Adresse: Fleischmarkt 4–6, Bauernmarkt 19–21, Fischhof 1A–2, Wien 1
Anlass: Verlegung einer Fernwärmeleitung | Grabungsjahr: 2016
Zeitstellung: Römerzeit, Mittelalter, Neuzeit

Historischer Kontext

Der heutige Verlauf der Straßenzüge und die angrenzenden Gebäude gehen auf eine Neuparzellierung im Jahr 1910/11 zurück, nachdem die beiden großen Höfe, der 1852 als Nachfolgebau des mittelalterlichen Lazenhofes errichtete Hoyoshof sowie der ebenfalls noch im Mittelalter entstandene Dreifaltigkeitshof mit der barocken Dreifaltigkeitskapelle, abgerissen wurden. Nur dort, wo die damaligen Hofbereiche dieser Anlagen von der Künette geschnitten wurden sowie im Bereich Fischhof, der ebenfalls 1911 neu parzelliert wurde, waren archäologisch relevante Strukturen zu erwarten, da in den übrigen Abschnitten nur die Kellerverfüllungen aus dem Jahr 1911 angetroffen wurden.

Ergebnisse der archäologischen Dokumentation

Die archäologische Dokumentation innerhalb der Fernwärmekünette vor den Häusern Fleischmarkt 4–6, Bauernmarkt 19–21, Fischhof 1A–2 erfolgte in einem ca. 90 m langen und durchschnittlich 1,20 m breiten Künettengraben – unterbrochen von drei bis zu 4,50 m tiefen Schächten.

Überblick über die Künettengrabung Fleischmarkt 4–6, Bauernmarkt 19–21, Fischhof 1A–2, Wien 1. (Plan: Stadtarchäologie Wien)
Römerzeit

Die Fernwärmekünette verlief  innerhalb des nordöstlichen Abschnitts des römischen Legionslagers Vindobona ca. parallel zur östlichen Lagermauer, etwa 30 m westlich von ihr. In diesem Bereich sind bislang noch keine eindeutig zuordenbaren Legionslagerbauten dokumentiert worden. Bekannt sind nur die südlich angrenzenden Tribunenhäuser sowie die Lagerthermen im Westen im Bereich Judengasse/Marc-Aurel-Straße/Hoher Markt. Bedauerlicherweise hatten der Abriss des Dreifaltigkeitshofes und die anschließende Neuparzellierung auch einen massiven Geländeabtrag zur Folge. Daher war im nördlichen Grabungsabschnitt vor Fleischmarkt 4–6 und Bauernmarkt 24 bereits nach wenigen Zentimetern der anstehende ockergelbe Löss festzustellen. 1911 konnten eben an der Ecke Bauernmarkt/Fleischmarkt in einer Brandschicht innerhalb eines römischen Gebäudes insgesamt 519 Münzen mit Schlussmünzen des Jahres 408 n. Chr. geborgen werden. In der Fernwärmekünette waren etwa an dieser Stelle allerdings nur noch in den Löss eingetiefte römische Objekte festzustellen. Darunter eine große, im Grundriss ovale Grube. Diese enthielt u. a. süd- und mittelgallische Sigillata und pannonische Glanztonware. Der Datierungsrahmen reicht von der flavischen Zeit bis ca. 170/180 n. Chr.

Römerzeitliche Grube des späten 2. Jahrhunderts n. Chr. (Westprofil) an der Kreuzung Fleischmarkt/Bauernmarkt, Wien 1. (Foto: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)

Genau an der Stelle, wo Josef Nowalski de Lilia im Jahr 1910 vor Bauernmarkt 22 einen römerzeitlichen Abwasserkanal dokumentierte, konnte ein 0,50 m breites Mischmauerwerk in eher grobem, weißem bis hellgrauem Kalkmörtel festgestellt werden. Es dürfte sich dabei um den Rest der nördlichen Seitenmauer dieses Kanals handeln. Der römische Kanal war sowohl von einer neuzeitlichen Ziegelmauer im Süden, als auch von einer nordwestlich anschließenden Grube geschnitten. Letztere enthielt spätrömische Keramik, darunter eine glasierte Reibschale, was darauf schließen lässt, dass der Kanal frühestens im 4. Jahrhundert bereits außer Funktion gesetzt war. Am Fischhof konnte unterhalb einer mächtigen spätmittelalterlichen Mauer noch in 4 m Tiefe eine ockergelbe Verfüllschicht dokumentiert werden, die römisches Fundmaterial enthielt.

Mittelalter

Gesicherte mittelalterliche Befunde konnten vor allem im Bereich des Fischhofes dokumentiert werden. Ein mächtiges, 2,45 m (!) breites und fast 3,50 m hoch erhaltenes Gussmauerwerk durchschnitt den Fernwärmegraben in NNO-SSW-Richtung. Dieses enthielt neben mächtigen, wahrscheinlich von der römischen Lagermauer stammenden Quadersteinen sowohl römerzeitlichen als auch mittelalterlichen Ziegelbruch. Eventuell können diese Mauerstrukturen zu einer mächtigen Turmanlage mit inneren Raumteilungen rekonstruiert werden. Aufgrund der Mauerstruktur und da eine derartige Anlage im Bereich des Fischhofs auf den ältesten Stadtplänen von Wien (z. B. Wolmuet-Plan von 1547) nicht zu erkennen ist, dürfte das Gebäude frühestens im 13. Jahrhundert entstanden sein.

Mischmauerwerk des 13./14. Jahrhunderts vor dem Haus Fischhof 1A–2, Wien 1, Blickrichtung Osten. (Foto: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)
Neuzeit

Sowohl die römischen als auch die mittelalterlichen Befunde werden im südlichen Künettenabschnitt von den Fundamenten und Kellergewölben des 1910/11 abgerissenen, Mitte des 19. Jahrhunderts errichteten Hoyoshofes (zuvor Lazenhof) und angrenzender Gebäude und im nördlichen Teil im Bereich Fleischmarkt vom ebenfalls zu dieser Zeit abgerissenen Dreifaltigkeitshof gestört bzw. geschnitten. Dies zeigte sich einerseits durch entsprechende Kellerverfüllungen, andererseits durch diverses Ziegel- und Mischmauerwerk. Überreste der 1204 gegründeten und 1730 barock neu erbauten Dreifaltigkeitskapelle im Bereich vor Fleischmarkt 4 zeigten sich einerseits durch ein entsprechendes Mischmauerwerk mit Spolienverwendung, andererseits durch eine nur mehr im Westprofil der Künette erkennbare Verfüllung.

Datum: 08.02.2017 | Autor: M. Mosser

Literatur (Auswahl)

  • Martin Mosser mit Beiträgen von Kristina Adler-Wölfl/Eleni Eleftheriadou/Ingeborg Gaisbauer und Sabine Jäger-Wersonig, Grabungen in der nordöstlichen praetentura des Legionslagers Vindobona im Areal des ehemaligen Lazen- und Dreifaltigkeitshofes. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 20, 2017, S. 40–74. (PDF 2,29 MB)