Datum: 16.02.2022 | Autorin: Ingeborg Gaisbauer
Fundort: Wien 1, Hanuschgasse 3 | Zeitstellung: 14./ 15. Jahrhundert

Bei dem sogenannten Herdring, bisweilen auch als „Glutring“ bezeichnet, handelt es sich um eine ringförmige keramische Massivform mit drei Standvorrichtungen. Als Funktion wird generell das darauf Abstellen von Kochgefäßen in direkter Nähe zu offenem Feuer, also vermutlich auf einem Tischherd, angesehen. Er wird also mit Hitzemanipulation und Kochvorgängen in Verbindung gebracht. 1

In den meisten Fällen liegen im spätmittelalterlichen Fundmaterial nur vereinzelte Bruchstücke dieser Form vor, ein weitgehend restaurierbarer „Herdring“ konnte bislang in Wien noch nicht geborgen werden. Ein Stück aus der Hanuschgasse 3 schafft nun Abhilfe.

Ein „Herdring“ des 14./15. Jahrhunderts

Die Fragmente eines „Herdrings“ konnten zu einer fast vollständigen Form – abzüglich einer der drei Standvorrichtungen – zusammengesetzt werden. Es handelt sich dabei um ein reduzierend gebranntes Objekt aus Irdenware von annähernd runder Form mit einem Durchmesser von ca. 20 cm.

Die Standvorrichtungen sind als drei gerade „Füße“ ausgebildet, an denen innen Verstärkungen ansetzen, um auf/in dem Ring abgestellten Objekten mehr Halt zu geben. Der massive Ring selbst zeigt eine Profilierung durch einen Grat an der Oberseite bzw. durch zwei Rillen, die eine Gratbildung zur Folge haben.

Der „Herdring“ aus der Hanuschgasse 3, Wien 1. (Foto, Zeichnung: Stadtarchäologie Wien/Ch. Ranseder)

Die Datierung einer solchen Form anhand typologischer Merkmale ist so wenig möglich wie bei anderen rein funktional orientierten keramischen Objekten – man nehme hier als Beispiel nur Schmelztiegel, die vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert keiner wesentlichen Veränderung unterworfen sind.

Der vorliegende Fundkomplex kann ins 14./15. Jahrhundert datiert werden, damit dürfte dieser „Herdring“ etwas älter sein als ein ebenfalls gut erhaltenes Fragment eines solchen aus der Grabung Gudrunstraße, „Projekt Hauptbahnhof“, welches eher dem 15. bzw. dem beginnenden 16. Jahrhundert zuzuordnen sein dürfte. 2

Fragment eines „Herdrings“ aus der Grabung Gudrunstraße, Wien 10. (Foto, Zeichnung: Stadtarchäologie Wien/Ch. Ranseder, U. Eisenmenger-Klug)

Die annähernd trianguläre Form dieses jüngeren und deutlich größeren „Herdrings“ hat vermutlich nichts mit der zeitlichen Einordnung zu tun, sondern eher mit der speziellen funktionalen Ausrichtung sowie Größe und Form der damit in Kombination verwendeten Gefäße.

Überlegungen zur Funktion

Wie schon angedeutet, werden „Herdringe“ mit Kochvorgängen und der Nutzung auf dem Tischherd des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit in Verbindung gebracht. In solchen Fällen empfiehlt es sich, vor allem angesichts von einem bzw. zwei besser erhaltenen Exemplaren, die Nutzungsspuren an den „Herdringen“ einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

Der „Herdring“ aus der Grabung in der Gudrunstraße, das jüngere Exemplar, zeigt wenig bis keine Verfärbungen, die überhaupt auf die Nutzung hindeuten könnten. Bei jenem aus der Hanuschgasse 3 zeigt sich ein anderes, im Licht der Ansprache durchaus interessantes Bild.

