Datum: 31.07.2017 | Autor: Christine Ranseder

Ornament [lat. >Ausrüstung<, >Schmuck<] das, -(e)s/-e, sich wiederholende Verzierung von Bauwerken und Gegenständen aller Art.“
(Brockhaus. Die Enzyklopädie, Bd. 16, 314, 20. Aufl., Mannheim 1998)

Stellen Sie sich eine Welt ohne Ornamente vor. Glatte Hausfassaden, unverziertes Geschirr, einfarbige Kleidung …
Lassen Sie auch noch die Farbe weg. Langweilig, nicht wahr? Muster befriedigen unser Bedürfnis nach Abwechslung. Sie stellen eine visuelle Bereicherung des Alltags dar. Als Träger von Verzierungen eignet sich fast jedes Material.

Ornament prägt das Erscheinungsbild einer Epoche. Es ist mächtig, denn es emotionalisiert. Seine ihm zugrunde liegende Ordnung, sein Rhythmus, seine überbordende Vielfalt an Formen und Farben erfreut – oder erzürnt. Selbst wenn wir es nicht bewusst wahrnehmen, kann es Wohlbefinden oder Unbehagen verursachen.

Die Sprache des Ornaments

Das Ornament ist ein vielseitiges Kommunikationsmittel.

• Als Ausdruck menschlicher Kreativität verkörpert es die Freude am Dekorativen.

• Mit Verzierungen lassen sich Geschichten erzählen und die Erinnerung wach halten.
Seit den Griechen und Römern dienen Szenen aus der Mythologie als Schmuck von Gefäßen.

Auf diesem Bruchstück einer römischen TS-Schüssel sind Herkules und Zerberus zu sehen. Mit ihrer Darstellung wird auf die zwölfte Tat des Herkules verwiesen, für die er in den Hades hinabstieg, um Zerberus zu holen.

Im Biedermeier schätzen die Menschen Tassen und Untertassen mit Widmungen und Dekor als Zeugnisse der persönlichen Verbundenheit.
Noch heute erinnern Tassen mit Darstellungen von Sehenswürdigkeiten oder Landschaften an glückliche Urlaubstage.

Eine Souvenirtasse aus dem 20. Jahrhundert.

• Ornamente können als Symbole dienen, deren Botschaft von bestimmten Gruppen verstanden wird.
Mit der Wahl einer bestimmten Verzierung oder eines Stils lassen sich Zugehörigkeit, Abgrenzung oder Traditionsverbundenheit ausdrücken. Heute wird mit Logos, die auch als Zierde eingesetzt werden, Identität konstruiert.

• Reich gestaltete Oberflächen vermitteln Hochwertigkeit.
Der Besitz verzierter Gegenstände ist oft mit Prestige verbunden und unterstreicht den Status einer Person.

Verziert versus Unverziert

Ob Keramik verziert wird, hängt von ihrer Funktion und Bedeutung im Alltag ab. Nicht in jeder Zeitperiode oder Region wird Dekor auf Gefäßen geschätzt.

Auf Kochgeschirr macht aufwändiger Dekor wenig Sinn. Er ist in der Regel Keramik, die zur Schau gestellt wird, vorbehalten. Grabbeigaben, Tischgeschirr, Apothekengefäße oder Kachelöfen sollen beeindrucken. In manchen Epochen verleihen kostbare Textilien oder Glas- und Metallgefäße mehr Prestige als Keramik, die daher unverziert bleibt. Der bewusste Verzicht auf Ornamente kann aber auch Ausdruck einer Geisteshaltung sein.

Seit Keramik in großen Mengen in Handwerksbetrieben hergestellt wird, ist die Anbringung von Dekor eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Er macht ein Produkt attraktiver und teurer. Wer die Verzierungen weglässt, spart Kosten. Einfache Gefäßformen erleichtern die Massenproduktion.

Ornament und Fortschritt

Verzierte Keramik spiegelt den Zeitgeschmack und den Stand der technischen Möglichkeiten.

Bereits die urgeschichtlichen TöpferInnen schmückten ihre handgeformten Erzeugnisse. Das Spektrum der Techniken spannte sich von eingetieften und eingeglätteten Verzierungen über die Bemalung bis zu aufgesetzten Leisten.

Die Erfindung der Töpferscheibe beeinflusste Formgebung und Dekor der Gefäße. Auf ihr konnten während des Drehens Wulste ausgeformt werden. Auch für Ratterdekor und horizontale Rillen nutzten TöpferInnen die Rotation des Gefäßes. Indem sie tönerne Rohlinge in Formschüsseln eindrehten, schufen die Römer reliefverziertes Geschirr. Sie waren auch Meister der Schlickermalerei und beherrschten das Glasieren von Keramik.

Im Mittelalter wurden Gefäße kaum verziert. Die Wiedereinführung der lange Zeit vergessenen Glasur erwies sich jedoch als Meilenstein in der Geschichte des Keramikdekors. Das Glasieren entwickelte sich in der Neuzeit gemeinsam mit der Bemalung zur wichtigsten Verzierungstechnik.

Neue Impulse brachte ab dem 17. Jahrhundert der Import von Porzellan aus Asien. Der Versuch in Europa Porzellan herzustellen, glückte erst um 1710 in Meißen. Wenig später standen auch geeignete Farben für die Bemalung zur Verfügung. Damit war feinster Dekor möglich.