Datum: 08.04.2017 | Autor: C. Litschauer
Fundort: Wien 3, Rasumofskygasse 29-31 | Zeitstellung: keltisch

Wie schon der Materialwiderspruch im Titel verrät, handelt es sich bei den Fundstücken um keine den Kelten noch unbekannte Waffeln, sondern vielmehr um spannendes Zubehör ihrer Münzproduktion.

Abb. 1 – Tüpfelplattenfragmente aus Wien.

Die als Tüpfelplatten bezeichneten Objekte dienten im Normalfall zur Herstellung von keltischen Schrötlingen bzw. Rohlingen der zumeist silbernen oder goldenen Münzen, wobei sie mit ihrem erstmaligen Beleg in Wien ähnlich spannend sind, wie die Grabungsergebnisse in der Rasumofskygasse 29–31 selbst. Die 38 Gussplattenfragmente konnten im Bereich der hier freigelegten Siedlungsreste mit Werkstätten in zwei Gruben und einem Brunnen aufgedeckt werden , die relativ nahe voneinander lagen und aufgrund des datierenden Fundmaterials um 30 v. Chr. verfüllt wurden. Somit lässt sich auch die Nutzung der zeitlich nur schwer einzuordnenden Gussformen auf das mittlere 1. vorchristliche Jahrhundert beschränken.

Ihr äußeres Erscheinungsbild ist vor allem durch die Zweckmäßigkeit geprägt, nämlich dem Schmelzen des Metalls in kleinen Portionen. Dies umfasst einerseits die an der Oberseite reihenförmig in den feuchten Ton eingedrückten Näpfchen sowie andererseits die Grundform. Sie lässt sich anhand der Randfragmente teilweise rekonstruieren und legt nahe, dass auch die Wiener Stücke die weit verbreiteten viereckigen oder fünfeckigen Platten dargestellt haben.

Abb. 2 – Keltische Fundmünzen der Grabung Rasumofskygasse 29–31.

Die kleinen Vertiefungen charakterisieren wiederum Tüpfelplatten, die zur Herstellung von Kleingeld dienten, wobei die Näpfchen des größten Wiener Fundstücks zeigen, dass davon pro Platteneinsatz mindestens 50 Stück hergestellt werden konnten (Abb. 1). Kerben wie auf der Rückseite des größten Wiener Fragments gehen vermutlich auf das Herausklopfen nach ihrer Fertigstellung zurück.

Andere Abdrücke im feuchten Ton kennzeichnen auch Bearbeitungsspuren, die auf die Herstellung der Gussplatten verweisen. Diese umfassen die beiden dokumentierten Randformen, die auf eine formstabilisierende Schnürung oder auf das Andrücken in eine Art Negativform zurückgehen können sowie Hinweise auf den Plattenunterseiten (Abb. 3). Während hier der Zweck der abgedrückten Verschnürungen unbekannt ist, legen beispielsweise Textilabdrücke eine bei der Bearbeitung vor Verformung schützende Ummantelung nahe.

Abb. 3 – verschiedene Randformen (links). Rückseite des größten Wiener Tüpfelplattenfragments mit Bearbeitungsspuren (rechts).

Die Beschaffenheit des Scherbens der bis auf ein Stück reduzierend gebrannten Wiener Fragmente (Abb. 4 links) lässt außerdem Rückschlüsse auf den Schmelzprozess des portionsweise in die Näpfchen gefüllten Metalls zu und legt damit nahe, dass es ohne Sauerstoffzufuhr in einem vermutlich überkuppelten Schmelzofen aufgelöst wurde. Dabei weisen blasige Veränderungen und Verglasungen (Abb. 4 rechts) darauf hin, dass die Stücke mehrmals benutzt wurden und dass glühende Holzkohle auf die mit dem aufzulösenden Rohstoff bestückten Platten gelegt wurde. Unregelmäßige Veränderungen können hingegen auf die Anwendung von Düsen, Blasrohr oder Blasebalg zurückgehen. Zuletzt verrät die „schlammige Struktur“ und Magerung des lokal gewonnenen Rohmaterials auch, dass es nur begrenzt hitzebeständig war und Gold mit seinem Schmelzpunkt bei 1.064°C nicht in den Wiener Platten geschmolzen werden konnte.

Abb. 4 – Oxidierend und reduzierend gebrannte Objekte (links). Veränderungen der Tonstruktur durch die Hitzeeinwirkung (rechts)
Abb. 5 – Naturwissenschaftliche Untersuchungen zur Metallanalyse.

Da neben Schrötlingen für Gold- und Silbermünzen auch andere Objekte oder Falschgeld in den Tüpfelplatten hergestellt werden konnten, stellte sich in der Folge die Frage nach dem in den Wiener Näpfchen zu schmelzenden Metall. Hier erbrachte eine dispersive Röntgenanalyse (Abb. 5) am Institut für Archäometrie der Universität für angewandte Kunst Wien an ausgewählten Stücken passend zum lokalen Münzumlauf den Nachweis von Silberresten.

 

Die nun erstmals in Wien im Randbereich einer boischen Flachlandsiedlung des mittleren 1. Jahrhundert v. Chr. aufgedeckten Tüpfelplatten belegen somit eine Produktion von Schrötlingen für Kleinsilbermünzen vor Ort, womit auch an eine Ausprägung der Münzen gedacht werden kann. Das Fehlen weiterer eindeutiger Belege wie das entsprechende Fundmaterial zur Münzprägung erschwert eine solche Ansprache jedoch, wobei ein mit Schmiedeabfall verklumptes Metallobjekt (Abb. 6) in diesem Zusammenhang spannend bleibt, da es vielleicht den Rest eines Rückseitenstempels darstellt.

Abb. 6 – Schmiedeabfall mit dem Rest eines möglichen Prägestempels.

Literatur
C. Litschauer, G. Dembski, Die geldgeschichtlichen Funde vom Wiener Rochusmarkt als Hinweis auf eine keltische Münzproduktion? In: Fundort Wien 19, 2016, 4–22.

Weiterführende Informationen: Grabung Rasumofskygasse