Ab in den Keller! Eine historisch-virtuelle Tour
Autorin: Heike Krause I Stand: 1. April 2021
Für den Bau der neuen U2-Station Pilgramgasse mit Umsteigemöglichkeit zur Linie U4 laufen vorbereitende Arbeiten schon seit Längerem. Wer die U4 regelmäßig nützt, dem wird es nicht entgangen sein. Über den im letzten Jahr in der Hofmühlgasse entdeckten linken Wienflusssammelkanal – besser bekannt als Cholerakanal – haben wir bereits berichtet.
Schon Ende Dezember 2019 kam es zum Abbruch des Hauses Hofmühlgasse 6/Mollardgasse 7, denn an dieser Stelle wird ein neuer U-Bahn-Zugang entstehen. Zuvor nahm die Stadtarchäologie Wien aber noch einen Lokalaugenschein des Hauses vor. Die Kellerräume wurden fotografiert, vermessen und 3D-gescannt. Ein virtueller Rundgang ist somit noch immer möglich. Werfen Sie doch am Ende selbst einen Blick in die Räumlichkeiten! Erst wollen wir aber die Geschichte des Hauses kurz Revue passieren lassen.
Drei Gebäude unter einem Dach
Bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts war das nördlich der einstigen Hofmühle am westlichen Ufer des Wienflusses gelegene, zu Gumpendorf gehörige Areal noch unbebaut. Es war lange Zeit Überschwemmungen ausgesetzt. Erst mit zunehmender Regulierung der Wasserläufe und der Errichtung von Abwasserkanälen konnten die hygienischen Bedingungen verbessert und die Hochwassergefahr eingedämmt werden. Die Eröffnung der Pilgrambrücke in Verlängerung der Hofmühlgasse verbesserte ab 1867 den Verkehrsfluss über den Wienfluss.
Das Haus Hofmühlgasse 6/Mollardgasse 7 wurde in drei Phasen errichtet. Schon 1856 entstand der östliche, zur Hofmühlgasse orientierte Teil. 1859 wurde das Haus nach Westen bis zur Ecke Mollardgasse erweitert. 1868 kam an dieser Gasse ein weiterer Trakt im Norden hinzu. Nun erhielt die Fassade des frühhistoristischen Zinshauses ein einheitliches Antlitz. Die Kellerräumlichkeiten waren in zwei separate Bereiche getrennt: Der Zugang zu den westlichen Räumen (Keller 1) war auf der Seite der Mollardgasse gelegen. Der andere Keller (Keller 2) war nur vom Hof aus begehbar.
Gugelhupfformen, Steinscheiben und ein Fluchtweg
In den Räumen von Keller 1 produzierte eine Bäckerei Brot, Gebäck und Mehlspeisen. Schon 1873 hoffte man mittels Inserat, einen Käufer für das Bäckergeschäft zu finden1. Dies ist anscheinend gelungen, denn 1877 wurde ein zweiter Backofen eingebaut. Die Arbeitsräume der Bäckerei im Keller wurden sogar erst 1966 gänzlich aufgelassen. Spuren dieses Ofens waren noch 2019 erkennbar. Und nicht nur das: Im deponierten Müll unter dem Treppenabgang fanden sich noch Gugelhupfformen und ein Mehlsieb.
Auch der zweite Keller bot Überraschungen. Seine wohl schon 1856 erbaute Ostmauer enthielt Spolien in Form von Steinscheiben, die zumeist fragmentiert erscheinen. Es handelte sich um wiederverwendetes Baumaterial, das einst eine andere Funktion hatte.
Könnten diese Scheiben Überreste von Säulen oder anderen Architekturelementen gewesen sein? An einigen von ihnen waren in der Mitte Löcher sichtbar, die auch an eine andere ursprüngliche Nutzung denken lassen. Handelte es sich vielleicht eher um kleine, beschädigte Schleifsteine? Dann könnte man mutmaßen, dass sie von der 1847 aufgelassenen Hofmühle stammen könnten. Nachweisbar ist dies aber nicht.
Die breite Vermauerung an derselben Kellermauer mit Gewölbeziegeln der Wienerberger Ziegelei ist nicht zu übersehen. An dieser Stelle wurde während des Zweiten Weltkriegs ein Durchgang zum Nachbarhaus als Fluchtweg zu einem Luftschutzraum geschaffen. Nach Kriegsende wurde dieser nicht mehr benötigt und wieder verschlossen.
Sie sind nun herzlich eingeladen, die Kellerräume selbst in einer virtuellen Tour ausgiebig zu entdecken. Viel Vergnügen!
Anmerkung:
- Neues Wiener Tagblatt, 24. Oktober 1873, S. 15 linke Spalte unten.