Ein Topferl fürs Gackerl?

Autorin: Christine Ranseder

Für alle, die des Wienerischen nicht mächtig sind: ein Nachttopf. Denn um die Bruchstücke eines solchen handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit. Für diese Funktionszuweisung sprechen der elegant nach außen gebogene Rand und dessen Verzierung an der Innenseite. Gefunden wurden die Bruchstücke des an das Ende des 19. Jahrhunderts datierenden, unentbehrlichen Gefäßes am Pius-Parsch-Platz (Wien 21).

Die Innenseite des leicht gewellten Randes.

Der Nachttopf aus Steingut gibt sich luxuriös. Ganz offensichtlich wurde keine Mühe gescheut, ein banales Utensil zu einem hochwertigen Ziergegenstand aufzuwerten. Noch darf die Freude am Ornament voll ausgelebt werden, die schlichte funktionale Glätte heutiger Sanitärkeramik liegt in der fernen Zukunft. Schon seine Form verrät durch ein plastisches Wellenband auf der Schulter und einen wellenförmig verbreiterten Rand (zur Verbesserung des Sitzkomforts?) Überschwänglichkeit. Die ultimative Ablenkung vom wenig appetitlichen temporären Inhalt des Nachtgeschirrs bietet jedoch die aufwändige Verzierung. An seiner Außenseite flattern Schmetterlinge über dem reichen Blumenschmuck. Auf der Innenseite des Randes haben sich Schnecken in ihre Häuser zurückgezogen, die kräftigen Blüten haben ihren Appetit bereits befriedigt.

Ein Schmetterling schwebt über den floralen Motiven.
Schneckenhaus und Blumenstrauß.

Für den fantasievollen mehrfarbigen Dekor kamen gleich zwei Verfahren zur Anwendung: Umdruck (Transfer printing) für die Motive und Malerei für die farbigen Akzente.

Das Umdruck-Verfahren

Transfer printing wurde in den 1750er Jahren in England entwickelt und ermöglichte die idente, unbegrenzte Wiedergabe detailreicher Muster. Darüber hinaus verringerte das Umdruck-Verfahren den für die Verzierung von Produkten benötigen Zeitaufwand und machte damit die industrielle Massenproduktion noch lukrativer.
Für Verzierungen, die unter einer Glasur liegen, wurden zunächst die Muster in eine Kupferplatte oder einen Kupferzylinder graviert beziehungsweise geätzt. Danach erfolgte der Druck mit geeignetem Farbstoff auf dünnes Papier. Das feuchte Papier wurde der Form des zu dekorierenden Gefäßes gemäß zugeschnitten und mit der bedruckten Seite auf diesem platziert. Dann musste die Farbe durch Reiben übertragen werden. Nach dem Abwaschen des Papiers erfolgte ein Brand bei niedriger Temperatur. Zu guter Letzt wurde das Gefäß glasiert und nochmals bei hoher Temperatur gebrannt.

Umdruckdekor mit handgemalten Akzenten in den Farben Rot, Gelb und Blau.