Datum: 03.10.2016 | Autor: Christine Ranseder

Ein Friedhof in unverbautem Gebiet

Der Matzleinsdorfer Friedhof war einer der fünf kommunalen Friedhöfe, die auf Geheiß Joseph II. außerhalb des Linienwalls entstanden. Er wurde jedoch nicht auf der grünen Wiese angelegt, sondern ging aus dem älteren Nikolsdorfer Friedhof hervor.
Ab 1784 belegt, erfuhr der Matzleinsdorfer Friedhof zwei Erweiterungen, bevor er 1874 geschlossen wurde. In den gemauerten Grüften durfte jedoch noch bis 1879 bestattet werden.

Der Matzleinsdorfer Friedhof außerhalb des Linienwalls. Carl Graf Vasquez, Pläne der Stadt Wien bzw. der Polizeibezirke innerhalb des Linienwalls, 30er Jahre des 19. Jahrhunderts. (Wien Museum, Inv.-Nr. 105.971/5)
Der Matzleinsdorfer Friedhof außerhalb des Linienwalls. Carl Graf Vasquez, Pläne der Stadt Wien bzw. der Polizeibezirke innerhalb des Linienwalls, 30er Jahre des 19. Jahrhunderts. (Wien Museum, Inv.-Nr. 105.971/5)
1876 sind Bahnlinie und Verbauung an den Matzleinsdorfer Friedhof herangerückt. „Orientirungs-Plan der Haupt- und Residenz Stadt Wien”, gestochen von Dominik Biller. (Wienbibliothek im Rathaus, Druckschriftensammlung, K-314355)
1876 sind Bahnlinie und Verbauung an den Matzleinsdorfer Friedhof herangerückt. „Orientirungs-Plan der Haupt- und Residenz Stadt Wien”, gestochen von Dominik Biller. (Wienbibliothek im Rathaus, Druckschriftensammlung, K-314355)
Schachtgräber für viele Tote

Die von der Stadtarchäologie Wien im Jahr 2013 untersuchte Fläche (Landgutgasse 38) ist im südöstlichen Bereich des ältesten Teils des Matzleinsdorfer Friedhofs zu verorten. Insgesamt wurden 26 Schachtgräber für Mehrfachbestattungen dokumentiert. Alle Grabgruben waren durch diverse Bodeneingriffe gestört. Die verbliebenen Reste von neun Gräbern konnten vollständig ausgehoben werden. Im Fall eines Grabes wurden die Arbeiten vor Erreichen der Unterkante eingestellt.

Plan der freigelegten Gräber und die Verortung der Grabungsfläche auf dem Friedhofsareal.
Plan der freigelegten Gräber und die Verortung der Grabungsfläche auf dem Friedhofsareal.

In den dicht belegten, großen Grabgruben ruhten die Skelette in mehreren Lagen zu drei bis vier Individuen. Im Verfüllmaterial  fanden sich die Reste älterer Bestattungen, unter anderem als Anhäufung von Knochen mehrerer Verstorbener. Es war also bereits während der Nutzung des Friedhofes durch das mehrfache Öffnen der Gräber im Zuge von Wiederbelegungen zu Verlagerungen von Särgen, Skeletten und Beigaben gekommen.

Eine Lage Skelette in dem dicht belegten Grab 9.
Eine Lage Skelette in dem dicht belegten Grab 9.
Kindersärge in Grab 9.
Kindersärge in Grab 9.

Die Funde aus den von der Stadtarchäologie Wien untersuchten Schachtgräbern legen eine Datierung der Bestattungen in das letzte Drittel des Bestehens des Friedhofes nahe.

Sargschmuck für wenig Geld?

Kaiser Joseph II. hatte versucht, die Bestattung in Särgen abzuschaffen. Er scheiterte jedoch am Widerstand der Bevölkerung. Selbst in den unteren Bevölkerungsschichten bestand der Wunsch nach einem „schönen” Sarg. Die würdige Ausstattung der Toten veranlasste gerade im 19. Jahrhundert so manche Familie bis an die Grenzen des Leistbaren zu gehen. So waren die Särge der in den untersuchten Schachtgräbern des Matzleinsdorfer Friedhofs bestatteten Toten einfach, aber dennoch nicht schmucklos.
Zum Zeitpunkt der Ausgrabung hatte sich das Holz der Särge bereits großteils zersetzt. Ihre Form ließ sich daher nicht mehr erkennen. An einigen Fragmenten haben sich Spuren einer Bemalung erhalten.

Holzkreuz und zwei Sargfüße, ursprünglich weiß bemalt.
Holzkreuz und zwei Sargfüße, ursprünglich weiß bemalt.

Einfache Kreuze aus Holzleisten zierten die Deckel der Särge. Eine Christusfigur konnte jedoch nur einmal nachgewiesen werden.

Holzfigur des gekreuzigten Christus. Metallbeschlag mit dem Schriftzug INRI. Aufstecker.
Holzfigur des gekreuzigten Christus. Metallbeschlag mit dem Schriftzug INRI. Aufstecker.

Fallweise haben Sargverzierungen aus Pressblech Spuren am Holz hinterlassen. Von den Beschlägen sind jedoch nur wenige Fragmente erhalten geblieben. Aufgewölbte Scheiben mit Muster zierten ursprünglich in großer Zahl die Holzkreuze. Sie wurden aber auch direkt auf den Sargbrettern angebracht.

Fragmente von Sargverzierungen und runde Zierelemente aus Metall sowie ihre Spuren am Sarg.
Fragmente von Sargverzierungen und runde Zierelemente aus Metall sowie ihre Spuren am Sarg.

Hobelspäne dienten als Unterlage der Leiche.

Hobelspäne.
Hobelspäne.