Schreib´ mal wieder!

Autorin: Christine Ranseder

Die sozialen Medien sind in der Krise. Vielleicht sollten wir öfter zu Papier und Kugelschreiber greifen, um Familienmitgliedern und Freunden ein paar Zeilen zu schreiben. Sogar Kalligrafie ließe sich so stilgerecht mit Schreibfeder und Tinte üben, „Handlettering“ liegt ja seit einigen Jahren im Trend. Nur, wer will schon so ein historisierendes Objekt für Schreibutensilien, wie unseren Fund aus der Lindengasse (Wien 7), herumstehen haben?

Der Fundort hat uns reich mit im archäologischen Kontext eher ungewöhnlicher Keramik beschenkt. Sie erinnern sich vielleicht an die Kerzenleuchter mit Spielkartensymbolen? Das Schreibzeug aus Porzellan stammt aus demselben Keller.

Es wogt und schwappt. Das Schreibzeug aus der Lindengasse (Maße ca. 23,4 cm x 15,8 cm) gibt sich dynamisch im Stil des Zweiten Rokoko. (Foto: Stadtarchäologie Wien / Christine Ranseder)

Schreibzeuge gehören zu den Sonderformen der Keramik. Man versteht darunter ein Behältnis, das Tintenfass, Streusandbüchse und eine Ablage für Schreibfeder (meist ein Gänsekiel, im 19. Jahrhundert oft schon eine Metallfeder in einem Federhalter) sowie eventuell ein Federmesser kombiniert. Es handelt sich also um ein mehrteiliges Ensemble, wie das in der Lindengasse gefundene Exemplar aus Porzellan schön vor Augen führt. Die Ablage mit den beiden Öffnungen ist nahezu vollständig erhalten, das Tintenfass hingegen ging verloren. Das Gefäß für den Streusand dürfte irgendwann zu Bruch gegangen sein, denn es wurde gegen ein Büchslein aus Steingut ausgetauscht.

Als Gebrauchsgegenstand etablierten sich Schreibzeuge im 17. Jahrhundert, heute sind sie vollkommen aus dem Alltag verschwunden. Sie waren nicht nur nützlich, sondern dienten auch als Ziergegenstand, der diskret darauf hinwies, dass die Besitzer:innen des Schreibens kundig waren.

Ein Bildungsbürger an seinem Schreibtisch, auf dem auch ein Schreibzeug steht. Karl Hummel de Bourdon, Kniestück eines Herrn, 1810. (Foto: Birgit und Peter Kainz / Wien Museum)

Das hier vorgestellte Schreibzeug stammt aus dem 19. Jahrhundert. Es ist im Stil des Zweiten Rokoko (1840−1870) gehalten, die Datierung passt somit gut zu jener der oben erwähnten Kerzenhalter. Mangels einer Marke lässt es sich allerdings keiner Porzellanmanufaktur zuweisen.

Das Tintenzeug aus Porzellan dürfte geschätzt worden sein. Irgendwann ging die Streubüchse kaputt und wurde ersetzt, allerdings durch ein Exemplar aus Steingut (Höhe 4,2 cm, Randdurchmesser 5,5 cm). Man merkt es am leichten Farbunterschied − und natürlich am Bruch. (Foto: Stadtarchäologie Wien / Christine Ranseder)
Ein Standfuß brachte eine Materialersparnis bei der Herstellung und hilft das Gewicht der Garnitur zu reduzieren. (Foto: Stadtarchäologie Wien / Christine Ranseder)

Glücklicherweise präsentiert sich unser Fund in schlichtem Weiß. Stellen sie sich das Ding bunt bemalt mit goldenen Akzenten vor!