Adresse: Wallgasse 15–17, Wien 6
Anlass: Errichtung eines Neubaus | Grabungsjahr: 2011
Zeitstellung: Urgeschichte, Neuzeit

Historischer Kontext

Die Hanglage in topographischer Nähe zum Wienfluss begünstigte die Siedlungstätigkeit in prähistorischer Zeit wie eine in der Nähe aufgedeckte Grube spätneolithischer Zeitstellung belegt. Auf eine Nutzung des Gebietes im Frühmittelalter weist die Aufdeckung eines langobardischen Gräberfeldes nördlich des Fundpunktes in der Wallgasse.

Die Grundstücke Wallgasse 15 und 17 befanden sich ursprünglich in unmittelbarer Nähe des zu Beginn des 18. Jahrhunderts errichteten sog. Linienwalls, dessen Verlauf in etwa dem heutigen Gürtel entsprach. Die Umgebung der Fundstelle blieb trotzdem lange landwirtschaftlich geprägt, Bauarbeiten setzten erst in den 1840er Jahren ein. Im Vollständigem Häuserbuch der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien aus dem Jahr 1869 wird 1842 als Baujahr der Häuser mit den Konskriptionsnummern 234 (Nr. 15) und 235 (Nr. 17) angegeben.  1847 waren die beiden Gebäude bereits in den Besitz von Ludwig Damböck (Spitzenfabrikant, 1799–1850) und Moritz Faber (Weißwarenhändler und Textilindustrieller, 1798–1875) übergegangen. Nachdem die Häuser abermals ihre Besitzer gewechselt hatten, wurden in der zweiten Hälfte der 1860er Jahre in den Hofarealen eine Hausmeisterwohnung bzw. zwei Werkstätten errichtet.

Die Lage der Fundstelle Wallgasse 15–17 innerhalb des Linienwalls und in der Nähe der spätneolithischen Grube. (Plan: Stadtarchäologie Wien)

Ergebnisse der archäologischen Dokumentation

Die Grabung erbrachte eine bereits teilweise durch den Bagger zerstörte Grube aus der Mittelbronzezeit und eine weitere fundleere Grube vermutlich derselben Zeitstellung. Aus der Neuzeit stammen zwei Pfostengruben, eine Kalkgrube und eine Abfallgrube.

Plan der Grabung Wallgasse 15–17, Wien 6, mit Objektnummerierung. Dass die mittelbronzezeitlichen Siedlungsreste bis 2011 erhalten blieben, ist ihrer Lage unter dem Garten/Hof des alten Hauses Nr. 15 zu verdanken. (Plan: Stadtarchäologie Wien)
Mittelbronzezeit

Zu Beginn der Rettungsgrabung waren von der größeren der beiden Gruben nur noch ihr östlicher Randbereich (Verfärbungen 1, 12 und 13) und ein Teil der Grubensohle (Verfärbung 2) vorhanden.

Mittelbronzezeitliche Grube, Wallgasse 15–17, Wien 6. Der erhaltene Ostteil des Siedlungsobjektes und der bereits ausgehobene Grubensohlenrest. (Foto: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)

Die rechteckige Form der verbliebenen Grubensohle und die durch eine gerade Kante verbundenen abgerundeten Ecken von Verfärbung 13 lassen ein ursprünglich West-Ost-orientiertes, rechteckiges Siedlungsobjekt vermuten. Die an der erhaltenen östlichen Seitenkante von Verfärbung 13 ansetzende, flache Ausbuchtung Verfärbung 12 hingegen kann als Hinweis auf einen gestuften Eingangsbereich gedeutet werden. Es handelte sich also ursprünglich vermutlich um eine Grubenhütte oder einen Keller.

Die Verfüllung bestand aus dunkelbraunem, von Holzkohle und einigen Hüttenlehmbrocken durchsetztem Material. Die aus ihr geborgene Keramik weist sowohl Charakteristika der frühen als auch der voll ausgeprägten Mittelbronzezeit auf und vermittelt damit den Eindruck eines graduellen Übergangs. Trotz der geringen Größe der Scherben lässt sich die Grundausstattung des keramischen Repertoires der mitteldanubischen Hügelgräberkultur belegen: Krüge, Tassen, Schalen/Schüsseln/Näpfe, Fußgefäße, Amphoren, Töpfe und Vorratsgefäße.
Der einzige Metallfund ist ein einfacher Bronzering mit übergreifenden Enden. Derartige Ringe wurden in der Früh- und Mittelbronzezeit als Schmuck getragen.
Ein Steinbeil und zwei Silices können als spätneolithische Relikte angesehen werden.
Einige mittelbronzezeitliche Tierreste belegen die Nutzung von Rind, Schaf/Ziege, Schwein und Pferd als fleischliche Nahrungsressource.

Der Bronzering mit übergreifenden Enden und ausgewählte Keramik. Wallgasse 15–17, Wien 6. (Foto/Zeichnungen: Stadtarchäologie Wien/Ch. Ranseder)
Neuzeit

Die in der Wallgasse 15–17 zu Tage gekommenen Befunde (Pfostenlöcher Verfärbung 4 und 7, Gruben Verfärbung 5 und 6) und Funde aus der Zeit vom späten 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts sind im Zusammenhang mit der intensiveren Flächennutzung in den vom Linienwall umschlossenen Vorstädten und der fortschreitenden Verbauung in Zuge des Wachstums Wiens zu sehen.

Datum: 21.03.2022 | Autorin: Christine Ranseder

Literatur (Auswahl)

⦁ Christine Ranseder, Mittelbronze- und neuzeitliche Siedlungsbelege aus Wien 6, Wallgasse 15–17. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 16, 2013, S. 96–126. (PDF 18 MB)
⦁ Sigrid Czeika, Mittelbronze- und neuzeitliche Tierreste aus Wien 6, Wallgasse 15–17. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 16, 2013, S. 128–134. (PDF 6,45 MB)