Adresse: Rennweg 16, Wien 3
Anlass: Um- und Neubau | Grabungsjahr: 2005
Zeitstellung: Urgeschichte, Römerzeit

Historischer Kontext

Geologisch gesehen liegt der Fundort auf der sog. Stadtterrasse, nicht allzu weit entfernt vom Wienfluss, kurz vor seiner Einmündung in die Donau. Erstmals nachweisbar sind in diesem Bereich Siedlungsaktivitäten der endneolithischen (spätkupferzeitlichen) Glockenbecherkultur als auch Bestattungen der Frühbronzezeit. In römischer Zeit ist hier der Westrand der Zivilsiedlung entlang des Rennwegs zu verorten, die im 2. Jahrhundert ihre größte Ausdehnung hatte.
Lange Zeit wurde das Gebiet vorwiegend landwirtschaftlich genutzt. Das Gebäude der Österreichischen Staatsdruckerei, in dessen ehemaligem Innenhof die Grabung durchgeführt wurde, entstand 1888–1892 nach Plänen von Heinrich Köchlin. Davor waren hier das Militärmehlmagazin (ab 1816) und das Militärverpflegsmagazin (ab 1877) eingerichtet.

Im Zentrum die Grabungsfläche im Bereich des nicht unterkellerten Innenhofs der ehemaligen Staatsdruckerei, deren am Rennweg liegender Trakt links oben zu sehen ist. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen

Überblicksplan mit den urgeschichtlichen Befunden der archäologischen Untersuchungen im Jahr 2005. (Plan: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)
Endneolithische Grube

Ein größeres, etwa 1,50 m eingetieftes Siedlungsobjekt endneolithischer Zeitstellung zeigte sich im Nordosten der Grabungsfläche. Dieser Erdkeller von unregelmäßiger Form mit flachem Boden und senkrechten Wänden sowie einem möglicherweise abgestuften Zugangsbereich im Südwesten war mit reichem Fundmaterial verfüllt.
Die Hinterlassenschaften sind der späten Glockenbecherkultur mit einer Datierung in das 24./23. Jahrhundert v. Chr. zuzuordnen. Das Fundmaterial setzt sich vorwiegend aus Gefäßkeramik wie Schalen und Tassen sowie Töpfen und amphorenartigen Gefäßen zusammen. Auch sehr viele, vom Fleischkonsum jener Zeit zeugende Tierreste wurden geborgen. Bemerkenswerterweise dominieren dabei die Überreste von Pferden, die sonst in Mitteleuropa nur sehr sporadisch im archäologischen Fundgut dieser Zeit aufscheinen. Letztendlich sind hier wohl Beziehungen zu osteuropäischen und kaukasischen steppennomadischen Kulturen zu vermuten, wo die Domestikation und Haltung von Pferden eine große Rolle gespielt hat.

Die endneolithische Grube mit stufenartiger Eingangssituation. Keramik der Glockenbecherkultur und Zähne des Unterkiefers von Pferden aus der Grubenverfüllung. (Fotos: Stadtarchäologie Wien)
Frühbronzezeitliche Gräber

Acht unterschiedlich tief gesetzte Grabgruben waren für frühbronzezeitliche Hockerbestattungen angelegt worden, die teilweise bereits antik beraubt oder durch neuzeitliche Mauern zerstört waren. Nur zwei Gräber blieben unberührt. Die Toten wurden in der Regel mit dem Kopf nach Süden und den angewinkelten Beinen Richtung Osten in die Grube gelegt (sog. Hockerstellung). Die erhaltenen Beigaben der weiblichen Bestattungen setzten sich aus Keramik und Bronzeschmuck zusammen, einem männlichen Toten wurden ein bronzener Dolch, ein Randleistenbeil und zwei Gewandnadeln mitgegeben. In zwei Fällen war auch ein Neugeborenes mitbestattet.
Sowohl die Bestattungsweise als auch die Beigaben weisen auf die frühbronzezeitliche Wieselburger Kultur und datieren ca. 2000 v. Chr.

Frühbronzezeitliche Männerbestattung mit Kopf im Süden, der unter anderem die zeittypische Waffenkombination Dolch und Beil aus Bronze mitgegeben wurde. Der bronzene Lockenring und der Doppelhenkelkrug stammen aus Frauengräbern. (Fotos: Stadtarchäologie Wien)
Römerzeitliche Siedlungsbefunde

In der Fläche wurden zwei Gebäudekomplexe angeschnitten, die sich durch Mauerausrisse, Fußbodenreste und Straßenschotterungen abzeichneten. Es handelt sich um die typischen langrechteckigen, zur Limesstraße (Rennweg) hin orientierten Streifenhäuser oder Komplexbauten mit anschließendem Werkstattbereich im Hinterhof. Die Grabungsfläche ist in den hinteren Gebäudeteilen zweier Parzellen zu verorten. Drei Bauphasen lassen sich anhand der besser erhaltenen Befunde im Westen unterscheiden.

