Datum: 13.10.2016 | Autor: I. Gaisbauer
Fundort: Wien 1, Palais Porcia | Zeitstellung: Mittelalter
Sie sind eine nicht einmal so seltene mittelalterliche Eigenart: die Darstellung von Pferd und Reiter. Tatsächlich stellen sie auch in Wien eine bereits mehr als einmal ausgegrabene Ausprägung von figuraler Plastik des späten 13., 14. und 15. Jahrhunderts dar. Vom Erscheinungsbild sind sie einander grundsätzlich ähnlich. Die meist graue Oberfläche ist das Ergebnis von sauerstoffarmer Brennatmosphäre, gelegentlich finden sich auch glasierte Stücke. Einfach gestaltet, manchmal fast ein wenig „naiv“ in der Wirkung, werden diese Stücke gerne als Spielzeug interpretiert – zum Nachstellen und Nachspielen von ritterlichem Kampf und Wettkampf.
Der schlechte Erhaltungszustand von Pferd und Reiter lässt in den meisten Fällen einen etwas „Kopf- und Fußlosen“ Eindruck entstehen, oft genug ist das Objekt auf den Rumpf des Pferdes und eine Andeutung der Darstellung des Reiters reduziert. Auch von der (möglichen) Bewaffnung ist nichts mehr zu sehen, dafür ist die Form des Sattels meist noch gut zu erkennen. Nichtsdestotrotz lassen sich in manchen Fällen noch aufschlussreiche Details ausmachen.
Aus dem keramischen Fundmaterial des Palais Porcia im 1. Bezirk liegt ein Fragment eines Reiterfigürchens aus dem späten Mittelalter mit grau-rötlicher, unglasierter Oberfläche vor. Vom Pferd ist ein Teil des Rumpfes, der Ansatz des Halses und ein Vorderbein, das auf eine gespreizte Beinstellung schließen lässt, zu erkennen. Zumindest der hintere Teil des Sattels zeichnet sich durch einen hohen Sattelbogen aus, vom Reiter selbst ist ein Bein und der Ansatz des Oberkörpers erhalten.
Bei Ausgrabungen Am Hof im 1. Bezirk wurde ein reduzierend gebranntes und grün glasiertes Fragment eines ebenfalls spätmittelalterlichen Reiterfigürchens ausgegraben. Das Pferd selber ist hier sehr schlecht erhalten, der Sattel ist noch in Form eines sehr hohen vorderen Sattelbogens zu erkennen. Der Reiter war aus mehreren Teilen zusammengesetzt, sein Oberköper offenbar hohl und auch an der Innenseite glasiert. Bemerkenswert ist aber, dass die Beine des Reiters in einer auf den ersten Blick etwas unnatürlichen Haltung, besonders stark nach vorne – in Richtung des Pferdehalses – ausgestreckt, dargestellt wurden. Bei dem im Palais Porcia gefundenen Figürchen sind die Beine des Reiters nach unten ausgerichtet. Tatsächlich handelt es sich bei den nach vorne gestreckten Beinen aber um eine Haltung, die sich auf mittelalterlichen Darstellungen von Kampf- und Tournier-Szenen immer wieder findet. Gerade im dramatischsten Moment des Lanzenaufpralls oder auch im Kampfgetümmel wird durch diese Körperhaltung, die geänderte Gewichtsverteilung und Anspannung offenbar der Rückstoß gemildert und der Reiter konnte sich besser im Sattel halten. Da das unfreiwillige Absteigen im Kampfgetümmel die Überlebenschancen drastisch reduzierte, vermutlich eine gute reittechnische Strategie. Somit zeigt selbst dieses eher rudimentär erhaltene Spielzeugfigürchen im Detail einen recht drastischen Bezug zum Leben und Überleben in der Welt der Erwachsenen.