Datum: 28.08.2018 | Autor: Eleni Eleftheriadou
Fundort: Wien | Zeitstellung: Römisch

Als römische Feinkeramik wird eine Gefäßkeramik bezeichnet, die als Tafel-Trink-Serviergeschirr sowie für Aufbewahrung und Vorratshaltung verwendet wurde – es handelte sich also nicht um Kochgeschirr. Die geringe Wandstärke, die kleinen Dimensionen, der Überzug und ein sorgfältig aufbereiteter (geschlämmter) Ton sind Merkmale dieser Keramikart. Charakterisiert wird die römische Feinkeramik aber auch durch die Verzierungen, die auf der äußeren Oberfläche angebracht wurden, deren Motive nicht nur, aber auch in Zusammenhang mit der Trinkkultur an sich stehen können. Bei der Betrachtung dieser Gefäße wird auf jeden Fall das Bedürfnis der Konsumenten deutlich, auch im Alltag Schönes auf ihren Tischen oder in den Regalen, unter anderem auch als Ziergegenstände, zu haben. Mit Sicherheit wurden auch etliche Feinkeramik-Gefäße in rituellen, kultischen Zusammenhängen oder bei bestimmten festlichen Anlässen verwendet. Ein Teil dieser römischen Feinkeramik, die im Laufe der Jahrhunderte im ganzen römischen Reich mit verschiedenartigen Ver­zierungen versehen hergestellt wurde, ist bis heute erhalten.
Vier Verzierungsarten, die im Fundmaterial von Vindobona sowohl allein als auch in Kombination, vorwiegend vom 1. bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. vorkommen, sollen hier kurz präsentiert werden. Diese Verzierungen setzen Vorwissen sowie Erfahrung der Töpfer voraus und sind dadurch auch Zeugen einer etablierten und entwickelten Töpferei bzw. Handwerkskunst und materiellen Kultur der Region zu dieser Zeit.

Grießbewurf

Eine oft vorkommende, beliebte und verbreitete Verzierung auf römischer Feinware ist der Grießbewurf. Auf nahezu der ganzen Gefäßoberfläche wurden dabei Partikel meistens von Sand, getrocknetem Ton/ Lehm oder zerriebener Keramik aufgetragen, die sowohl fein als auch gröber sein können und entweder dicht oder locker aufgebracht wurden. Dies geschah meistens, solange das Gefäß in lederhartem Zustand war, noch vor der Engobierung. Es wird auch angenommen, dass diese Oberflächenbehandlung sowohl aus ästhetischen als auch aus praktischen Gründen, zur besseren Handhabung des Gefäßes, angewandt wurde. Vor allem bei Trinkgeschirr, wie den oxidierend gebrannten Bechern und Faltenbechern, kommt diese Verzierung sehr oft im Zusammenhang mit einem matten oder glänzenden Überzug vor, der orangefarben, rot oder braun sein kann. Eine Schulterrille markiert meistens den Anfang des Grießbewurfes, der dann das ganze übrige Gefäß bedeckt. Eine Unmenge derartiger Becher mit Grießbewurf, die hauptsächlich lokal/regional produziert worden sind, wurden im Gebiet des ehemaligen Vindobona ausgegraben. (Abb. 1, 2)

Abb. 1: Becher mit Grießbewurf; Wien 3, Rennweg 44, Zivilsiedlung. (Foto: Stadtarchäologie Wien/S. Czeika)
Abb. 2: Wandfragment eines Bechers mit schrägen Furchen und Grießbewurf; Wien 3, Rennweg 44, Zivilsiedlung. (Foto: Stadtarchäologie Wien/S. Czeika)

Barbotinedekor

Ebenso beliebt und daher auch so verbreitet wie der Grießbewurf auf römischer Feinware war der Barbotinedekor. Als Barbotine bezeichnet man die Technik des Auftragens von Keramikmasse auf eine ausgeformte, lederharte, aber noch nicht gebrannte Tonware. Diese Keramikmasse wurde mithilfe eines Spritzhörnchens aufgebracht. Es handelt sich dabei also um reliefartige Verzierungen auf Keramik, die mit weichem, fast flüssigem Ton freihändig aufgetragen wurden. Verschiedene Muster, sowohl aus der floralen/vegetabilen Welt als auch aus der Tierwelt aber auch alle möglichen Ornamente und Ziermuster wurden durch die Barbotine-Technik umgesetzt. Dieser Verzierungsdekor wurde auf unterschiedlichen Warenarten aufgebracht, wie Terra Sigillata, grauer Ware mit schwarzem Überzug (Fabrikat E), sog. rätischer Ware, Trierer Spruchbechern und engobierten Bechern wie z. B. den sog. Jagdbechern, um nur einige Beispiele zu nennen.
Der Barbotinedekor kommt, wie schon erwähnt, unter anderem auch auf grauer Ware mit schwarzem Überzug (Fabrikat E) vor. Es handelt sich hier um dünnwandige kleine Schälchen und Becher mit oder ohne Henkel, meistens mit einem glänzenden Überzug, die sehr oft ein sehr feines florales/vegetabiles Muster aus Barbotine tragen. Als Hauptherkunftsraum derartiger Gefäße gilt Norditalien, von wo sie nach Pannonien importiert wurden; es gibt aber auch lokale/regionale Imitationen. (Abb. 3, 4)

