Adresse: Landgutgasse 38, Wien 10
Anlass: Abbruch einer Tankstelle | Grabungsjahr: 2013
Zeitstellung: Neuzeit

Historischer Kontext

Joseph II. ordnete 1783/1784 die Schließung aller Friedhöfe innerhalb des Linienwalls an. Als Ersatz wurden außerhalb der Linien fünf kommunale Friedhöfe angelegt, darunter auch der Matzleinsdorfer Friedhof. Die Stilllegung des zweimal erweiterten Friedhofs erfolgte 1874, in den geschlossenen Grüften durfte jedoch noch bis 1879 bestattet werden. 1922 wurde das Friedhofsareal schließlich zum Park umgestaltet.

Eine Gruppe von Grabsteinen am ehemaligen Matzleinsdorfer Friedhof. Fotografie von August Stauda, 1904. (© Wien Museum)

Ergebnisse der archäologischen Dokumentation

Die von der Stadtarchäologie Wien untersuchte Fläche ist im südöstlichen Bereich des ältesten Teils des ehemaligen katholischen Matzleinsdorfer Friedhofs zu verorten. Insgesamt wurden 26 Schachtgräber für Mehrfachbestattungen dokumentiert. Alle Grabgruben waren durch diverse Bodeneingriffe gestört. Die verbliebenen Reste von neun Gräbern konnten vollständig geborgen werden.

Die Ausdehnung des Matzleinsdorfer Friedhofs. Ausschnitt aus dem Franziszeischen Kataster, unterlegt mit dem heutigen Stadtplan. Die Grabungsfläche ist rot umrandet. (Plan: Stadtarchäologie Wien)
Plan der freigelegten Gräber und die Verortung der Grabungsfläche auf dem ältesten Friedhofsareal des Matzleinsdorfer Friedhofs. (Plan: Stadtarchäologie Wien)
Grab 2 mit Holzresten von Särgen. In Grab 9 hatten sich noch einfache Holzkreuze auf den Särgen von zwei Kinderbestattungen erhalten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

In den großen Grabgruben ruhten die Skelette in mehreren Lagen zu drei bis vier Individuen. Das Holz der Särge hatte sich bereits großteils zersetzt, ihre Form ließ sich daher nicht mehr erkennen. Kreuze aus Holzleisten und Sargverzierungen aus Metall lassen darauf schließen, dass die Särge einfach, aber dennoch nicht schmucklos waren. An einigen Holzfragmenten haben sich Spuren roter, schwarzer und weißer Farbe erhalten.

Kreuze aus Holzleisten mit Farbresten, eine Christusfigur und Sargschmuck aus Metall. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/Ch. Ranseder)

Das Spektrum der Funde reicht von religiösen Beigaben, wie einem Rosenkranz aus Pimpernusskernen, über Gewandverschlüsse bis zu Kämmen aus Hartgummi und Schmuck. Sogar eine Zahnprothese wurde geborgen. Der Großteil der Gegenstände zeichnet sich durch die Fertigung aus billigen, teilweise neuartigen Ersatzmaterialien (Hartgummi, Doublé-Gold, Porzellanimitat) aus, mit deren Hilfe hochqualitative Waren imitiert wurden.

Rosenkranz aus Pimpernusskernen, Kreuzanhänger, Kamm aus Hartgummi, Knopf und ein falsches Gebiss. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/Ch. Ranseder)

Die Funde aus den Schachtgräbern legen eine Datierung der Bestattungen in das letzte Drittel des Bestehens des Friedhofes (1844−1874) nahe.

Da der Matzleinsdorfer Friedhof nach seiner Auflösung abgeräumt wurde, sind Funde von Blumentöpfen der einzige Nachweis des einstigen oberirdischen Grabschmucks.

Blumentöpfe, gefunden am ehemaligen Matzleinsdorfer Friedhof. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Ch. Ranseder)

Datum: 05.04.2022 | Autorin: Ch. Ranseder

Literatur (Auswahl)

  • Michael Schulz, Archäologische Untersuchung auf dem ehemaligen Matzleinsdorfer Friedhof in Wien. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 18, 2015, S. 158−175. (PDF 11,3 MB)
  • Michaela Binder, Leben und Überleben im 19. Jahrhundert − Anthropologische Untersuchung der menschlichen Skelettreste aus dem ehemaligen Matzleinsdorfer Friedhof in Wien. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 18, 2015, S. 176−185. (PDF 3,86 MB)
  • Christine Ranseder, Beigaben und Sargreste aus Gräbern des ehemaligen katholischen Matzleinsdorfer Friedhofs in Wien. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 18, 2015, S. 186−216. (PDF 11,1 MB)