Ergebnisse der letzten Grabungskampagne

AutorInnen: Martin Mosser, Kristina Adler-Wölfl, Lotte Dollhofer | Stand: 29.2. 2024

Auch die letzte Grabungskampagne im Bereich der im Bau befindlichen neuen U5-Station Frankhplatz lieferte für die archäologisch-historische Erforschung Wiens überraschende Ergebnisse!
Dass wir – wie berichtet – auf die antike Straße gestoßen sind, war erwartbar, aber: nix ist fix! Dass sich nördlich dieses Verkehrsweges Nachweise für die West-Ausdehnung der römischen Lagervorstadt (canabae legionis) bis zumindest hierher finden ließen, war hingegen eine komplett neue Erkenntnis. Und was befand sich südlich der Straße? Nachdem sich in der Fläche vor dem Landesgericht kaum römerzeitliche Befunde zeigten, gab es zumindest die Hoffnung, dass sich in der abschließenden Kampagne Richtung Osten, im Fahrbahnbereich der Universitätsstraße, möglicherweise spätantike Gräber befinden würden. Dafür sprachen die schon lange bekannten Bestattungen im Bereich des Sigmund-Freud-Parks, im Zwickelbereich zwischen Limesstraße und der Straße nach Comagenis/Tulln.

Aktuelles Luftbild mit dem Verlauf der römischen Straßen und Lage der spätantiken Gräber. (Wien Kulturgut / Stadtarchäologie Wien)

Schließlich ist es ganz anders gekommen: In allen Grabungsflächen waren keinerlei Hinweise auf Aktivitäten in der Spätantike feststellbar, geschweige denn fanden sich Hinweise auf Bestattungen. Hingegen haben wir nun den klaren Beleg, dass sich beiderseits der Ausfallstraße vom Ende des 1. bis ins letzte Viertel des 2. Jahrhunderts eine Werkstattzone befunden hat.

Was von den Römern übrig blieb

Überblicksplan zu den römischen Befunden der Grabung im Bereich der künftigen U5-Station Frankhplatz. (Plan: Stadtarchäologie Wien / M. Mosser)

Innerhalb der gesamten Untersuchungsfläche zählen zu den ältesten römerzeitlichen Strukturen (Ende 1. bis Anfang 2. Jahrhundert n. Chr.) drei Gräbchen ganz im Norden, die wohl als Fundamente einer Grundstücksumzäunung zu interpretieren sind. Diese Parzellen scheinen sich in ihrer Ausrichtung an der Limesstraße, im Bereich der heutigen Währinger Straße, zu orientieren.
In der folgenden Bauphase war die Fernverkehrsstraße von Vindobona nach Comagenis via Legionsziegeleien im heutigen Hernals wohl schon vorhanden, da beiderseits eine Werkstattzone nachgewiesen werden konnte, von der sich vier Ofenanlagen, eine Latrine und ein Brunnen erhalten haben.
Nach Aufgabe der Ofenanlagen im Norden entstand ein Gebäude, welches von der letzten römerzeitlichen Nutzungsphase zeugt. Eine Münze aus der Mauerausrissverfüllung datiert die Zerstörung frühestens in das Jahr 268 n. Chr.

Unter der Universitätsstraße

Von der südwärts gelegenen, von Parzellierungsgräbchen eingefassten Werkstattzone haben sich Gruben, die Reste einer Ofenanlage mit Arbeitsgrube und Schürkanal sowie ein Brunnen und eine annähernd rechteckige, 5,60 m tiefe Latrine erhalten.

Befunde unterhalb des Fahrbahnbereichs der Universitätsstraße bzw. südlich der römischen Fernverkehrsstraße. Links: Parzellierungsgraben, links im Vordergrund ist die Latrine erkennbar. Rechts oben: Rest eines Ofens mit Arbeitsgrube und Schürkanal. Rechts unten: Obere Verfüllung des Brunnens. (Fotos: Stadtarchäologie Wien / ARDIG)

Das aus den Verfüllungen dieser Objekte geborgene Fundmaterial – neben großen Mengen an Gebrauchskeramik, Terra Sigillata, unterschiedlichster Feinware, Glas, Münzen, Metall etc. – lässt auf eine Aufgabe dieses Bereichs nach dem dritten Viertel des 2. Jahrhunderts schließen.

