Autorin: Ingeborg Gaisbauer
GrabungsleiterInnen haben sich mit einer Menge Mühsal herumzuschlagen, von Zeitdruck bis zu schlechtem Wetter, aber neben diesen offensichtlichen Problemen gibt es auch noch andere Ärgernisse, die dann mit den entsprechenden FundbearbeiterInnenn geteilt werden. Verbunden in Not und Elend, könnte man sagen.
Mein absoluter „Favorit“? Der essenzielle Befund, die alles entscheidende Schicht ist zwar nicht fundlos, aber die drei erbeuteten Keramikkrümel in Daumennagelgröße lassen sich auch mit ausgeklügelten Verhörmethoden nicht zu einem chronologischen Geständnis motivieren.
Fast noch frustrierender, zumeist für Projekt-/GrabungsleiterInnen? Der Befund enthält eine Menge Keramik (wieder zumeist in Daumennagelgröße), die für sich selbst eine chronologische Einordnung zulässt, aber so oft verlagert wurde, dass diese Datierung nicht oder nur mit einiger Umrechnung auf den Befund übertragen werden darf.
Natürlich gibt es dann aber auch diese besonderen Momente, die solche Frustrationsszenarien aufwiegen …
Wir haben schon auf Facebook über unsere derzeit laufende Ausgrabung gleich neben der Kirche St. Peter im 1. Bezirk berichtet. Sie konnten unter anderem einen Blick auf ein römisches Fenster werfen. Heute geht es um Keramik, genau genommen um Keramik und Befunde und was sie für die immer noch etwas unterbelichteten mittelalterlichen Anfänge Wiens tun können.
Seit den Aufgrabungen im Bereich Bauernmarkt 1 vor ein paar Jahren, als das höchst faszinierende römische Bauwerk, dessen Fenstergewände sie bewundern durften, das erste Mal dokumentiert wurde, wissen wir, dass zumindest ein Teil der Steinmauern im Mittelalter ausgerissen wurde. Das war eine gängige Vorgehensweise, um sich qualitätvolles Baumaterial zu verschaffen und es nicht weit zur nächsten Baustelle transportieren zu müssen. Dummerweise gehörte die Ausrissgrube der Mauer zu jenen essenziellen Befunden, die sich, befreit von datierendem Fundmaterial, präsentierten.
Diesmal hatten wir mehr Glück!
Direkt in der Ausrissgrube einer römischen Mauer lag ein gut erhaltenes, also nicht mehrfach umgelagertes Stück Keramik. Es war also davon auszugehen, dass dieses Stück beim Zufüllen der Ausrissgrube direkt hineingekommen war.
Damit sind wir zeitlich natürlich nicht beim Ausriss selbst, sondern etwas später, möglicherweise sogar ein paar Jahre weiter in der Wiener Stadtgeschichte, aber das ist in diesem Fall zu verschmerzen. Sie werden gleich sehen warum.
Unser Topfbruchstück ist grafitgemagert, auf einer langsam drehenden Töpferscheibe nachgearbeitet und beim Brand folgte auf eine reduzierende, sauerstoffarme eine abschließende oxidierende Phase. Kochspuren an der Außenseite lassen eine Ansprache als Kochtopf zu. Das gute Stück kann dem Ende des 11. Jahrhunderts bzw. dem Anfang des 12. Jahrhunderts zugeordnet werden. Der Mauerausriss muss sich also am Ende bzw. großzügiger gesagt in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts abgespielt haben.
Auch bei solch wunderschönen Konstellationen gibt es zumindest einen Wermutstropfen. Man sieht den Ausriss, nimmt das „entwendete“ Baumaterial zur Kenntnis und kann natürlich nur mutmaßen, wo es wieder eingebaut worden ist.
Angesichts der Tatsache, dass die mittelalterliche Kirche von St. Peter, der Vorgänger des barocken Baus, spätestens im ausgehenden 11. Jahrhundert entstanden sein muss, damit sie im Mauterner Tauschvertrag 1137 als solche genannt werden kann, scheint es legitim, in diese Richtung zu denken.
Wird eine Kirche nachweislich ein paar Schritte von einem römischen Bau errichtet, der zur Bauzeit der Kirche mittelalterlichem Recycling zugeführt wird …
Sie können sich denken, was ich sagen will. Einen Beweis dafür werden wir Ihnen schuldig bleiben müssen, aber die Indizien sind recht überzeugend, finden Sie nicht?