Abb. 3: Graue Ware mit schwarzem Überzug (Fabrikat E). Becher /Schale mit floralem/vegetabilem Babrotinedekor: Knospenranke, unterbrochen durch ein aus Punkten gefügtes, liegendes Dreieck, Abstraktion einer Traube; Wien 3, Rennweg 44, Zivilsiedlung. (Foto: Stadtarchäologie Wien/N. Piperakis)
Abb. 4: Graue Ware mit schwarzem Überzug (Fabrikat E). Schale mit floralem/ vegetabilem Barbotinedekor: Punkte in Form einer Punkttraube im Kombination mit Ranken; Wien 3, Rennweg 44, Zivilsiedlung. (Foto: Stadtarchäologie Wien/N. Piperakis)

Eine sehr verzierungsreiche Keramikgattung liegt in der sog. rätischen Ware vor, die im Westen, in Rätien, deshalb auch der Name, ihren Ursprung hat und später auch in unserer Region imitiert wurde. Sie wird durch geometrisch ausgeführte Verzierungsmuster charakterisiert, die vor allem aus geschlitzten Tonfäden, die durch Barbotinetonpunkte gegliedert werden, sowie torquesförmige Elementen/Hufeisen aus Barbotine, bestehen. Wir haben es hier dabei überwiegend mit oxidierend gebrannten bauchigen Bechern, Töpfen und Schüsseln mit Überzug, der auch metallisch glänzend sein kann, zu tun. Über den Ursprung und Sinn dieser reichlichen und einmaligen Verzierung auf römischer Keramik wird bis heute spekuliert. (Abb. 5, 6)

Abb. 5: Imitation sog. rätische Ware. Randfragment mit geschlitzten Tonfäden durch Barbotinetonpunkte gegliedert; Wien 3, Rennweg 44, Zivilsiedlung. (Foto: Stadtarchäologie Wien/N. Piperakis)
Abb. 6: Imitation sog. rätische Ware. Wandfragmente mit torquesförmigen Elementen/Hufeisen aus Barbotine im Kombination mit Kerbverzierung; Wien 3, Rennweg 44, Zivilsiedlung. (Foto: Stadtarchäologie Wien/N. Piperakis)

Eine beachtliche Gruppe von oxidierend und reduzierend gebrannten Bechern und Schüsseln, vor allem aus Vindobona, aber auch aus Carnuntum, tragen eine Verzierung, die aus tropfenförmigen Barbotineelementen besteht. Hier haben wir es mit einer ganz spezifischen lokalen/regionalen Gefäßkeramik zu tun, die mit tropfenförmigen Barbotineelementen sowohl flächig als auch in geometrischen Mustern verziert ist. Die musterförmige Anordnung zeigt stilisierte Trauben, ein sehr verbreitetes Ziermotiv, das vermutlich auf einen Zusammenhang mit der Trinkkultur bzw. Bacchus schließen lässt. Diese Gefäße zeigen deutlich, dass, aus welchen Gründen auch immer, die Konsumenten in einer gewissen Region bestimmte Verzierungsvorlieben entwickelt haben. (Abb. 7, 8)

Abb. 7: Wandfragment eines Bechers mit flächig aufgetragenem tropfenförmigem Barbotinedekor; Wien 1, Renngasse 9, Canabae. (Foto: Stadtarchäologie Wien/S. Czeika)
Abb. 8: Randfragment einer Schüssel mit musterförmiger Anordnung aus tropfenförmigen Barbotineelementen, die Abstraktion einer Traube, und Kerbverzierung; Wien 3, Rennweg 58, Zivilsiedlung. (Foto: Stadtarchäologie Wien/S. Czeika)

Besonders interessant und auffallend ist vor allem der Weißbarbotine-Dekor. Dieser findet sich sowohl auf der Trierer Spruchbecherkeramik – dünnwandige Trinkbecher mit schwarzem qualitätvollem, metallisch glänzendem Überzug und Trinkspruch – und auf Terra Sigillata, dem gehobenen, glänzend rot überzogenen Tafelgeschirr der Römer. Von beiden Warengruppen sind derartig verzierte Exemplare auch in Vindobona zu finden. (Abb. Nr. 9, 10)