Diverse entsorgte Keramik und das Fragment eines Altärchens aus dem Brunnen. (Fotos: Stadtarchäologie Wien / N. Piperakis)
Im Uhrzeigersinn von links nach rechts: Amphorenstöpsel, Randfragment eines Tellers und Unterteil eines Bechers mit Barbotinedekor sowie Bruchstück einer Pinienzapfenlampe und eines sog. Feuerbocks bzw. Glutrings. (Fotos: Stadtarchäologie Wien / N. Piperakis)

Die Grabungen rund um den Frankhplatz lieferten somit eine Reihe wichtiger neuer Erkenntnisse zur Chronologie, Struktur und Ausdehnung der canabae legionis von Vindobona.

 


Die Alser Straße – ein uralter Weg ins Zentrum

Autor: Martin Mosser | Stand: 15.09.2022

In Wien gibt es Straßen, wie den Rennweg oder die Herrengasse, deren Trassen bereits seit der Römerzeit existieren. Auch von der Alser Straße ist spätestens seit einem Kanalbau im Jahr 1937 bekannt, dass sie auch schon in der Antike eine wichtige Wegverbindung darstellte. 1211 wird sie erstmals schriftlich erwähnt. Der Bau der neuen U5-Station Frankhplatz, die aktuell genau an der Kreuzung Landesgerichtsstraße/Universitätsstraße/Alser Straße entsteht, bot nun die Möglichkeit, Verlauf und Aufbau dieser Straße archäologisch näher zu untersuchen.

Freilegungsarbeiten im Bereich der Alser Straße. Blick Richtung Universitätsstraße. (Foto: Stadtarchäologie Wien/ARDIG)

Wie alle Verkehrsteilnehmer:innen während der Bauzeit feststellen konnten, war und ist im Bereich der künftigen Station die Alser Straße für den Autoverkehr gesperrt und die Straßenbahngleise mussten zweimal umgelegt werden, um eine durchgängige Verkehrsführung zu gewährleisten. Dies betraf auch die Archäologie, da die alten Straßenschotterungen dadurch nicht auf einer Fläche freigelegt werden konnten, sondern nur abschnittsweise. Im Sommer 2021 wurde der nördliche Teil und im Frühjahr 2022 der südliche Teil dokumentiert.

Südlicher und nördlicher Rand der römischen, auch noch im Spätmittelalter genutzten Straßenschotterung mit Radspuren. Links die südliche Grabungsfläche nach Westen (stadtauswärts) und rechts die nördliche Grabungsfläche nach Osten (stadteinwärts). (Fotos: Stadtarchäologie Wien/ARDIG)

Dennoch war es am Ende möglich, Schotterlagen von der Römerzeit bis ins 19. Jahrhundert auf einer Länge von 40 Meter und einer Breite von ca. 8 Meter immer wieder in diversen Teilabschnitten aufzudecken und freizulegen.

Gesamtplan der Grabungen im Bereich der U5-Station Frankhplatz mit Verlauf der alten Straßenschotterungen unter der Alser Straße und den wichtigsten aufgedeckten Gebäuden nördlich der Straße. (Plan: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)

Die oft sehr fest gestampften Schotterungen zeigten vielfach eingetiefte Radspuren und waren jeweils durch Planierschichten voneinander getrennt. Dies ergab insgesamt eine bis zu 2 Meter hohe Abfolge an Straßenniveaus. Auch verloren gegangene Hufeisen oder gar Weintraubenreste sind an den Straßenoberflächen gefunden worden. Letztere sind als Pressrückstand (Trester) zu interpretieren, der möglicherweise versehentlich beim Transport in eine Radspur gelangt ist oder absichtlich dort entsorgt wurde.