Römische Streifenhäuser und Komplexbauten entlang des Rennwegs und Ziegeldepotfund im Umfeld der Grabung Rennweg 16. (Plan: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)
Überblicksplan mit den römerzeitlichen Befunden der archäologischen Untersuchungen im Jahr 2005. (Plan: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)

Bauphase 1 (ca. Ende 1. Jahrhundert bis 120 n. Chr.) – Nachweis einer translatio cadaveris?
Von dieser Phase zeugen ausgedehnte Grubenkomplexe bzw. Abhubflächen, die wohl zu einem noch kleineren Haus an der Limesstraße gehörten. Auffällig war, dass auf der westlichen Hausparzelle Überreste des frühbronzezeitlichen Gräberfeldes komplett fehlten. Dies ist wohl dahingehend zu deuten, dass, wie aus Schriftquellen bekannt, die römische bzw. romanisierte Bevölkerung einen respektvollen Umgang mit „alten“ Bestattungen pflegte. In diesem Fall stieß man wahrscheinlich unerwartet bei den Bauarbeiten auf Skelette, die, nach Einholung einer Genehmigung, entfernt werden mussten, um diesen locus religiosus in einen locus purus umzuwandeln, da ansonsten eine profane Nutzung nicht erlaubt gewesen wäre.

Fundmaterial aus den verfüllten Gruben: Denar des Hadrian (119–122 n. Chr.), zwei rhombische Siegelkapseln, Bildlampe mit bärtigem Silen, Würfel und Spielstein aus Bein. (Fotos: Stadtarchäologie Wien)

Bauphase 2 (ca. 120 bis 170/190 n. Chr.) – Errichtung einer Garküche
Für die bauliche Erweiterung der Westparzelle Richtung Süden wurden die Gruben mit mittelkaiserzeitlichem und auch vereinzelt latènezeitlichem Material verfüllt.
Es entstand ein Erdkeller (Tiefe 1,20 m), der wohl zur Vorratshaltung diente, mit einer Rampe, die noch weitere 0,80 m Richtung Kellermitte in die Tiefe führte. In der Nordwest-Ecke befand sich außerdem eine fast quadratische Latrine. Weiters zeigten sich Reste eines Lehmkuppelofens. Die gleich nördlich anschließende, von Bruchsteinmauern (zumindest im Fundamentbereich) umfasste, mit Mörtelestrich ausgestattete, 3 x mindestens 4 m große Räumlichkeit ist als Garküche anzusprechen. In ihr befand sich eine längsovale Feuergrube (2,25 x 0,25 m) mit starken Brandspuren im oberen Bereich, die auf Grilltätigkeiten hinweisen (Grillrost).

Befunde der Phase 2: Erdkeller mit Rampe und rechteckiger Latrine (?) links, Richtung Nordosten. Längsovale Feuergrube (Grillrost?), Richtung Norden. Runde Latrine (?) bei Gebäude 2, Richtung Süden. (Fotos: Stadtarchäologie Wien)

Der Ostparzelle ist eine kreisrunde Latrine zuzuordnen, die vorwiegend mit Ziegeleiabfall verfüllt war, darunter zahlreiche Fehlbrände von der Ziegelei des M. Antonius Tiberianus, die wohl in der Nähe zu vermuten ist. Möglicherweise diente die Garküche sogar als „Kantine“ der Ziegeleiarbeiter. Von Gebäude 2 zeigten sich nur mehr Hinweise auf einen großen hallenartigen Raum und auf eine überdachte Veranda als Westabschluss.

Bauphase 3 (ca. nach 170/190 n. Chr.) – Erweiterung und flankierende Wege
In Phase 3 wurden Keller und Latrinen mit mittelkaiserzeitlichem Material aufgefüllt und sodann das Gebäude der Westparzelle erweitert und flankierende Wege zwischen den Parzellen angelegt.

Keramik aus der Kellerverfüllung: Fragmente reliefierter Terra-Sigillata-Schüsseln (135–170 bzw. 120–140/145 n. Chr.) und Gebrauchskeramik des 2. Jahrhunderts. Rechts: Straßen-/Wegschotterung der Phase 3. (Fotos: Wien Museum, Stadtarchäologie Wien)

In der Grabungsfläche zeigten sich keinerlei spätrömische und mittelalterliche Baustrukturen.

Datum: 07.03. 2022 | Autoren: M. Mosser, M. Penz

Literatur (Auswahl)

⦁ Martin Mosser, Eine Translatio cadaveris in der Nachbarschaft des M. Antonius Tiberianus in Vindobona. In: Gerald Grabherr/Barbara Kainrath (Hrsg.), Akten des 11. Österreichischen Archäologentages in Innsbruck 23.–25. März 2006, Innbruck 2008, S. 183–194.
⦁ Martin Penz, Eine Siedlungsgrube der späten Glockenbecherkultur aus Wien 3, Rennweg 16 (Vorbericht). In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 13, 2010, S. 20–31. (PDF 3,78 MB)
⦁ Sigrid Czeika, Pferde aus der Jungsteinzeit. Endneolithische Tierreste vom Rennweg 16, Wien 3. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 13, 2010, S. 32–49. (PDF 3,49)