Datum: 07.03.2019 | Autorin: Heike Krause
Das Areal der archäologisch untersuchten Fläche in der Hernalser Hauptstraße 59–63 geht auf vier Grundstücke zurück. Diese entsprechen im Franziszeischen Katasterplan von 1819 den Bauparzellen 26 bis 29.
Das Wohngebäude befand sich jeweils an der Straße, daran schloss sich rückseitig je ein Hof mit langgestreckten Nebentrakten an. Dahinter folgten wiederum dazugehörige Grundparzellen, die dem Wein- bzw. Obstanbau dienten.
Die Häuser gehörten zu verschiedenen Grundherrschaften. Wie weit zurück die Besitzer der Häuser ermittelbar sind, hängt von den erhaltenen Grundbüchern ab. Die alten Häuser wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert bzw. nach 1900 abgebrochen und überwiegend durch Neubauten ersetzt, wobei die Baulinie nach Süden zurückversetzt wurde.
Hernalser Hauptstraße 63 (ursprünglich Bauparzelle 29)
Das Haus Nr. 63 gehörte zur Grundherrschaft von St. Peter/Salzburg in Dornbach. Erster fassbarer Besitzer vor 1439 waren der Fleischhauer Paul Wetzinger und seine Frau, die das Haus um 24 Pfund Pfennig erwarben. Von 1443 bis 1624 wechselte die Behausung mindestens siebenmal den Eigentümer, wobei uns deren Berufe nicht bekannt sind. 1639 nannte der Brotsitzer (Brotverkäufer) zu Wien Hans Mayr das Haus sein Eigen. Ihm folgte 1649 der Bindermeister Georg Hoffer, „Inwohner“ von St. Ulrich in Neubau, nach. Noch im selben Jahr kam das Haus an Marx Rauch, Kammerdiener der Kaiserin Maria Leopoldine (1632–1649), und seine Frau. Wiederum ein Jahr später waren der kaiserliche Notist und Ingrossist (Amtsschreiber) Georg Mosser nebst Frau Eigentümer der Behausung. 1677 erwarb diese der salzburgische Richter in Hernals, Blasius Gratz. Bis 1702 sind drei weitere Besitzerwechsel zu verzeichnen. Als 1694 Michael und Maria Orthner das Haus kauften, wurde im Grundbuch angeführt, dass es im Türkenkrieg 1683 „totaliter ruiniert und eingeäschert“ und danach Elias Preiner zur Wiedererrichtung um 8 Gulden überlassen worden sei. Dieser verkaufte es an jene um 180 Gulden weiter. 1819 war das Haus im Besitz der Hauerin Theresia Dunklin, verehelichte Madl. Der österreichische Dichter Ferdinand Sauter lebte zeitweilig im zweiten Stock dieses Hauses. Er starb 1854 im Alter von 50 Jahren an der Cholera. Das Haus war zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch das einzige in der Reihe, das vor die zurückgezogene Baulinie der Straße sprang. Im Generalstadtplan von 1912 ist es nicht mehr verzeichnet. Das Gebäude wurde abgebrochen und das Gelände blieb als Baugrund des Militär-Ärars vorerst unbebaut.
Die archäologischen Ergebnisse bestätigen die Nutzung dieser Parzelle seit dem späten Mittelalter. Im Hofbereich wurden eine mit spätmittelalterlicher Keramik verfüllte Latrine sowie mehre Gruben freigelegt. Die frühneuzeitliche Bautätigkeit bezeugen die Reste von zwei Kellerräumen.
Hernalser Hauptstraße 61 (ursprünglich Bauparzelle 28)
Die ersten ermittelbaren Eigentümer des Hauses Nr. 61 waren Caspar und Dorothea Stainmassl. Von ihnen übernahmen 1582 Stephan und Anna Wasserperger das Haus. 1587 kaufte es Ferdinand Geyer von Osterburg, von ihm ging es 1593 an Wolfgang Jörger, der es im selben Jahr an den Wiener Hofjuden „Wenndl“ veräußerte. Hofjuden waren jüdische Kaufleute, die Fürsten und in diesem Fall den Habsburgern aufgrund ihrer weitreichenden Verbindungen Kredite besorgten und im Gegenzug dafür gewisse Privilegien erhielten. 1608 erwarben Valtan und Afra Lininger die Behausung für 125 Gulden. Valtan verließ „heimlicherweise“ seine Frau, die daraufhin 1611 das Haus verkaufte. 1647 kam das als „abgeödet“ und verschuldet bezeichnete Haus um 150 Gulden an den Bürger und Hofschlosser Lienhart Rigl und seine Frau. Vier Jahre später kostete es 500 Gulden, was auf entsprechende, den Wert erhöhende Bautätigkeiten zurückzuführen sein könnte. 1661 hatte ein Fleischhauer, 1665 ein kaiserlicher Hufschmied das Haus inne. Als der Zimmermann Matthias Ländl, der wie die zwei zuvor genannten Handwerker Wiener Bürger war, das Haus 1695 kaufte, wurde im Grundbuch vermerkt, dass es 1683 gänzlich ruiniert worden sei und bis dahin öde war. Im Parzellenprotokoll zum Franziszeischen Kataster von 1819 ist als Eigentümerin die Anstreicherwitwe Anna Höllerin eingetragen. Als letzter Eigentümer des Hauses, bevor es in ärarischen Besitz kam, ist um 1900 Heinrich Jelinek fassbar. Auf dieser Parzelle entstand wenige Jahre danach ein Zinshaus des Militär-Ärars, d. h. es stand auf einer staatlichen Liegenschaft.