Knapp 2 Meter hohes Westprofil der Straße mit Schotterungen und Planierungen von der Römerzeit bis ins 19. Jahrhundert. Hufeisen an der Oberfläche eines mittelalterlichen Straßenniveaus und in hoher Dichte aufgefundene Weintraubenkerne der Edlen Weinrebe (Vitis vinifera ssp. vinifera) innerhalb einer Radspur der frühneuzeitlichen Alser Straße. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/ARDIG; Traubenkerne: M. Popovtschak)

Im Spätmittelalter ist der Alsbach über die Alser Straße umgeleitet worden. Dessen kanalisierter Bachverlauf konnte am nördlichen Rand der Straße festgestellt werden.
Die Grabungen haben überdies beweisen können, dass sowohl in der Römerzeit als auch im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit nur nördlich der Straße Gebäude, Keller und Werkstätten vorzufinden waren, südlich anschließend fanden sich dagegen relativ wenige Siedlungsspuren in Form von Abfall- und Materialentnahmegruben. Dabei lagen die baulichen Überreste der römischen Lagervorstadt und der mittelalterlichen Vorstadt vor dem Schottentor nicht unmittelbar an der Straße, sondern erst einige Meter nördlich.

Blick von der Kreuzung mit der Landesgerichtsstraße stadtauswärts in die Alser Straße. Links ist das Landesgericht zu sehen, rechts befindet sich die 1912 abgebrochene Alserkaserne. Ansichtskarte, um 1900. (© Wien Museum)

Auch wenn die Straße inzwischen bis zum heutigen Tag bis auf das Doppelte verbreitert wurde, ist es doch erstaunlich, dass die Straßenflucht seit fast 2000 Jahren immer die gleiche blieb!

 


Abschluss der ersten Grabungsfläche

Autor: Martin Mosser | Stand: 20.10.2020

Die seit Juli 2020 laufenden Grabungen der Stadtarchäologie Wien in Kooperation mit der Grabungsfirma Novetus und dem 3D-Studio Crazy Eye im nördlichen Abschnitt der künftigen U-Bahn-Station Frankhplatz wurden Mitte Oktober 2020 abgeschlossen.

Grabung am Frankhplatz, im Vordergrund Steinfundamente eines römischen Gebäudes über einer aufgelassenen Ofenanlage, dahinter Mauerreste der Alser Kaserne (1753 bis 1912). (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Die außergewöhnlich zahlreich vorgefundenen Überreste lassen sich grob in drei historische Perioden gliedern. Hier sollen nun die markantesten freigelegten Strukturen mittels interaktiver Modelle vorgestellt werden.

Römische Siedlungsreste ca. vom Ende des 1. bis ins 3. Jahrhundert n. Chr.

Als älteste Strukturen der Grabung zeigten sich über geologischen Schotterlagen und Kolluvien drei bis auf über 10 m Länge sichtbare Gräbchen, die wohl die Fundamente einer Umzäunung römerzeitlicher Grundstücke anzeigen. Später entwickelte sich entlang der Fernverkehrsstraße vom Legionslager Vindobona zum Hilfstruppenlager Comagenis (Tulln) am Westrand der Lagervorstadt eine Werkstattzone, deren Überreste auf der Grabungsfläche in Form von zwei Ofenanlagen (Ofenanlage, Feuerstelle) dokumentiert werden konnten. Die Ausbreitung und das Wachstum dieser römischen Siedlung Richtung Westen manifestierte sich auf der Grabung durch die Errichtung eines Gebäudes, dessen Steinfundamente über einen aufgelassenen Ofen gesetzt wurden. Die römische Lagervorstadt reichte somit um vieles weiter nach Westen als sie bisher rekonstruiert wurde.

