Ein Stück Verkehrsgeschichte: Von der Unterpflaster-Straßenbahn zur U-Bahn

Autoren: Werner Chmelar, Michael Raab, Martin Mosser | Stand: 24.2. 2022

Zu den zukunftsweisenden Infrastrukturprojekten der Stadt Wien zählt der Ausbau des Wiener U-Bahn-Netzes. Für die neue Streckenführung im Bereich der künftigen U5-Station Frankhplatz Richtung Rathaus waren in der Landesgerichtsstraße, entlang des namengebenden Gebäudes, Bodeneingriffe erforderlich. Diese Arbeiten wurden wieder von einem Team aus Archäologinnen und Archäologen begleitet.

Die Grabungsfläche vor dem Landesgericht mit der schematischen Darstellung der Lage der U-Strab-Relikte, Stand Dezember 2021. (Plan: Stadtarchäologie Wien/ARDIG, M. Raab)

Während bei den bisherigen Ausgrabungen linksseitig des ehemaligen Verlaufs des Alsbaches Siedlungsstrukturen verschiedenster Epochen – von der Römerzeit bis in das ausgehende 19. Jahrhundert – nachgewiesen wurden, zeugen südlich der Alser Straße spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Befunde von unterschiedlichen Aktivitäten. Während der Neuzeit haben mehrmalig Eingriffe in das Gelände stattgefunden: Bereiche wurden eingeebnet bzw. zur Ablagerung verschiedenster Abfall- und Schuttmaterialien genutzt.

Die jüngsten hier feststellbaren Hinterlassenschaften zählen zum Vorläufer der eigentlichen U-Bahn – die Unterpflaster-Straßenbahn. Von ihr waren noch die in den Untergrund führende Rampenschüttung und Betonspundwände des Tunnels der in den 1960er Jahren angelegten Trasse vorhanden. Ein guter Grund, einen Blick auf die Geschichte der U-Strab zu werfen.

Die Grabungsarbeiten vor dem Landesgericht, November 2021. Zentral im Bild ist die westliche Betonspundwand des U-Strab-Tunnels zu sehen, Blick nach Nordwesten. (Foto: Stadtarchäologie Wien/ARDIG)

Die Anfänge des öffentlichen Untergrund-Verkehrs

Als Ende der 1950er-Jahre die Motorisierung in Wien zunahm, kam der Plan auf, den Verkehr zu entflechten und die Straßenbahn unter die Erde zu verlegen und damit zu beschleunigen. So entstanden auf dem Papier etliche Strecken, auch Linien durch die Innere Stadt. In der Folge baute man als erste Teile davon die Unterführung Südtiroler Platz und die unterirdische Schleifenanlage Schottentor, die am 7. Mai 1959 bzw. am 16. September 1961 eröffnet wurden.

Insgesamt wurden drei Abschnitte als sog. Unterpflaster-Straßenbahn, kurz U-Strab, verwirklicht. Als erstes ging 1966 die „2er-Linie“ („Lastenstraße“) von der Alser Straße bis zur Operngasse in Betrieb. Ein paar Jahre später, ab dem 11. Jänner 1969, war es möglich, den südlichen Gürtelbereich von der Flurschützstraße bis zur bestehenden Unterführung Südtiroler Platz mit Abzweigungen in die Knöllgasse und über die Kliebergasse in die Wiedner Hauptstraße im Untergrund zu befahren. Als letzter tief gelegter Abschnitt wurde ab dem 4. September 1971 die Station Erzherzog-Karl-Straße freigegeben. Heute wird nur mehr die verzweigte Anlage im weiteren Umfeld des Matzleinsdorfer Platzes im ursprünglichen Sinne genutzt.

Schon während der Errichtung der U-Strab „Lastenstraße“ fiel die Entscheidung zugunsten einer U-Bahn. Damit unterblieb der Bau weiterer U-Strab-Strecken. Aus diesen Planungen und der bestehenden Stadtbahn ging das U-Bahn-Grundnetz mit U1, U2 und U4 hervor. Verantwortlicher Architekt für wesentliche Teile dieser Verkehrsprojekte war von den 1960er Jahren bis in die 1980er Kurt Schlauss.

Die U-Strab Lastenstraße bzw. 2er-Linie

1963 begann man mit der Errichtung der U-Strab Lastenstraße. Nach der aus heutiger Sicht unsagbar kurzen Bauzeit von insgesamt 3 Jahren wurde die Unterpflasterstrecke am 8. Oktober 1966 eröffnet und war bis zum 27. Juni 1980 in Betrieb.

Ein Zug der Linie G2 auf der Brücke über die Baugrube bei der Lerchenfelder Straße, Juli 1965. (Foto: Archiv Wiener Linien)

Durch den Lastenstraßentunnel fuhren täglich die Linien E2 (Herbeckstraße–Praterstern) und H2 (Wattgasse–Hauptallee) sowie von Montag bis Samstag, wenn Werktag, der G2 (Hohe Warte–Radetzkystraße). Selten waren anfangs auch die Linien B und Bk unterwegs, wenn der Ring zwischen Schottentor und Schwarzenbergplatz gesperrt war. Die Linien A und Ak durften nicht durch den Tunnel fahren, da auf diesen noch Wagen mit offenen Plattformen eingesetzt wurden.

Ein Zug der Linie E2 auf der Rampe Landesgerichtsstraße, Juni 1980. (Foto: W. Chmelar)

Nach der Doppelhaltestelle „Universitätsstraße“ bei der Kreuzung Alser Straße/Landesgerichtsstraße/Universitätsstraße führte in der Landesgerichtsstraße auf Höhe Liebiggasse die Rampe in den Untergrund und reichte bis zur Grillparzerstraße. Dort begann die eigentliche Tunnelstrecke. Es folgten die nur ca. 80 Meter langen Haltestellen „Friedrich-Schmidt-Platz“ (seit September 1980 U2-Station „Rathaus“), „Lerchenfelder Straße“ (Ende September 2003 geschlossen), „Burggasse“ (seit April 1991 „Volkstheater“) und „Babenbergerstraße“ (später „Mariahilfer Straße“ und „Museumsquartier“).

Ein Zug der Linie G2 auf der Rampe Getreidemarkt neben der Secession, Juni 1980. (Foto: W. Chmelar)

Die wieder nach oben führende Rampe begann am Getreidemarkt ungefähr in der Mitte zwischen Gauermanngasse und Makartgasse, die bis zur Operngasse reichte. Dort befand sich auch neben der Secession die nächste oberirdische Haltestelle „Operngasse-Secession“. Alle Haltestellen waren Kopf an Kopf versetzt angeordnet, um wie anfangs geplant, eine gefahrlose Querung der Geleise zu ermöglichen. Dies wurde aber nie umgesetzt.

Ein Zug der Linie H2 in der im Umbau befindlichen Haltestelle „Lerchenfelder Straße“. Die Stromschienen für die kommende U-Bahn sind bereits montiert, März 1980. (Foto: E. Lassbacher)

1978 begannen die Umbau- und Adaptierungsarbeiten für die U-Bahn. Am 27. Juni 1980 wurde schließlich der gesamte Straßenbahnverkehr durch den Tunnel und damit die Linien E2, G2 und H2 gänzlich eingestellt und Ende August 1980 die U2, die vom Schottenring bis zum Karlsplatz führte, eröffnet.

Rund 40 Jahre später stehen wir vor einer neuerlichen Anpassung und Modernisierung – die U2 wird in diesem Abschnitt zur vollautomatischen U5 umgebaut!