Reich´ mir deine Tatze

Autorin: Christine Ranseder

Wer aufmerksam durch Wien spaziert wird ihnen oft begegnen: Greife. Sie schmücken Fassaden und stützen Laternen, zieren Treppengeländer und bereichern den Dekor von Innenräumen. Die Liebe zu dem schmucken Fabeltier erreichte im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Dass der Greif in Wien bereits im Spätmittelalter als symbolträchtige Zier geschätzt wurde, belegt ein Streufund vom St.-Bartholomäus-Platz.

Es handelt sich um das Fragment einer Blattkachel mit doppelter Leistenumrahmung und dazwischen parallel geführter, um einen Ast gewundener Blattranke sowie dem Rest eines Greifenfußes mit mächtigen Klauen. Idente, vollständige Blattkacheln mit Greif befinden sich im Bestand des Burgmuseums Budapest. Sie wurden von Imre Holl (1924–2016, ungarischer Archäologe) zusammen mit anderen Kacheln, darunter prächtige Nischenkacheln mit Maßwerk und Figuren, zur Rekonstruktion des sog. Ritterofens herangezogen. Weitere derartige Kachelöfen sind auch aus anderen ungarischen Burgen bzw. Palästen bekannt geworden. Die Motivik dieser luxuriösen Wärmespender hatte Vorbildwirkung. Werkstätten außerhalb Ungarns übernahmen, regionalen Vorlieben folgend, bestimmte Formen und Motive. Manche Handwerker fertigten Nachbildungen unterschiedlicher Qualität an, andere ließen sich einfach nur inspirieren.  Die Kombination von Greif und rahmender Blattranke auf dem am St.-Bartholomäus-Platz, Wien 17, gefundenen Blattkachelfragment legt nahe, dass es sich um eine Kopie handelt.

Das in Hernals gefundene Kachelbruchstück ist stark bestoßen und weist Reste einer weißen Engobierung oder Behautung auf. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Natürlich geht nicht jeder auf einer Blattkachel dargestellte Greif auf ein ungarisches Vorbild zurück. Eine kleine Auswahl an Ofenkacheln mit der Darstellung eines Greifs aus dem 14. und 15. Jahrhundert können Sie auf furnologia.de sehen.

Das Fabeltier mit ägyptischen Wurzeln, dem Stärke und Würde zugeschrieben wurden, erfreute sich bereits in der Antike allgemeiner Beliebtheit.  Mehr über das Aussehen, die Eigenschaften, die Symbolik und die Darstellungsformen des Greifs können Sie hier lesen.