Überblick zu den römerzeitlichen Befunden (Phasen 1–3). (Plan: Stadtarchäologie Wien)

Kelleranlagen des 16. bis 18. Jahrhunderts

Über 1000 Jahre lang fehlen für die Zone rund um den Frankhplatz jegliche Hinweise auf eine Besiedlung. Erst wieder frühestens im Spätmittelalter entstehen hier außerhalb der Stadtbefestigung in der Vorstadt vor dem Schottentor neue Gebäude. Deren Mauern waren zwar nur noch spärlich erhalten, doch konnten insgesamt fünf Kelleranlagen identifiziert werden, die mit einer frühneuzeitlichen Besiedlung am Rande des Glacis in Verbindung gebracht werden können. Aus dieser Zeit sind aus den Wiener Vorstädten bislang kaum archäologische Nachweise vorhanden. Von den bis zu 60 m2 großen Kellern waren großteils die Mauern zwecks Wiederverwendung des Baumaterials ausgerissen worden. Im 18. Jahrhundert wurden schließlich, offensichtlich im Zuge einer Neuparzellierung, alle Keller verfüllt. Die Masse an Keramik (vor allem Ofenkacheln, sog. Malhornware ) und Tierknochen in den Verfüllungen kann als außergewöhnlich angesehen werden. Dazu gehört auch das Skelett eines Pferdes, dessen Kopf und Beine vor der Deponierung abgehackt wurden.

Die Alser Kaserne (18.–20. Jahrhundert)

Ab 1751 entstand im Bereich des heutigen Frankhplatzes, des Otto-Wagner-Platzes bis hin zur Österreichischen Nationalbank der riesige Baukomplex der Alser Kaserne. In die Grabungsfläche am Frankhplatz ragte dessen vorspringender, teilweise unterkellerter, südöstliche Abschnitt, der durch mächtiges Mischmauerwerk und einen tief fundamentierten Rest einer Hofmauer charakterisiert ist.
Aus dem Barock stammen darüber hinaus auch Reste eines benachbarten Gebäudes mit Fundament, Estrichboden und Holzwasserleitung sowie diverse ziegelgemauerte Kanäle.

 


Fotogrammetrische Aufnahme der Mauern der Alser Kaserne

Autor: Martin Mosser | Stand: 10.8.2020

Nach drei Grabungswochen sind nun die obersten Schichtpakete abgetragen und dokumentiert. An baulichen Strukturen konnten bislang vor allem die noch im Grabungsbereich vorhandenen Mauerreste der 1751 errichteten und 1912 abgebrochenen Alser Kaserne freigelegt werden.

Ansichtskarte der Alser Kaserne mit Blick von der Universitätsstraße in Richtung Alser Straße, 1909. (© Wien Museum)

Im Detail handelt es sich um die bis zu 1,70 m breiten Außenmauern des ganz im Südosten vorspringenden Traktes dieses Gebäudekomplexes. Mauern und Zwischenwände im Inneren sowie zwei Kellergewölbe nahe der Alser Straße kamen ebenso zum Vorschein.
Außerhalb der k. k. Infanteriekaserne befanden sich weitere Mauerzüge, die dem östlichen, zum Roten Haus hin gelegenen Hofbereich zuzuordnen sind bzw. die das Kasernengelände von der angrenzenden Glacisstraße trennten.

Orthofoto der Grabung am Frankhplatz mit den Mauern der Alser Kaserne. (Plan: Stadtarchäologie Wien)

Basierend auf einer Serie von digitalen Einzelbildern aus unterschiedlichen Perspektiven ist es möglich, neben einem exakten Orthofoto auch ein 3D-Modell zu generieren. Unter Anwendung dieser relativ jungen 3D-Fotogrammetrie-Methode, bekannt unter dem Namen „Structure from Motion (SfM)“, können wir nun die aufgedeckten Mauern der Alser Kaserne in einem interaktiven Modell betrachten!

