Von Brunnen, Töpfen und Mineralwasserflaschen

AutorInnen: Michael Schulz, Ingeborg Gaisbauer | Stand: 4.3. 2021

Das heutige Haus Josefstädter Straße 6 wurde 1885 als Neubau errichtet und ersetzte das Vorgängergebäude mit dem Hausnamen „Weißer Engel“. Im Zuge der Hausertüchtigungsmaßnahmen im Vorfeld der unterirdischen Vortriebe für die Verlängerung der U2 Richtung Süden wurden die Fundamente des Hauses abschnittsweise mit Beton unterfangen.
Unmittelbar unter dem Kellerboden bzw. den bestehenden Fundamentmauern wurden dabei zwei Brunneneinfassungen aufgedeckt.

Links: Der Vorgängerbau mit der Nr. 42 im kolorierten Stadtplan von Joseph Anton Nagel, um 1773. (© Österreichische Nationalbibliothek) Rechts: Lage der beiden Brunnen auf der heutigen Parzelle Josefstädter Straße 6. (Plangrundlage: Wiener Linien, Plan: Stadtarchäologie Wien)

Der archäologische Befund

Der erste Brunnen im Westen der Parzelle wurde etwa bis in eine Tiefe von 1,30 m freigelegt. Die Einfassung aus Mischmauerwerk hatte eine Stärke von ca. 0,35 m, welches aus Steinmaterial unterschiedlicher Größe und in Lagen von etwa 0,40 m Höhe errichtet worden war. Auszwickelungen sowie Ausbesserungen wurden aus Ziegeln und Ziegelbruch vorgenommen. Abgesehen von den ausgebesserten Stellen war keine Mörtelbindung erkennbar. Der Durchmesser des Brunnens lässt sich anhand der Krümmung auf rund 2,20 m schätzen. Die Brunnenverfüllung enthielt keinerlei Fundmaterial.

Brunnen 1 unterhalb der Fundamentmauern und Detailaufnahme der Brunneneinfassung. Blick Richtung Nordwesten. (Fotos: Stadtarchäologie Wien)

Etwas anders verhält es sich bei dem zweiten Brunnen im Norden der Parzelle. Die etwa 1,20 m hoch sichtbare Einfassung mit einer Stärke von 0,30 m bestand aus Bruchsteinmauerwerk. Das überwiegend grob bearbeitete Steinmaterial unterschiedlicher Größe zeigte keine Mörtelbindung. Der innere Durchmesser lässt sich wiederum auf rund 2,20 m rekonstruieren. Der Brunnen selbst war mit lockerer, sandig-lehmiger und aschiger Erde verfüllt, die mit Bauschutt und Abfall vermischt war.

Die in verschiedenen Betonierabschnitten aufgedeckten Teile von Brunnen 2: Links das Segment der Brunneneinfassung Richtung Südosten und rechts das Segment Richtung Nordosten. (Fotos: Stadtarchäologie Wien)

Dasselbe Material fand sich auch im Rest des Kellerraumes bis 0,50 m unter das ursprüngliche Kellerniveau angeschüttet.

Ensorgtes Gut

Wie schon an anderer Stelle berichtet, bergen die als Abfall zu bezeichnenden Objekte aus den Brunnenverfüllungen doch allerlei Informationen. So sind zu den Funden hier etwa ein gedrungener Topf glasierter Irdenware mit flachem Boden und Kragenrand zu zählen, der aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts stammt. Es handelt sich um einen so genannten Rutscher, dessen breiter Boden eine Reaktion auf die Einführung des Sparherds darstellt und für eine bessere Wärmeleitung sorgte. In und an dem Topf sind Reste blauer Farbe festzustellen, die entweder mit einer sekundären Verwendung (Farbe anrühren) oder mit der Lagerung zusammenhängen. Der Farbstoff ist trocken und pudrig und haftet zum Teil nur sehr locker an.
Ein Fragment eines sehr großen Nachttopfs mit einfach ausgebildetem Rand und Henkel ist als etwas älter anzusehen (Anfang/1. Hälfte 19. Jahrhundert).

„Rutscher“ und Nachttopf aus dem 19. Jahrhundert. (Fotos: Stadtarchäologie Wien)

Die geborgenen Mineralwasserflaschen enthielten ursprünglich Wasser aus Gießhübl-Sauerbrunn (Kyselka bei Karlsbad/Karlovy Vary, Tschechien). Sie lassen sich zeitlich durch die gerippten Hälse, die zum Anbringen eines Zinnverschlusses dienten, gut einordnen. Mit dieser Verschlussart ist ab 1870 zu rechnen, spätestens 1883 steigt der Abfüller Heinrich Mattoni auf Glasflaschen um, daraus ergibt sich ein Zeitfenster von 13 Jahren.

Die ursprünglich mit einem Zinnverschluss versehenen Mineralwasserflaschen des Abfüllers Mattoni mit dem Stempel „GISSHUBEL SAUERBRUNN“ (rechts unten). (Fotos: Stadtarchäologie Wien)

Beide Brunnen wurden wohl – wie auch die Funde aus Brunnen 2 nahelegen – beim Bau des bestehenden Gebäudes verfüllt und anschließend überbaut. Ab wann und wie lange sie vorher Wasser spendeten, lässt sich anhand der nur geringen Dokumentationstiefen nicht beantworten.