Adresse: Hanuschgasse 3, Wien 1
Anlass: Umbau und Unterkellerung | Grabungsjahr: 2020
Zeitstellung: Mittelalter, Neuzeit

Historischer Kontext

Für das Mittelalter ist die Lage der Grabungsfläche als unmittelbar vor dem Stadtgraben der mittelalterlichen Ringmauer zwischen Kärntner Tor und der Hofburg zu beschreiben. Hier erstreckte sich die Vorstadt vor dem Kärntner Tor. Im Zuge des Ausbaus von Wien als Festungsstadt entstand von 1548 bis 1552 nach Plänen des italienischen Baumeisters Francesco de Pozo die Bastion beim Kärntner Tor (auch Augustiner-, Kärntnerbastei oder Kärntner Bastion genannt) – eine von insgesamt elf Bastionen der Wiener Stadtbefestigung.

Kaiser Franz II. überließ Ende des 18. Jahrhunderts dem Herzog Albert von Sachsen-Teschen zur Erweiterung seines Palais Flächen auf der Bastion, wo er sich eine Reithalle erbauen ließ. Mit der Demolierung der Bastion auf das erforderliche Straßenniveau entstand 1862/1863 das Palais von Erzherzog Albrecht (1817–1895) samt Nebengebäude mit der jüngeren Reitschule. Im Innenhof des Nebengebäudes ließ sich Erzherzog Friedrich (1856–1936) 1914 anstelle der Reitschule ein Kanzleigebäude nach Plänen des Baumeisters Hugo Schuster errichten.

Dieses Kanzleigebäude wurde zu Beginn der 2020er Jahre für die Einrichtung eines Museums umgebaut und unterkellert.

Blick vom Baukran auf das ausgehöhlte Kanzleigebäude mit der Grabungsfläche im Oktober 2020. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen

Überblicksplan mit den Befunden der archäologischen Untersuchungen 2020. (Plan: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)
Die mittelalterliche Vorstadt vor dem Kärntner Tor

Die aufgedeckten Siedlungsreste umfassten eine Nordwest-Südost verlaufende Straße in Form einer bis zu 6,30 m breiten Schotterung, an der sich die angrenzenden Strukturen orientierten. Sie lief parallel zum etwa 30 m entfernten Stadtgraben.

Die Erschließung dieses vorstädtischen Areals erfolgte frühestens im 13. Jahrhundert mit der Errichtung der Ringmauer.

Drei Straßenhorizonte vom 13. Jahrhundert bis zum Bau der Bastion Mitte des 16. Jahrhunderts lassen sich klar unterscheiden und anhand des Fundmaterials gut datieren.

Die älteste Straßenschotterung mit rötlicher Straßenrandbefestigung und Wagenspuren. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Beiderseits der Straße reihten sich unzählige, oftmals einander schneidende Gruben und Pfostengruben. Erst ab dem Spätmittelalter lassen sich Parzellierungen ausmachen.

Ein einfaches Holzgebäude nördlich der Straße war mit mehreren Feuerstellen ausgestattet. Eine Abfolge von Lehmstampfböden – einer mit einer Vielzahl an Stangenlöchern – weist auf eine mehrphasige Nutzung bzw. Instandsetzung. Nördlich und östlich des Gebäudes befanden sich große Erdkeller. Ähnliches war auch südlich der Straße feststellbar, hier zeigten sich jedoch Estrichböden.

Die vorgefundenen Gebäudereste lassen auf eher bescheidene Lebens- und Arbeitsverhältnisse in diesem Teil der Vorstadt schließen.