 


Erste archäologische Untersuchungen

AutorInnen: Martin Mosser, Heike Krause | Stand: 14.07.2020

Im Juli 2020 beginnen archäologische Grabungen im Vorfeld der Errichtung der Station „Frankhplatz“ im 9. Bezirk. Es wird dies die erste neue Station der vom Rathaus Richtung Hernals geplanten Linie U5 sein. Sie befindet sich an einem verkehrstechnisch neuralgischen Punkt, an der Kreuzung Alser Straße/Landesgerichtsstraße/Universitätsstraße/Garnisongasse und Frankhplatz.
Zunächst sind ca. zweimonatige archäologische Untersuchungen auf etwa 450 m2 Fläche im nördlichen Teil der künftigen Station im Bereich Frankhplatz/Ecke Garelligasse vorgesehen.

Geplante Grabungsfläche am Frankhplatz mit zu erwartenden archäologischen Befunden. (Kartengrundlage: MA 41, Plan: M. Mosser, © Stadtarchäologie Wien)

In der Vergangenheit befand sich das Gebiet um den Frankhplatz zwar immer in einer gewissen Randlage, jedoch sollten Überreste gefunden werden, die bis in die Römerzeit zurückreichen.

An den Ausläufern der Lagervorstadt von Vindobona

Vom 1. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. führte eine aus der Lagervorstadt (canabae legionis) des Legionsstandorts Vindobona kommende, überregionale Ausfallstraße vom heutigen Schottentor über die Alser Straße zur römischen Legionsziegelei in Hernals. Eine entsprechende antike Straße ist also bei den Aufgrabungen für die Station Frankhplatz zu erwarten. Die westliche Grenze der römischen Lagervorstadt vermuten wir derzeit etwa beim Sigmund-Freud-Park. Doch bei den vorbereitenden Baumaßnahmen (Einbautenumlegungen) sowie bei Hausertüchtigungsarbeiten im Keller des Hauses Garnisongasse 1/Universitätsstraße 12 kamen römische Mauern, Gruben und Brunnen zutage, die darauf hinweisen, dass die Lagervorstadt sich noch viel weiter nach Westen erstrecken dürfte, als bisher angenommen. Aus spätrömischer Zeit stammen Körperbestattungen in gemauerten Gräbern, in Sarkophagen und als einfache Erdgräber, die entlang der Universitätsstraße und im Sigmund-Freud-Park gefunden wurden. Es ist nicht auszuschließen, dass sich dieses Gräberfeld entlang der Römerstraße Richtung Westen fortsetzte.

Siedlungsgebiet des römischen Vindobona mit Lage der archäologischen Untersuchungsfläche im Bereich der U5-Station Frankhplatz. (© Stadtarchäologie Wien)

Die mittelalterliche Vorstadt vor dem Schottentor

Im Mittelalter entstand außerhalb der Stadtmauern die Vorstadt vor dem Schottentor. Bereits 1211 wird hier die Alser Straße erstmals genannt. Über die Bebauung der Vorstadt ist nur wenig bekannt, doch auf der von Niklas Meldemann 1530 erstellten Rundansicht von Wien zeigt sich vor dem Schottentor eine mauerumwehrte Siedlung mit dem Maria-Magdalena-Kloster und dem St.-Georg-Turm als Torturm der Vorstadtbefestigung.

Wien während der Ersten Türkenbelagerung 1529. Rundansicht des Niklas Meldemann, kolorierter Holzschnitt, 1530. Ausschnitt mit dem Schottentor, dem Maria-Magdalena-Kloster und dem St.-Georg-Turm in der Vorstadt vor dem Schottentor. (© Wien Museum)

Der Alsbach, der von Dornbach über Hernals, Lazarettgasse, Spitalgasse und Alserbachstraße zur Donau floss, dürfte nach dem Albertinischen Plan (15. Jahrhundert) und dem Wolmuet-Plan (1547) im Spätmittelalter einen künstlichen Nebenarm erhalten haben, der über die Alser Straße zum Schottentor geleitet wurde. Bei den Vorarbeiten zum Stationsbau konnten Überreste dieses Alsbachkanals festgestellt werden, aber auch Gruben und Latrinen, die auf noch erhaltene ausgedehnte Siedlungsreste der Alser Vorstadt schließen lassen.

