführung und Anzahl dienten die Zwirnknöpfe zum Verschließen von Hemden oder der Oberkleidung. Über ihre Ausgestaltung lässt sich nur noch spekulieren, denn durch die unterschiedliche Führung des Fadens um den Metallring können eine erstaunliche Anzahl an Mustern erzeugt werden. Wie vielfältig diese Fadenwicklungen sind, bestätigen ein Blick auf die Werke heutiger Zwirnknopfmacherinnen und zahlreiche Publikationen mit Anleitungen zur Herstellung von Zwirn- und Posamentenknöpfen. Googeln Sie einmal den Begriff „Zwirnknöpfe“, sie werden eine überraschend lebendige Szene zu diesem alten Handwerk finden.

Wurde der Ring hingegen mit Stoff überzogen, war es möglich den Knopf zu besticken, sodass er sich harmonisch Stoffmuster und -farbe anpasste – ein Vorteil, der vor allem in der Herrenmode des 18. Jahrhunderts für Justeaucorps und Westen genutzt wurde.

Geknöpft oder geschnürt?

Soweit bei der Bergung der Gräber die Lage der Ringlein vermerkt werden konnte, befanden sie sich im Brustbereich, entlang der Wirbelsäule und im Beckenbereich der Bestatteten.

Eine geringe Anzahl an Ringlein im Hals-/Brustbereich lässt den Verschluss eines Hemdes vermuten. Im späten 16./frühen 17. Jahrhundert wurde jedoch gelegentlich auch eine Halskrause mit einem Zwirnknopf anstatt eines Haftels geschlossen. In Männergräbern deutet eine Lage im Brust-/Bauchbereich auf eine Weste hin.

Buntmetallringlein (insgesamt waren es 21 Stück), Borte und Gürtel im Grab einer am ehemaligen Friedhof auf dem St.-Bartholomäus-Platz bestatteten Frau. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Heike Krause)

In Frauengräbern des 16./17. Jahrhunderts hingegen müssen größere Mengen an Metallringlein an der unteren Wirbelsäule und im Beckenbereich nicht zwingend auf Zwirnknöpfe hinweisen. Es bietet sich noch eine andere Deutungsmöglichkeit. Die Ringlein könnten Bestandteile von Nestelleisten gewesen sein. Für einen derartigen Verschluss wurden die Ringlein an den vorderen Kanten des Kleidungsstücks in einer Reihe festgenäht und Schnüre oder Bänder durch sie gefädelt. So konnte das Oberteil an den Körper angepasst werden. Werfen Sie doch einen Blick auf die Küchenmagd von Lucas van Valckenborch, die ihr Mieder auf diese Art geschnürt hat. Modebewusste Damen versteckten die schlichten Ringlein oft durch eine schmückende Borte oder einen Übertritt.

Doch damit sind die Interpretationsmöglichkeiten noch nicht erschöpft! Manchmal dienten die vielseitigen Bronzeringlein auch als Verstärkungen von Schnürlöchern. Eine derartige Verwendung belegt das im Rücken geschlossene Untermieder der in der Lauinger Fürstengruft bestatteten Pfalzgräfin Dorothea Sabina (1576–1587).

Wie sich wieder einmal schön zeigt: Archäologie ist selten einfach und Gewissheit bleibt ein flüchtiger Traum.