Datum: 28.11.2017 | Autor: Sabine Jäger-Wersonig
Fundort: Wien 3, Rennweg 52 | Zeitstellung: Römische Kaiserzeit, 1.–2. Jh. n. Chr.

Wie wünschte sich eine Frau oder ein Mann in der römischen Kaiserzeit im Spiegelbild zu sehen? Begehrenswert fühlte sich frau in dieser Zeit mit einem faltenfreien, makellosen, hellen möglichst weißen Teint. Nachgeholfen wurde mit einer Mischung aus Bleiweiß (cerussa) oder Kreide (creta), das mit einem Bindemittel vermischt, aufgetragen wurde. Die Herren durften durchaus gebräunt erscheinen. Die Augen sollten bei beiden Geschlechtern möglichst dunkel sein. Das erreichte man durch den ausgiebigen Gebrauch von Augenschminke, die aus verbrannten Pinien- oder Rosenblättern, Antimon (stibium) und einem Bindemittel bestand. Aufgetragen wurde die dunkle Farbe in Form eines Lidstrichs entlang des Ober- und Unterlids. Zusätzlich konnten die Augenbrauen betont werden.

Zum Auftragen all dieser Produkte war ein guter Spiegel unbedingt nötig. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Stadtarchäologie Wien in den letzten Jahren vermehrt auch Fragmente dieser Kategorie gefunden hat.

Zwei Spiegelgriffe und ein Spiegelfragment vom Rennweg 52, Wien 3.

Der römische Spiegel bestand aus einer Spiegelscheibe, die aus einer Bronze mit hohem Zinnanteil gegossen wurde. Glasspiegel sind in dieser Zeit nur sehr selten nachgewiesen. Danach überarbeitete und polierte man den Rohling auf einer Drehbank solange bis ein annähernd verzerrungsfreies Spiegelbild erreicht werden konnte. Der Griff wurde separat gegossen. In der römischen Kaiserzeit kennen wir zwei unterschiedliche Typen. Der eine ist schlaufenförmig und der andere, von dem am Rennweg 52 alleine zwei unterschiedliche Formen gefunden wurden, ist stabförmig. Griff und Scheibe wurden zum Schluss miteinander verlötet.

Spiegel, Kosmetik und Schmuck waren so bedeutende Instrumente in der weiblichen Welt, dass sie auch zu einem beliebten Genre auf Grabsteinen wurden. Auf den Nebenseiten von Grabmonumenten bildete man gerne eine weibliche Dienerin, die in der einen Hand ein Schmuck- oder Kosmetikkästchen und in der anderen den Spiegel trägt, ab. So ausgerüstet eilt sie zu ihrer Herrin zur Morgentoilette.