Ein keramisches Update für die Grabung Werdertorgasse

Autorin: Ingeborg Gaisbauer

Es war spätsommerlich warm als wir das letzte Mal über die Ausgrabung in der  Werdertorgasse, genauer gesagt über das Fundmaterial aus dieser Grabung,  berichteten. Jetzt stecken wir mitten in der Aufarbeitung und das große Puzzlespiel hat begonnen.

Bei einer Ausgrabung so reich an Fundmaterial, wie es die Werdertorgasse ist, kommt der Moment, wo es nicht mehr reicht, innerhalb eines Fundpostens nach zueinander passenden Stücken zu suchen. Vor allem, wenn sich schon bei der Reinigung der Funde zeigt, dass ein und dieselbe Gruppe – z. B. eher kleine oxidierend gebrannte (also rote) Becher, gotisch dekorierte Kacheln oder sich deutlich abhebende Importstücke – in mehreren Fundnummern auftritt, ist es oft nur möglich halbwegs vollständige Gefäßformen zusammenzustellen, wenn man sich alle Stücke aus diesen unterschiedlichen Befunden hernimmt und vergleicht. Das ist langwierig, fordert Geduld und Genauigkeit und ist, seien wir ehrlich, nicht immer von Erfolg gekrönt. In diesem Fall allerdings, zeichnet sich doch schon das eine oder andere ab.

Prager Farbenreichtum

Auf den ersten Blick sieht das Zusammensuchen passender Stücke gerade bei den sehr bunten und motivreichen Importen aus Prag aus dem späten 16. Jahrhundert  recht einfach aus. Weit gefehlt!  Zwar lässt sich bei Malhornware noch leichter als bei unbemaltem Geschirr erkennen, ob man Teile eines Kruges (Bemalung außen), Tellers (Bemalung innen) oder Deckels (Bemalung – Sie können es sich vorstellen – außen!) sucht, damit hören die Vergünstigungen aber auch schon auf. Die Muster selber sind bei der hohen Quote an Scherbenverlust (unterschiedliche Verlagerungsprozesse und von Anfang an geringe Stückzahl , da teuer) leider nicht so hilfreich und deutlich schwieriger zu identifizieren als man denkt. Man wird sehen, ob sich auch nur ein halbes Gefäß ergeben wird.

Fröhliches Puzzeln mit Malhornware. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Oldenburger Überraschung

Keramik aus Oldenburg ist uns in Wien bis jetzt noch nicht begegnet. Umso spannender ist es, dass sich gleich zwei  grundsätzlich unterschiedliche Typen feststellen lassen. Zum einen haben wir hier oxidierend gebrannte und bemalte Töpfe, zum anderen reduzierend gebrannte. Die reduzierend gebrannten Töpfe haben nicht nur einen durch eine spezielle Brenntechnik bewirkten metallischen Anflug vor allem an der Außenseite, sie sind auch noch besonders aufwändig geglättet. Beide Topfvarianten datieren offenbar eher ins 14. als ins 15. Jahrhundert.

Import aus Oldenburg. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Elegante Kacheln und alchimistisches Zubehör

Von den gotischen Kacheln und alchimistischen Bemühungen haben wir bereits berichtet, nun geht es ums Zusammensetzen und wie sich zeigt, sitzen wir auch hier auf einem beachtlichen Scherbenhaufen ungewöhnlicher Fragmente – definitiv nicht der Wiener Durchschnitt!

Fragmente gotischer Kacheln und alchimistischer Gefäße. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Ein Trinkgelage jagte das andere?

Im Überfluss erbrachte die Ausgrabung in der Werdertorgasse etwas gedrungene oxidierend gebrannte Becher. Sie sind nicht nur kleiner, als der im 15. Jahrhundert übliche Mündelbecher, der reduzierend gebrannt, schlank und groß auch noch oft mit einer sehr dünnen Gefäßwand, einem harten Scherben und metallischem Anflug prunkt. Die roten Becher aus der Werdertorgasse sehen mit Verlaub eher so aus, als hätte ein einfaches Wirtshaus trinkfreudige Kunden angezogen und darob auch einen ziemlichen Verschleiß  an Trinkgefäßen zu beklagen gehabt.  Für uns bedeutet das: nüchterne Schlacht am Arbeitstisch statt trunkene Wirtshaushändel!

Becherfüße. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)