Auf den Spuren des Roten Hauses

AutorInnen: Dimitrios Boulasikis, Lotte Dollhofer, Heike Krause, Ullrike Zeger | Stand: 29. 4. 2021

Nördlich der künftigen U5-Station Frankhplatz im 9. Wiener Gemeindebezirk liegt das Haus Frankgasse 7/Garelligasse 3. Im Vorfeld des U-Bahn-Baus waren auch hier Hausertüchtigungsmaßnahmen wie Fundamentverbreiterungen bzw. -verstärkungen vorgesehen. Die Zugangsschächte für diese Arbeiten wurden einerseits im Gehsteigbereich der Frankgasse, entlang der Außenfassade des Hauses, und andererseits in den nördlichen Kellerräumen angelegt. Dabei wurde eines sofort deutlich: Vom Altbestand trug man für den Hausneubau nur so viel ab, wie unbedingt notwendig war. So traten an der Außenseite bereits unmittelbar unterhalb des Gehsteigs Mauern der Vorgängerbebauung zutage. Aber auch im Keller wurden (nicht ganz so alte) Räumlichkeiten wiederentdeckt.

Das Haus Garelligasse 3/Frankgasse 7, Richtung Südwesten, und der Schnitt an der Nordseite des Hauses, Richtung Westen. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/archnet Bau- und Bodendenkmalpflege GmbH)

Zur Geschichte des Hauses und seiner Vorläufer

Das bestehende Gebäude wurde im Jahr 1889 errichtet, nachdem das Rote Haus abgebrochen worden war, das eine viel größere Fläche einnahm1. Die Bezeichnung ist ab ca. 1760 belegt2 und dürfte von seiner Fassadenfarbe herrühren. Als recht preiswert wurden die Mieten in jenem Zinshaus-Komplex beschrieben, der viele Wohnungen, Handwerks- und Gewerbebetriebe und unter anderem auch ein Kaffeehaus beherbergte3. Doch war das nicht immer so.

Das sogenannte Rote Haus, im Hintergrund die Alser Kaserne. Zeitungsausschnitt in einem Konvolut von Karl Blaschke, um 1900–1910. (© Wienbibliothek im Rathaus)

1702 hatte der Reichshofrat Michael Achaz von Kirchner hier ein Anwesen besessen. Im Osten grenzte es an das unbebaute Glacis. Im Norden lag der Mariazeller Gottesacker und im Nordosten das Schwarzspanierkloster, dessen Kirche heute noch existiert. Im Westen schloss das Areal der Landschaftsschule an, auf dem nach 1750 die Alser Kaserne errichtet werden sollte. Zehn Jahre später verkaufte Kirchner das große, bebaute Grundstück an den Fürsten Paul Esterházy. Fürst Paul Anton Esterházy ließ 1761/1762 im Bereich des einstigen Gartens eine Reitschule in Form eines langen, freistehenden Gebäudes errichten – ein „Must-have“ herrschaftlicher Repräsentation in jener Zeit!

Das Rote Haus im Vogelschauplan von Joseph Daniel von Huber, 1769–1773, gedruckt 1778. Blick nach Westen. (© Wien Museum)

Die Fürstenfamilie ließ im Laufe der Zeit zahlreiche Um- und Neubauten durchführen. Nach 1800 kam es zu einer weiteren Verdichtung der Bebauung. Ein großes Mietobjekt entstand, das schließlich 1825 aus dem Familienbesitz ausgeschieden wurde. 1876 erwarb die Union-Baugesellschaft das Rote Haus und ließ es Jahre später abbrechen. Das Areal wurde neu parzelliert.
Auf einer neu geschaffenen, beinahe keilförmigen Parzelle ließ die Wiener Baugesellschaft das jetzige fünfgeschoßige Haus in der Garelligasse 3/Frankgasse 7 errichten. Der eher ungewöhnliche Grundriss resultierte daraus, dass einerseits ein komplett neues Straßenraster geschaffen wurde, aber unmittelbar westlich die erst 1912 demolierte Alser Kaserne anschloss, deren Parzellengrenze eine andere Ausrichtung einnahm.