Der Herdring vom Frankhplatz, Wien 9. (Foto: Stadtarchäologie Wien/I. Gaisbauer)

An den Standvorrichtungen selbst finden sich keine deutlichen Spuren von einer Verwendung im Zusammenhang mit offenem Feuer, ebensowenig an der Unterseite des Rings. Eine explizite Verfärbung zeigt sich lediglich an der Oberseite bzw. auch noch an der oberen Innenseite des massiven Teils, die nicht produktionsbedingt und primär, sondern nutzungsbedingt und sekundär sein dürfte. Ähnliches kann man auch bei schlechter erhaltenen Fragmenten, wie einem Teil eines „Herdrings“ vom Frankhplatz aus einem Fundkomplex mit der Datierung 15./Anfang 16. Jahrhundert, beobachten, der lediglich schwache Verfärbungen an der oberen Innenseite zeigt, sowie bei einem weiteren Stück aus Wien aus dem 15. Jahrhundert, das − soweit am Foto überhaupt erkennbar − keine wahrnehmbaren „Schmauchungen“ aufweist. 3

Eine frühneuzeitliche Dreifußpfanne mit Nutzungsspuren. (Foto: Stadtarchäologie Wien/I. Gaisbauer)

Ganz grundsätzlich erweckt also keines dieser Stücke den Eindruck, direkt am Herd bzw. am oder im Feuer verwendet worden zu sein. Unzweifelhafte Spuren einer solchen Verwendung zeigen sehr oft die Füße und Böden von Dreifußpfannen, bei denen die spezielle Form tatsächlich dazu geschaffen worden zu sein scheint, um mit offenem Feuer im direkten Kochvorgang konfrontiert zu werden.

Anders beim „Herdring“: Zeigt er überhaupt Spuren, so sieht es fast eher so aus, als hätte die deutlichste Hitzeeinwirkung an der Oberseite und der oberen Innenseite stattgefunden.

Dazu kommt, dass sich in unseren Breiten keine Töpfe ohne Standfläche finden, die grundsätzlich eines solchen Dreifußes bedürfen würden, um überhaupt auf den Tischherd platziert werden zu können. Weiters stellte der „Herdring“, im Vergleich zu den großen Mengen „banaler“ Kochtöpfe des späten Mittelalters, ein eher seltenes Objekt dar, kann also schon auf Grund des ungleichen Zahlenverhältnisses nicht für die ganz gebräuchlichen Küchenstrategien verwendet worden sein.

Geht man davon aus, dass der Ring nicht direkt am offenen Feuer in Verwendung kam, stellt sich die Frage, ob es sich dabei nicht eher um einen Behelf zum Abkühlen, zum „Abstellen“ heißer Gefäße gehandelt haben könnte, möglicherweise im Zusammenhang mit dem Kochen von Gerichten, die einen solchen – vielleicht auch wiederholten – Abkühlprozess benötigten. Eine andere Möglichkeit wäre das Servieren heißer Speisen bei Tisch. In diesem Fall könnte man den Topf, zentral und für alle gut erreichbar, in dem Ring platzieren. Das direkte Essen aus Töpfen, durchaus auch im Kollektiv, ist bis weit in die Neuzeit hinein belegt, kann also auch im Mittelalter durchaus angenommen werden.

Genauso gut ist eine ganz andere Verwendung als im Zusammenhang mit Speisenzubereitung möglich. Es ist auch nicht auszuschließen, dass in den zugehörigen Gefäßen andere Substanzen, die eher dem Betätigungsfeld des Alchemisten oder Apothekers zuzurechnen sind, hergestellt wurden.

Die wesentliche Frage lautet also: Spricht die Zuordnung zu Befunden, soweit sich das feststellen lässt, für einen Einsatz im häuslichen Milieu oder nicht und was lässt sich möglicherweise aus Bildquellen schließen?

Befunde und Bildquellen

„Herdringe“ fanden sich bislang nur stark zerscherbt und zumeist deutlich verlagert in einer stratigraphischen Position wieder, die nichts über ihre einstmalige Nutzung aussagt − eine Eigenschaft, die sie durchaus mit Schmelztiegeln und Alembikfragmenten teilen. Auch das Exemplar aus der Hanuschgasse 3 ist mit vermutlich mehr als einmal verlagerten Fragmenten von Töpfen vergesellschaftet, lediglich das Fragment eines Flachdeckels weist einen ähnlich guten Erhaltungszustand auf.

