Autorin: Christine Ranseder
Nach dem Waschen und Beschriften kann begonnen werden, Funde zusammenzusetzen und zu restaurieren.
Besonders bei der Keramik hat man es hierbei mit einem riesigen, dreidimensionalen Puzzle zu tun. Aus einer Fülle ähnlich aussehender Scherben gilt es, die zusammenpassenden Stücke herauszusuchen und zu kleben. Generell wird zunächst innerhalb einer Fundnummer gesucht, später sollte auch übergreifend zwischen Fundnummern eines Befundes verglichen werden.
Jeder, der sich mit Fundmaterial beschäftigt, entwickelt für dieses Geduldsspiel mit der Zeit eigene Vorgehensweisen und Tricks. Ich trenne die Scherben zuerst grob nach Zeitstufen (Urgeschichte, Römer, Mittelalter, Neuzeit), danach nach Warenarten. Für urgeschichtliche Keramik verwende ich gerne eine Einteilung in grobe, mittlere und feine Ware. Das geht recht flott, denn als Grundlage dient der erste Gesamteindruck. Ab diesem Zeitpunkt kommen weitere Kriterien ins Spiel, um Ähnliches zusammenzufinden: Farbe, Wandstärke und Tonbeschaffenheit spielen ebenso eine Rolle wie Verzierungen oder die Art der Oberflächenglättung. Das Ergebnis dieses Arbeitsschrittes sind Häufchen von Scherben annähernd gleicher Beschaffenheit. Randbruchstücke lege ich neben Randbruchstücke, Wand- und Bodenscherben finden ebenso einen Platz neben ihresgleichen. Oft fallen bereits während dieses Prozesses Passscherben auf. Das weitere Vorgehen ist eine Mischung zwischen Puzzle und Memory. Scherben werden gedreht, gewendet (auch Gefäßinnenseiten können Hinweise liefern) und behutsam aneinandergehalten.
Passen Bruchstücke zusammen, werden sie entweder gleich zusammengeklebt oder mit Klebestreifen provisorisch fixiert. Letzteres hat den Vorteil, dass „Löcher“ schnell gefüllt werden können, sollte der passende Scherben gefunden werden. Das ist besonders wichtig, wenn viele Fragmente eines Gefäßes erhalten sind. Das Kleben selbst erfordert Fingerspitzengefühl, schließlich soll die „Fuge“ möglichst unsichtbar werden.
Manchmal empfiehlt es sich, aus mehreren Teilen zusammengesetzte Gefäßfragmente zur Stabilisierung zu gipsen. Dabei werden Fehlstellen mit Gips ausgefüllt, bzw. fehlende Ränder nachmodelliert. Sobald der Gips trocken ist, wird er mit unterschiedlich starkem Sandpapier und anderen Hilfsmitteln geglättet.
Doch wozu der ganze Aufwand? Ganz einfach: Funde sind für ArchäologInnen eine der wichtigsten Quellen, um die materielle Kultur einer vergangenen Epoche zu erforschen. Je mehr von einem Gegenstand erhalten ist, desto mehr Aussagen lassen sich über seine Form, Funktion, Herstellung und Datierung treffen. Eine Wandscherbe allein sagt wenig über das tatsächliche Aussehen eines Gefäßes aus. Lässt sie sich aber mit anderen Bruchstücken – am besten von Rand oder Boden – zusammenfügen, steigt der Informationsgehalt. Im Idealfall halten am Ende der langen Suche ArchäologInnen wieder ein vollständiges Gefäß in Händen.