Überblicksplan von 1889 zum geplanten Hausneubau Garelligasse/Ecke Frankgasse (rot unterlegt). Das Gebäude reicht im Westen bis an die Parzellengrenze der noch intakten Alser Kaserne, hier mit K. K. Infanteriekaserne bezeichnet. Die bestehenden Bauten sind olivgrün unterlegt, Norden ist rechts. (© MA 37 – Baupolizei)

Ergebnisse der archäologischen Dokumentation

In dem Schnitt an der Nordfassade des Hauses kamen, wie schon erwähnt, unmittelbar unter dem Gehsteigniveau Mauerreste zutage, die dem westlichsten, parallel zur Alser Kaserne verlaufenden, langgestreckten Trakt des Roten Hauses zugeordnet werden können. Es handelte sich um Ziegelmauern mit einem geringen Bruchsteinanteil im unteren Fundamentbereich, dessen Unterkante in vier Meter Tiefe erreicht wurde. Die rund ein Meter starke, etwa Nord-Süd ausgerichtete Ost-Mauer war mit ihrem westlichen Pendant durch einen Entlastungsbogen und einer weiteren Mauer verbunden. An dieser Querverbindung zeigte sich mittig ein weiterer Ziegelbogen Richtung Norden. Diese Baustrukturen dürften einen einstigen Kellerraum darstellen.

Links: Stadtplan von 1887 mit Alser Kaserne und Rotem Haus in Überlagerung mit der heutigen Stadtkarte und den Grabungsbefunden. Rechts: Ziegelmauern und Gewölbe eines Kellerraumes des Roten Hauses. (Plan/Fotos: Stadtarchäologie Wien/archnet Bau- und Bodendenkmalpflege GmbH)

Im Keller des Hauses Garelligasse 3/Frankgasse 7 entdeckte man im nordöstlichen Raum beim Durchschlagen des bestehenden Betonbodens ein darunter befindliches Ziegelgewölbe eines tiefer liegenden Kellerraums, dessen Wände stark versintert waren. Hierbei handelte sich um den in Adaptierungsplänen von 1889 verzeichneten Eiskeller, der der künftigen Gastwirtschaft im Haus zur Lagerung von Vorräten dienen sollte. Der darüber liegende Raum sollte als Fleischkeller genutzt werden. In Erinnerung an den abgebrochenen Gebäudekomplex nannte man das hier beheimatete Gasthaus „Zum rothen Haus“.4

Links: Kellergrundriss von 1889 mit dem „Fleischkeller darunter Eisgrube“ in der Nordost-Ecke des Hauses (© MA 37 – Baupolizei). Rechts: Blick durch das durchbrochene Ziegelgewölbe in den ehemaligen Eiskeller. (Foto: Stadtarchäologie Wien/archnet Bau- und Bodendenkmalpflege GmbH)

Tiefe Keller bzw. Gruben speziell für die Lagerung von Eis gehörten zur gängigen Kühltechnik im 19. Jahrhundert. Sie zählten wohl – neben weiteren Lagerräumen – zur Grundausstattung eines Restaurationsbetriebes, wie schon beim ehemaligen „Gasthaus zur Stadt Belgrad“ in der Josefsgasse 1 zu erfahren war.

Anmerkungen:

  1. Hans Mück, Das sogenannte „Rote Haus“. In: Wiener Geschichtsblätter 32, Wien 1977, S. 239.
  2. Wiener Zeitung, 27. Februar 1760, [S. 8, linke Spalte oben].
  3. Morgen-Post, 18. November 1860, [S. 3].
  4. Der Gebirgsfreund, August 1890, Nr. 1, S. 8.