In Wien ist bislang kein „rein alchemistisches Material“ oder die Ausstattung einer spätmittelalterlichen Apotheke ausgegraben worden. Das keramische Fundmaterial des Alchemistenlaboratoriums von Oberstockstall in Niederösterreich enthält allerdings auch keine Fragmente von keramischen Dreifüßen.

Was Bildquellen anbelangt, so finden sich auf den gut bekannten Darstellungen von Küchenszenarien, zum Beispiel im Fall des oft zitierten Schottenmeister-Altars, keine Wiedergaben von Töpfen, die mittels „Herdring“ auf dem Tischherd platziert wurden. In alchemistischen Zusammenhängen oder Darstellungen von Apothekenszenarien werden zwar gelegentlich Dreifüße gezeigt, diese dürften allerdings eher aus Metall gewesen sein. Das gilt auch für spätere Inventarabbildungen mit ähnlichem Inhalt.

Leider wird man mit demselben Problem auch bei den Darstellungen von Haushaltsinventaren in zumindest akzeptablem chronologischen Naheverhältnis zu dem Stück aus der Hanuschgasse 3 konfrontiert. Hier ist weder die Größe des abgebildeten Objekts zu schätzen, noch das Material, aus dem es hergestellt worden ist.

Schlussendlich muss aber auch die Prävalenz von vermutlich metallenen Dreibeinringen auf Abbildungen nichts darüber aussagen, ob nicht oft genug für vergleichbare Prozesse einfach die billigere keramische Variante Verwendung gefunden haben könnte.

Zusammenfassung

In der Literatur bislang als Artefakt zur Verwendung auf dem Herd angesprochen, könnte es sich bei spätmittelalterlichen/frühneuzeitlichen keramischen ringförmigen Vorrichtungen mit drei Beinen durchaus um Objekte mit einer etwas anderen Verwendung handeln. Die Nutzungsspuren machen einen Einsatz abseits des Herdes, aber in direktem Kontakt mit stark erhitzten Objekten, die darauf/darin abgestellt/eingehängt wurden, recht plausibel.

Der Mangel an klaren Befund-Fund-Zusammenhängen ist in diesem Fall eindeutig durch den Forschungsstand bedingt. Die Tatsache, dass sich auf Abbildungen in den meisten Fällen Dreifußringe aus Metall finden dürften, spricht noch nicht gegen den Einsatz einer „billigeren“ keramischen Variante.

Die geringe Zahl der entsprechenden Fragmente lässt diese Form mit unklarer Funktion auch in Publikationen mit hohem Anteil an Material nicht unbedingt prominent aufscheinen und wenn doch, werden sie ebenso oft der Kategorie „Speisenzubereitung am Herd“, wie auch einer nicht genauer definierten „technischen“ Funktion zugeordnet. 4

 

  1. Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich. Fundberichte aus Österreich, Materialhefte Reihe A, Sonderheft 12, Wien 2010, S. 83, Abb. 342.
  2. Martin Mosser/Ingeborg Gaisbauer/Sigrid Czeika/Sabine Jäger-Wersonig, „… es ist ser ibler weg gewest …“. Alte Wegeverbindungen südlich von Wien. In: Ingeborg Gaisbauer/Martin Mosser (Bearb.), Straßen und Plätze. Ein archäologisch-historischer Streifzug. Monografien der Stadtarchäologie Wien 7, Wien 2013, Taf. 3 KE37.
  3. Sabine Felgenhauer-Schmiedt, Katalog. In: Keramische Bodenfunde aus Wien. Mittelalter – Neuzeit. Katalog Museen der Stadt Wien, Wien o. J., S. 80, Kat.-Nr. 99.
  4. Ralf Kluttig-Altmann, Von der Drehscheibe bis zum Scherbenhaufen. Leipziger Keramik des 14.−18. Jahrhunderts im Spannungsfeld von Herstellung, Gebrauch und Entsorgung, Dissertation Bamberg 2005, S. 153 G5/20.