Gaben an die Wöchnerin

Autorin: Christine Ranseder

Manchmal kommen bei Ausgrabungen auch Funde ans Licht, die unmittelbar an wichtige Ereignisse im Lebenszyklus des Menschen erinnern. Bruchstücke einer Wöchnerinnenschüssel, die in der Kundmanngasse 21 (Wien 3) zu Tage kamen, zählen zu diesen Gegenständen mit besonderer Bedeutung.

Ein Kind zur Welt zu bringen ist eine risikoreiche Höchstleistung, die in der Vergangenheit oft tödlich endete. Für die Mutter galt es, nach der Geburt auch das Wochenbett zu überleben und wieder zu Kräften zu kommen. Während dieser Schonfrist sollte sie das Bett hüten und erhielt zur Stärkung nahrhafte Suppen. Vor allem im 17. und 18. Jahrhundert wurden die Mahlzeiten gerne in einer Henkelschüssel, deren Deckel als Teller verwendet werden konnte, gereicht. Diese praktischen Gefäße waren meist ein Geschenk der künftigen Taufpaten des Neugeborenen.

Andere Bezeichnungen für „Patin“ und „Pate“ sind in der österreichischen und bayerischen Mundart „Godl“ und „Göd“. Die Wöchnerinnenschüsseln werden daher auch Godenschalen genannt. Ihr Inhalt wurde zwar von der Mutter konsumiert, die Schüssel selbst war aber als Andenken an die Taufpatin oder den Taufpaten für das Kind gedacht.

Anatomie eines Gefäßes

Wöchnerinnenschüsseln wurden aus Keramik (Fayence), Zinn oder Silber hergestellt.
Es gibt sie in unterschiedlicher Gestalt, jedoch immer mit zwei Henkeln. Manchmal sind, wie bei dem Exemplar aus der Kundmanngasse, am Boden drei Füßchen angebracht. Am Deckel sitzen, im Unterschied zu den Bouillonterrinen, in der Regel drei Füßchen. So konnte dieser als standfester Teller verwendet werden. Eine außergewöhnliche, von einem gut gefüllten Körbchen bekrönte Godenschale befindet sich im Oberösterreichischem Landesmuseum.

Exemplare aus Keramik erhalten durch einen flächendeckenden Dekor eine fröhliche Note. Zu den Motiven zählen, neben den allzeit beliebten Blumen, Vögel, Fruchtkörbe, geometrische Motive und Landschaften. Godenschalen aus Gmunden sind innen oft mit religiösen Motiven geschmückt.
Es wurden aber auch schlichte Versionen hergestellt. Unsere in das 18. Jahrhundert datierende Wöchnerinnenschüssel war ursprünglich grün-weiß gefleckt, doch hat sich die Glasur braun verfärbt. Schuld darin ist die Entsorgung in einer aufgelassenen Latrine. In dieser fand sich auch ein Deckel, der gut zu ihr passen würde. Da er jedoch blau-weiß glasiert ist, könnte er auch von einer zweiten Wöchnerinnenschale stammen. Oder wurden die „Überlebenden“ von zwei Altstücken kombiniert und noch eine Zeit lang verwendet, bevor sie endgültig im Abfall landeten?

Zwei Ansichten einer Wöchnerinnenschüssel aus dem 18. Jahrhundert, gefunden in der Kundmanngasse 21 (Wien 3). Die Art der Verzierung weist auf eine Herstellung in Gmunden. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)
Drei Bruchstücke des Deckels einer Wöchnerinnenschüssel aus dem 18. Jahrhundert, gefunden in der Kundmanngasse 21 (Wien 3). (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)
Die durch die Lagerung im Boden arg in Mitleidenschaft gezogene Glasur. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Kräftigende Speise oder Gesundheitsrisiko?

Aus heutiger Sicht schmerzt der Magen bereits beim Lesen über die Kost für Wöchnerinnen. Eier, Eier und nochmals Eier! Eingerührt in Suppen, als Eierkuchen oder naturbelassen – und das mehrmals am Tag. Dazu kamen Brot, Backwerk, Fleisch und Fisch, hinuntergespült mit reichlich Wein. In Haushalten der Oberschicht reichte man der Frau im Kindbett die Mahlzeiten im Zweistundentakt. Wieviel davon wohl tatsächlich gegessen wurde?

Angesichts derartiger kulinarischer Exzesse wundert es nicht, dass bereits im 16. Jahrhundert Ratgeberliteratur auf den Markt kam. Theophil Kentmann empfahl in seinem 1591 erschienenem Buch „Schwangerer, Kreistender, Wöchnerin vnnd Seugender Regiment oder vnterweisung, sampt Einem verzeichnus Gesunder auch Vngesunder Speisen vnd Tranck“ zwei Stunden nach der Geburt ein Weinsüpplein oder in Wein getauchte Semmelschnitten. In den ersten vier Tagen sollten weiche Eier, Hafergrützemus, magere Hühner- und Fleischbrühe sowie Wasser- und Biersuppen mit eingerührtem Eidotter verabreicht werden. Klingt schon etwas vernünftiger, oder?