Datum: 08.06.2018 | Autor: Sabine Jäger-Wersonig, Christine Ranseder

Was ist Terra Sigillata?

Terra Sigillata ist eine hochwertige römische Keramik mit roter, glänzender Oberfläche. Die unverzierten oder mit Reliefbildern geschmückten Gefäße wurden in Großbetrieben als Massenware hergestellt. Ihre Formen und Größen sind genormt. Terra Sigillata wurde von der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis in das 5. Jahrhundert n. Chr. erzeugt.
Wie die Römer diese Keramik nannten, ist nicht bekannt. Der Begriff Terra Sigillata (lat. mit kleinen Figuren verzierte Erde) stammt aus dem 18. Jahrhundert.

Wie wurde Terra Sigillata hergestellt?

Die unverzierte Terra Sigillata wurde auf der Töpferscheibe frei gedreht.
Zur Herstellung der mit Reliefs verzierten Terra Sigillata mussten Formschüsseln angefertigt werden. Dazu drückte man mit Hilfe von Punzen Verzierungen in die Innenseite von Gefäßen aus noch weichem Ton. Danach wurden die Formschüsseln gebrannt.
Um ein Reliefgefäß anzufertigen, drehte ein Töpfer als Erstes einen Rohling. Dann zentrierte er eine Formschüssel auf der Töpferscheibe und setzte den zuvor geformten Rohling in sie hinein. Mit einem Werkzeug presste er das weiche Gefäß an die Wand der Formschüssel, sodass alle vertieften Motive vollständig ausgefüllt waren. Schließlich formte er den Rand. Da Ton beim Trocknen schrumpft, konnte das Gefäß nach einiger Zeit aus der Formschüssel gestürzt werden. Zuletzt wurde der Standring angesetzt oder aus dem dicken Boden herausgeschnitten.

In eine Formschüssel werden mit einer Punze Motive gedrückt. | Einsetzen des Rohlings in die Formschüssel. (Grafik: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Die lederharten Gefäße wurden in einen dünnflüssigen, feinen Brei aus eisenreichem Ton getaucht.
Der abschließende Brand erfolgte unter Zuführung von Sauerstoff bei einer Temperatur von 950°C in speziellen Töpferöfen.

Brennofen. (Grafik: Stadtarchäologie Wien/Gerhard Reichhalter)

Wo wurde Terra Sigillata erzeugt?

Terra Sigillata wurde nach Vindobona importiert.
Italienische Werkstätten begannen in den letzten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts v. Chr. mit der Herstellung von Terra Sigillata. Spitzenprodukte kamen vor allem aus den Töpfereien bei Arezzo in der Toskana und aus den Werkstätten in der Po-Ebene. Um 15 v. Chr. errichteten arretinische Töpfer eine Zweigstelle in Lyon.
Im ersten Jahrhundert n. Chr. entstanden Betriebe in Südgallien (Montans am Tarn, La Graufesenque, Banassac) und in Mittelgallien (Lezoux). Um die Wege zu den Absatzmärkten im Norden des Römischen Reiches zu verkürzen, wurden schließlich Töpfereien in Ost- und Nordgallien sowie den Rheinlanden errichtet.
Um die Mitte des 2. Jahrhunderts begann die Produktion von Terra Sigillata im germanischen Rheinzabern. Die große Nachfrage führte zur Gründung von weiteren Werkstätten in Westerndorf und Pfaffenhofen.

Die Standorte wichtiger Töpfereien, die Terra Sigillata herstellten. (Kartierung: Stadtarchäologie Wien)

Warum ist Terra Sigillata wichtig?

Terra Sigillata lässt sich gut datieren, weil ihre genormten Formen und Verzierungen wechselnden Moden unterworfen waren.
Die Hauptformen der Terra Sigillata wurden 1896 erstmals von Hans Dragendorff auf Typentafeln geordnet und mit Nummern versehen publiziert. Bis heute sind zahlreiche weitere, nach Forschern oder Fundorten benannte Typenkataloge veröffentlicht worden. ArchäologInnen verwenden diese international gültigen Verzeichnisse, um Funde zeitlich und geografisch einzuordnen.

Hans Dragendorff, Terra sigillata: ein Beitrag zur Geschichte der griechischen und römischen Keramik, Bonner Jahrbücher 96/97, Bonn 1895, Taf. II. | Ein Terra-Sigillata-Schälchen der Form Drag. 27 aus der Schützengasse 24. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Mit Terra Sigillata lassen sich die Absatzgebiete einzelner Töpfereien und Handelswege nachweisen.
Sowohl die Töpfer als auch die Hersteller der Formschüsseln stempelten die Produkte mit ihren Namen. ArchäologInnen können dank dieser Stempel Informationen zur Organisation des Betriebs, der Produktivität und dem Motivschatz einzelner Handwerker gewinnen.

Stempel of sabini. Töpfereiunternehmer mit unterschiedlichem Vertragsverhältnis verwendeten Stempel mit dem Zusatz of(ficina). (Foto: Stadtarchäologie Wien)
Stempel albini m. Eigenständige Töpfer zeichneten mit dem Zusatz m(anu). (Foto: Stadtarchäologie Wien)