Hoch mit dem Straßenbelag!

AutorInnen: Christine Ranseder, Dimitrios Boulasikis, Ortrun Kögler, Ullrike Zeger | Stand: 25.9. 2024

Nicht nur archäologische Untersuchungen im Rahmen von Hausertüchtigungsmaßnahmen und einige großflächige Ausgrabungen beschäftigten bisher die Stadtarchäologie Wien während der historisch-archäologischen Betreuung des Projekts Linienkreuz U2/U5. Auch Baubeobachtungen von Flächen direkt unter Straßenzügen im Umfeld der neuen Trasse der U-Bahn-Linie 2 gehörten zu den Aufgaben. So wurden über mehrere Jahre hinweg nicht nur der Flächenaushub beim Bau des U-Bahn-Schachts in der Siebenbrunnengasse, Wien 5, sondern im Vorfeld auch die Einbautenumlegungen archäologisch begleitet.

Work in progress: Planierschichten, Mauerreste und moderne Einbauten zeigten sich unter dem Straßenbelag und erhielten Befundnummern. (Foto: Stadtarchäologie Wien / archnet)

Wasser aus sieben Brunnen, ein Bauernhof und die beginnende Urbanisierung

Das Gebiet um die Siebenbrunnengasse war bis in das 19. Jahrhundert landwirtschaftlich geprägt. Ab 1552/1553 wurde auf Geheiß von Kaiser Ferdinand I. die sog. Siebenbrunner Hofwasserleitung erbaut. Sie fasste das aus mehreren Quellen stammende, in sieben Brunnen in den Vorstädten Matzleinsdorf, Laurenzergrund, Hungelbrunn, Margareten, Hundsturm, Reinprechtsdorf und Nikolsdorf gesammelte Wasser zusammen und leitete es in die Innere Stadt. Hier wurden neben der Hofburg auch Adelspalais, Klöster, Kasernen und Verwaltungsgebäude mit dem kostbaren Nass versorgt. Im 19. Jahrhundert durfte schließlich auch das gemeine Volk Wasser über die Siebenbrunner Hofwasserleitung beziehen.

Ein erstes Gebäude an der Reinprechtsdorfer Straße, dessen zugehöriger Grund sich bis zur Siebenbrunnengasse erstreckte, ist erstmals auf den Stadtplänen von Joseph Daniel von Huber (1769−1774 aufgenommen, 1778 veröffentlicht ) und Joseph Anton Nagel (1770−1773 aufgenommen, 1780/81 veröffentlicht) dargestellt. Es handelte sich um einen dreiflügeligen Bau, den sog. Hühnerhof.

Der sog. Hühnerhof. Links: Ausschnitt aus dem Stadtplan von J. A. Nagel. (Wiener Stadt- und Landesarchiv) Rechts: Ausschnitt aus der Vogelschau von J. D. von Huber. Norden ist rechts. (Wien Museum)

Im 19. Jahrhundert wurde auf der Liegenschaft das Florianibad betrieben. In der Wiener Zeitung vom Mittwoch, dem 18. April 1827 bewarb es sein Pächter, Joseph Siegel, mit glühenden Worten: […] von diesem Tage an wird Jedermann zu jeder Tagesstunde mit warmen oder kalten Bädern, und nach Verlangen mit Zusätzen von Eisen, Schwefelleber, und Kräutern auf das prompteste bedient.

Man bekommt Mitleid mit dem Servicepersonal. Zur Wasserqualität äußerte er sich in seiner Aufzählung der Vorzüge des Florianibades folgendermaßen: Ist das Badewasser seiner Weichheit und Krystallenklarheit wegen zum Zwecke der Hautreinigung, so wie die Heilung so vieler Krankheiten, denen reinigende und erweichende Bäder zukommen, vorzüglich geeignet, welche Wahrheit auch eine zwölfjährige Erfahrung bey diesem Bade bestätigt.

Das Gebäude beherbergte nicht nur das Bad, sondern auch eine „Bewirtungsanstalt“, die Speisen und Getränke anbot. Hinzu kam der Garten, durch den Gäste spazieren durften. Ab 1872 standen im Hof Baracken zur Unterbringung von Obdachlosen, ehe das Gebäude schließlich 1887 abgerissen wurde. Auf einem Stadtplan aus diesem Jahr zeigt sich bereits die beginnende dichte Verbauung des Gebiets, die in den folgenden Jahrzehnten eine Fortsetzung fand.

Ausschnitt aus dem Stadtplan aus dem Jahr 1887. Der Pfeil verweist auf das ehemalige Florianibad. (Wiener Stadt- und Landesarchiv)

Ergebnisse der archäologischen Dokumentation

Links: Die Grabungsfläche in der Siebenbrunnengasse / Ecke Stöbergasse. Rechts: Mehrere Schichtpakete, darunter eine Brandschicht, zeigen sich im Profil. (Plan und Foto: Stadtarchäologie Wien / archnet)

Als ältester Befund konnte ein Teilstück eines aus Ziegeln gemauerten Versorgungs- oder Entsorgungskanals dokumentiert werden, der dem Verlauf der sog. Siebenbrunner Hofwasserleitung folgte.

Ein Teilstück eines Versorgungs- oder Entsorgungskanals im Verlauf der Siebenbrunner Hofwasserleitung. Die beiden Wangen bestehen aus Ziegelmauerwerk. (Foto: Stadtarchäologie Wien / archnet)

Weiters fanden sich ein an die Wasserleitung angebauter, winziger Raum, die Reste von Kellermauern, spärliche Mauerreste der Umfassungsmauer vom sog. Hühnerhof sowie ein Sammelkanal und Hauskanäle aus dem 19. Jahrhundert. Die Baubefunde waren bedeckt von Anschüttungen beziehungsweise einer humosen Kulturschicht und wurden zum Teil von Planierschichten geschnitten. Die Einebnung des Areals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts muss recht flott vonstattengegangen sein. Das verraten die Bruchstücke des jüngeren Tischgeschirrs, unter denen es Passscherben aus unterschiedlichen Planierschichten gibt.

Ein an den Versorgungs- oder Entsorgungskanal angebauter Raum mit einer Grundfläche von etwa 2 m2. (Foto: Stadtarchäologie Wien / archnet)
Entsorgungskanäle aus dem 19. Jahrhundert: links ein Sammelkanal, rechts ein Hauskanal. (Fotos: Stadtarchäologie Wien / archnet)