Mündelbecher aus einer spätmittelalterlichen Grube/Latrine (?) innerhalb der Kabelkünette am Frankhplatz. (Foto: M. Mosser)

Vielleicht können auch Informationen zur 1565 in Betrieb genommenen ältesten städtischen Wasserleitung, die von Hernals über die Alser Straße bis zum Brunnenhaus am Hohen Markt geführt wurde, erhalten werden. Drei bei einem Kanalbau im Jahr 1974 am Frankhplatz angeschnittene Brunnen enthielten neben römischer Terra Sigillata vorwiegend mittelalterliche Keramik- und Glasfragmente. Somit ist jedenfalls von umfangreichen mittelalterlichen Siedlungsstrukturen im Bereich der geplanten U-Bahn-Station auszugehen.

Gebäudekomplexe der Neuzeit

Die erste Belagerung durch die Osmanen im Jahr 1529 brachte schließlich drastische Veränderungen für Wiens Vorstädte mit sich. Die stadtnahen Bereiche der Vorstadtsiedlungen wurden danach geschleift, um eine siedlungsfreie Zone vor der Befestigung, das Glacis, zu schaffen. Nördlich der Alser Straße entstanden Spitäler, Armenhäuser und Friedhöfe. Nach der Zweiten Türkenbelagerung 1683 setzte wieder eine dichtere Verbauung ein. Im heutigen Areal zwischen der Alser Straße, dem Alten Allgemeinen Krankenhaus, der Österreichischen Nationalbank und der Garnisongasse entstanden große Gebäudekomplexe. Schon 1685 begann man mit dem Bau der Landschaftsakademie der Stände, die bis 1730 noch vergrößert wurde. 1749 wurde die Akademie aufgelassen und abgerissen und durch den riesigen Komplex der Alser Kaserne ersetzt. In der Nachbarschaft der Landschaftsakademie bzw. der Kaserne kaufte im Jahr 1712 Paul I. Fürst Esterházy vier Häuser mit Gärten. Ab 1770 ist die Bezeichnung „Rotes Haus“ für den Gebäudekomplex samt gedeckter Reitschule überliefert.

Joseph Daniel von Huber, Perspektivdarstellung von Wien und den Vorstädten bis zum Linienwall, 1769–1773 (1778), Kupferstich (Ausrichtung nach WSW), Ausschnitt mit dem „Roten Haus“ (2) im Vordergrund und der Alser Kaserne (1) vor dem großen Hof des Invalidenhauses an der Alser Straße. (© Wien Museum)

Diesen ließen die Esterházys nach und nach erweitern und umbauen. Die Parzelle erstreckte sich zwischen der Garnisongasse im Osten, der Rotenhausgasse im Norden und Frankhplatz/Garelligasse im Süden. In dem nunmehr zweistöckigen Gebäude mit vier Höfen, in welchem von Mai bis November 1804 auch Beethoven wohnte, waren im 19. Jahrhundert 150 Wohnungen und ab 1860 ein Kaffeehaus („Maison rouge“) untergebracht. Nach dem Abbruch des „Roten Hauses“ in den Jahren 1888/89 – sowie der Alser Kaserne im Jahr 1912 – entstanden ab dem Ende des 19. Jahrhunderts die heutigen Bauten zwischen Alser Straße und Rotenhausstraße sowie das ab 1913 geplante und erst nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1925 bezogene Gebäude der Österreichischen Nationalbank. Beeindruckende Mauerfundamente des „Roten Hauses“, der Ständischen Landschaftsschule bzw. der Alser Kaserne sind bereits 2018 bei den Leitungsumlegungen gefunden worden und werden auch bei den kommenden Grabungen aufgedeckt werden.

Mischmauerwerk der Ständischen Landschaftsschule/Alser Kaserne mit angrenzenden spätmittelalterlichen Planierungen in der Haulerstraße. (Foto: Stadtarchäologie Wien)