Abb. 9: Terra Sigillata Wandfragment mit Weißbarbotine-Dekor; Legionslager. (Foto: Stadtarchäologie Wien/E. Eleftheriadou)
Abb. 10: Trierer Spruchbecher mit Weißbarbotine-Dekor; Wien 1, Albertina, Gräberfeld. (Foto: Stadtarchäologie Wien/R. L. Huber)

Kerbverzierung/Ratterdekor

Eine ebenfalls sehr verbreitete und beliebte Verzierung nicht nur auf Feinkeramik ist die Kerbverzierung. Eine Kerbe ist eine schmale, nach innen (unten) spitz zulaufende Vertiefung bzw. ein keilförmiger, natürlicher oder gemachter Einschnitt. Mit dem Kerbschnittmesser oder auch durch ein dafür angefertigtes Rädchen wird die Verzierung in die Gefäßoberfläche geschnitten. Die Kerbverzierung besteht dann aus einer Reihe von Kerben. Dieser Dekor kann einen großen Teil der Oberfläche flächig bedecken, meist aber haben wir es mit Kerbzonen zu tun, die aus mehreren horizontal umlaufenden Reihen von Kerben bestehen. Diese Verzierungstechnik kommt bei mehreren Keramikgattungen vor, wie z. B. bei der grauen Ware mit schwarzem Überzug (Fabrikat E), der sog. rätischen Ware oder auch Bechern/Schüsseln mit tropfenförmigem Barbotinedekor. Sie tritt also meistens entweder allein oder im Kombination mit Barbotinedekor auf. (Abb. 6, 8, 11, 12, 13)

Abb. 11: Graue Ware mit schwarzem Überzug (Fabrikat E). Henkelbecher mit Kerbverzierung; Wien 3, Rennweg 44, Zivilsiedlung. (Foto: Stadtarchäologie Wien/N. Piperakis)
Abb. 12: Import? sog. rätische Ware. Becher mit Kerbverzierung; Wien 3, Rennweg 44, Zivilsiedlung. (Foto: Stadtarchäologie Wien/N. Piperakis)
Abb. 13: Graue Ware mit schwarzem Überzug (Fabrikat E). Mehrere Fragmente mit Kerbverzierung; Wien 3, Rennweg 44, Zivilsiedlung. (Foto: Stadtarchäologie Wien/N. Piperakis)

Schräge Furchen

Auf ein paar Gefäßfragmenten, die in der Zivilsiedlung von Vindobona ausgegraben wurden, ist diese sehr spezifische und eher seltene Verzierung zu sehen. Der bauchige Körper der meist einhenkeligen Gefäße ist mit parallel gesetzten schrägen Furchen verziert, die vorwiegend von links oben nach rechts unten orientiert sind. Wie auch bei der Verzierungstechnik des Grießbewurfs markiert eine Schulterrille meistens den Anfang der schrägen Furchenverzierung. Sie wurden vermutlich mit einem Messer oder einem kantigen Holz erzeugt. Es handelt sich hier nicht nur um oberflächliche äußerliche Eintiefungen. Bei dieser Dekorationstechnik wurde oft auch die Gefäßwand leicht eingedrückt, was auch fast immer auf der Innenseite des Ge­fäßes sichtbar ist. Gefäße mit derartiger Verzierung kommen fast nur in Pannonien vor. Es handelt sich dabei überwiegend um oxidierend gebrannte, einhenkelige bauchige Becher/Krüge/Töpfe mit Überzug, der metallisch glänzend sein kann; öfters auch zusätzlich mit Grießbewurf. Ein Teil dieser Gefäße hat kleine Dimensionen und wurde in Gräbern gefunden, was für eine extra Anfertigung als Grabbeigabe spricht. Des Weiteren findet sich diese Verzierung nur noch auf schwarz engobierten bauchigen Bechern aus dem Westen. (Abb. 14, 2)

Abb. 14: Henkelkrug mit schrägen Furchen. Wien 23, Unterlaa, Umland von Vindobona. (Foto: Stadtarchäologie Wien/N. Piperakis)

Welche der aufgeführten Verzierungstechniken auch vorliegt, die wissenschaftliche Bearbeitung der Feinkeramik und ihres Dekors ist besonders wichtig, da sie auf ganz eigene Weise immer wieder neue Einblicke in die Alltagskultur einer bestimmten Region und deren Bewohner ermöglicht.