Spätmittelalterliche Befunde. Rechts von oben nach unten: Ofenanlage, Stangenlöcher in Lehmstampfboden und humose Vegetationsschicht mit hoch- und spätmittelalterlicher Grubenlandschaft südlich der Straße. (Fotos/Plan: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)
Auswahl an hoch- und spätmittelalterlichen Funden: Reduzierend gebranntes Kochgeschirr (Topf, Pfanne) sowie ein Herdring, Fragment eines tierförmigen Gießgefäßes, Unterteil eines Glasbechers, mondsichelförmiges Hufeisen aus der jüngsten mittelalterlichen Straßenschotterung, ovale Schnalle aus Buntmetall mit mehrfach profilierter Dornrast sowie ein Wiener Pfennig Ottokar II. von Böhmen (1251–1276), auf dem Avers ein Panther mit Schwert, und ein Wiener Pfennig, Albrecht V. (1411–1439), mit Bindenschild und Al ~B ~t im Dreipass, außen Sternchen. (Fotos: Stadtarchäologie Wien, Ch. Ranseder, U. Egger, Friedl & Göttlich)
Die Bastion beim Kärntner Tor

Von der hier ab 1548 errichteten Bastion haben sich massive Mauerreste der Bastionsface mit drei Strebepfeilern im Süden sowie Kasematten- und Stiegenhausmauern im Norden erhalten.

Das Mischmauerwerk bestand aus bis zu 80 cm großen Sandsteinen und Kalksandsteinen in festem, hellgrauem bis weißem Kalkmörtel; die knapp 9 m langen Strebemauern sowie die Kasematten- und Stiegenhausmauern wiesen kleineres Steinmaterial auf und zumeist einen höheren Ziegelanteil. Die Mauerbreiten beliefen sich im Schnitt auf 2 m, die Nordwest-Südost orientierte Bastionsface war mit 2,30 m wesentlich stärker. Sie hatte grabenseitig zudem eine 0,90 m breite Ziegelvorblendung.

Reparaturmaßnahmen, die aufgrund der Sprengungen napoleonischer Truppen 1809 notwendig geworden waren, sind anhand eines grünlich grauen, sandigen Mörtels erkennbar. Dies betraf die Ziegelvorblendung an der Face und teilweise die Strebemauern.

Freigelegte Bauteile der Kärntner Bastion. Von links oben im Uhrzeigersinn: Bastionsface mit grabenseitiger Ziegelvorblendung, Blick auf drei im rechten Winkel zur Face gebaute Strebemauern, Reste des Treppenhauses und Kasemattenmauer im Norden der Grabungsfläche. (Fotos: Stadtarchäologie Wien)

Kurz nach 1800 enstand auf der Bastion die Reitschule des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen, von der noch eine an die 1,70 m breite Fundamentmauer vorhanden war – eine Ziegelmauer vorwiegend aus Ziegeln des sog. Österreichischen Formats und geringen Mengen an Steinen.

Das Nebengebäude des Palais von Erzherzog Albrecht

Ab 1861 kam es schließlich zur Demolierung der Bastion und zur Errichtung des Palais von Erzherzog Albrecht (heutige Albertina) samt Nebengebäude anstelle der Bastion und des Festungsgrabens. Das Nebengebäude beherbergte wiederum eine Reitschule, die vom Bau eines Kanzleigebäudes 1914 abgelöst wurde. Von diesen Bauten konnten teilweise noch die Fundamentmauern aufgenommen werden.

Links: Ausschnitt aus einem Situationsplan von 1914 mit dem neuen Kanzleigebäude und der vormaligen Reithalle im Innenhof des Palais-Nebengebäudes, Norden ist rechts. Rechts: Die aufgedeckte Ostmauer der Reitschule aus Mischmauerwerk und ein Ziegel mit dem Zeichen des Produzenten Anton Ölzelt (A Ö in Herzform) aus derselben. (Plan: MA 37 – Baupolizei, Fotos: Stadtarchäologie Wien)

Datum: 24.5. 2023 | Autor/in: M. Mosser, L. Dollhofer | Fundbestimmung: I. Gaisbauer (Keramik), S. Jäger-Wersonig (Metall), C. Litschauer (Münzen), K. Tarcsay (Glas)

Literatur (Auswahl)