Autorinnen: Ingeborg Gaisbauer, Christine Ranseder
Kennen sie dieses Phänomen? Der Magen knurrt, für das Frühstück hatten sie keine Zeit und ein reizender Kollege erzählt ihnen, was er beglückendes speisen durfte? Schlimmer noch, sie bekommen ein Bild davon vorgesetzt? In der Archäologie ist es für gewöhnlich dennoch eher selten der Fall, dass sich bei der Arbeit die Speichelproduktion vermehrt. In der Fundaufnahme kämpft man meist eher mit scherbenstaub-trockenem Mund, Keramikbearbeitung ist nun einmal nicht wie das Schreiben einer Gastrokritik, aber es gibt Ausnahmen!
In einem Fundsäckchen, frisch von der Ausgrabung am Karlsplatz, fiel ein auf den ersten Blick etwas sonderbares Fragment an Geschirrkeramik auf.
Erhalten war – an sich nicht ungewöhnlich – ein geschwungener Pfannenfuß und ein wenig von der Pfanne selbst. Ehedem oxidierend gebrannt, ist das Bruchstück durch die Verwendung am offenen Feuer deutlich geschwärzt worden. Die Innenseite ist gelblich braun glasiert und weist mehrere Mulden auf. Genau hier hört die Vergleichbarkeit mit einer gewöhnlichen Dreifußpfanne mit gebogenen Füßen und durchgehend geradem Boden, wie es sie in Mengen aus dem 17./18. Jahrhundert gibt, auch schon auf.
Man fragt sich bei solch einem ungewöhnlichen und in Wien bislang noch nicht aufgetretenen Stück sogleich nach der Datierung und der Funktion.
Der Blick ins Fundsäckchen hilft kaum. „Vergesellschaftet“ war das Pfannenfragment mit ein wenig Keramik der 18./19. Jahrhunderts, da es sich hier aber nur um sogenannte Streufunde handelt, ist der Zusammenhang zwischen den Stücken nicht zwingend.
Die Form der Dreifußpfanne an sich würde für eine Datierung ins 17. oder 18. Jahrhundert sprechen, die Nutzungsspuren unterstützen diesen Ansatz. Die Auswirkung des offenen Herdfeuers spricht für einen Einsatz der Pfanne vor der Erfindung des Sparherds im 19. Jahrhundert, zumal man eine Pfanne mit Füßen auf dieser geschlossenen Herdform ohnehin nicht effektiv verwenden hätte können. Vergleichsbeispiele aus Leipzig werden ebenfalls so datiert, die Form der Muldenpfanne stellt augenscheinlich nur für Wien eine Novität im archäologischen Fundgut dar.
Ein Pfannenfragment mit Mulden aus dem 17./18. Jahrhundert also, aber was wurde darin kulinarisch gezaubert?
Alte Kochbücher helfen nicht nur diese Frage zu klären, sondern liefern auch Abbildungen zur Entwicklung dieses Küchengeräts. Muldenpfannen eignen sich in erster Linie für die Zubereitung von Eiern und Backwaren. Für Schnecken, die ohnedies anders zubereitet/verarbeitet wurden, ist der Durchmesser der Mulden mit 7,5 cm zu groß.
Heute werden Pfannen mit mehreren runden Vertiefungen unter den Bezeichnungen Dalkenpfanne, Liwanzenpfanne und Augenpfanne verkauft. Nomen est omen. Das älteste Rezept für Dalken, das wir auf die Schnelle finden konnten, stammt aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es ist in einem handschriftlichen Kochbuch, das Antonia Pruckmair zugeschrieben wird, überliefert. Die Rezeptsammlung befindet sich im Bestand des Volkskundemuseums Wien und wurde vollständig digitalisiert, transkribiert und mit einem Glossar ergänzt. Die Anleitung „Dalkerln zu machen“ verrät nicht nur die benötigten Zutaten, sondern beschreibt auch die „Dalkerln Pfann“ und ihre Verwendung:
Erstlich nihm 4. gute Händ voll Mehl in ein Häffen und schlag 2: ganze, und 2: Dötter daran, und lablete Milch gegen 3. Seitl, daß der Teig in der Dicken ist wie ein Schmarn Teig, rühre ihn glatt ab, hernach nihm 4. Löfel Germ darein, salz, und schlag ihn eine Weil ab, hernach laß ihn gehen, und setz ein Dalkerln Pfann auf eine Glut, thu über all ein Prockerl Schmalz darein, gieß ein wenig was von Teig darein, backs, und kehre es um, das Schmalz muß heiß seyn, und so oft du ein Dalkerl bachest, so must du allezeit wieder ein Pröckel Schmalz darein thuen, setze sie auf ein Ort, daß warm bleiben, und giebs also warmer auf den Tisch, so sind sie.
Im 19. Jahrhundert erprobten eifrige Köchinnen und Köche zahlreiche Varianten dieses Rezeptes. Katharina von Scheiger (alias Katharina Prato) offeriert in ihrem erstmals 1858 erschienenen Werk „Die süddeutsche Küche […]“ neben den klassischen Böhmischen Dalken mehrere Rezepte für Dalken ohne Germ und beschreibt dabei die Verwendung des „Dalkenmodels“. Sie verwendete die Muldenpfanne auch zum „Backen“ von Eiern, die nachher in zu Ringen geschnittenen Semmeln als „Ochsenaugen“ serviert wurden.
Aufs Ganze ging Rosalia Neumann in der 1874 erschienenen 6. Auflage ihres Kochbuches „Die wirthschaftliche und geschickte Wiener-Köchin“, sie listet für Böhmische Dalken gleich 8 Dotter − der Cholesterinspiegel jubelt!
Der Umgang mit Eiern ist besonders in Hinblick auf das Küchengerät erhellend. Ein Griff zum illustrierten Kochbuch von Mathilde Ehrhardt, 1900 auf Fachausstellungen mehrfach mit Medaillen ausgezeichnet, lehrt nicht nur die Zubereitung von Spiegeleiern in der Pfanne am Herd und Eiern im Näpfchen (mit Sahne, Butter, Salz und Pfeffer) im Ofen. Es zeigt auch das passende Kochgeschirr! Natürlich gibt es auch ein Rezept für Böhmische Dalken plus Abbildung einer Dalkenpfanne. Und siehe da, die Unterschiede zu unserer irdenen Muldenpfanne sind offensichtlich. Die Pfannenform wurde an neue Anforderungen angepasst und weiterentwickelt. Füßchen haben dank neuer Herdformen ausgedient, Querhenkel ersetzen den Rohrgriff/Stiel. Zur Pfanne gibt es einen Deckel. Metall und Porzellan haben die Irdenware − zumindest in wohlhabenderen Haushalten − weitgehend verdrängt.
Falls Sie jetzt noch immer nicht hungrig sind: Auch Krapfen kann man in Muldenpfannen zubereiten, Backrohr vorausgesetzt.