Im Hofbereich unmittelbar südlich der Mauer des inzwischen abgebrochenen Hauses wurden während der Ausgrabungen Reste zweier frühneuzeitlicher Kellerräume sowie Gruben entdeckt, die mit spätmittelalterlicher Keramik verfüllt waren und damit Vorgängerbauten zuzuweisen sind.
Hernalser Hauptstraße 59 und 57 (ursprünglich Bauparzellen 27 und 26)
Das Haus Hernalser Hauptstraße 59 (Bauparzelle 27) gehörte, wie auch das Nachbarhaus Nr. 61, herrschaftlich dem Pfarrer zu Hernals, danach den Jörgern und später dem Domkapitel. Als erste nachweisbare Eigentümer sind in den 1570er Jahren Paul und Barbara Heupl fassbar. Von 1593 bis 1625 war es in der Hand der Jörger. Seit 1626 besaß es die Gemeinde zu Hernals. Das Gebäude wurde als Gemeindehaus genutzt, 1819 war dies noch immer der Fall. Auch dieses Haus dürfte durch die Zweite Türkenbelagerung von 1683 in Mitleidenschaft gezogen worden sein.
Auf dieser Parzelle waren durch die Ausgrabung nur zwei parallel verlaufende, frühneuzeitliche Mauerzüge eines einstigen Kellers dokumentiert worden.
Nach dem 1881 erfolgten Erwerb des Hauses von Wilhelm Tauber und Hermann Fuchs durch das „Officierstöchter-Erziehungs-Institut“ entstand um 1900 ein Wohn- und Krankenunterkunftsgebäude, das sich auch über die Parzelle Hernalser Hauptstraße 57/59 erstreckte. 1888 wurde bereits im Süden des Grundstücks eine Institutskapelle errichtet.
Das Haus Hernalser Hauptstraße 57/59 (Bauparzelle 26), in dem keine archäologischen Befunde aufgedeckt wurden, gehörte bis 1774 zur Grundherrschaft des Augustiner-Chorherrenstifts St. Dorothea in Wien, danach zu der des Wiener Domkapitels. Erste Besitzer, die Grunddienst an das Stift abzugeben hatten, werden 1455, 1479 und 1489 im Grundbuch genannt. 1497 kauften Ulrich Stopl, Kammerschreiber in Österreich, und seine Frau Margaretha das Haus, zu dem auch die Hofstatt mit daran gelegenem Weingarten gehörte. Über Schäden im Zuge der Ersten Türkenbelagerung ist nichts bekannt. 1532 erbten das Haus Hans Meminger und sein Bruder, die dieses bereits im folgenden Jahr veräußerten. Zwischen 1533 und 1651 wechselte es siebenmal den Eigentümer. Dann kaufte es Konrad Khreußl, Doktor und Professor der Philosophie und Medizin in Wien. In der Folge gelangte das Haus mehrfach in verschiedene Hände. Die Gewährausstellung für den kaiserlichen Kammerdiener Johann Georg Orthner im Jahr 1685 erfolgte für das „von den Türken abgebrannte Haus“. Das Gebäude samt Grundstück hatte mehr als die Hälfte seines Wertes verloren. Als es 1688 Wolf Ignatius Freiherr von Risenfels erwarb, zahlte er jedoch das 4,75-fache. Daraus lässt sich schließen, dass es einen zwischenzeitlichen Wiederaufbau gegeben haben muss. 1698 und 1701 folgten zwei Grafen als Eigentümer nach. 1717 wurde das Haus „Zum grünen Tor“ genannt. Das Parzellenprotokoll des Franziszeischen Katasters von 1819 verzeichnet die Hauerwitwe Theresia Grätzlin als Eigentümerin. 1881 wurde das Haus sowie das westlich von jenem gelegene Haus Nr. 59 für die Erweiterung des seit 1786 in Hernals ansässigen „Officierstöchter-Erziehungs-Instituts“ erworben, abgebrochen und die Parzellengrenze zwischen den Häusern aufgehoben.
Verwendete Archivalien und Literatur:
- MA 37-Baupolizei – Gebietsgruppe West, 17. Bezirk, KG Hernals (01402), EZ 1408.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv; Franziszeischer Kataster, B 1 – Parzellenprotokoll: 22 – Hernals.
- W. Lugsch, Beiträge zur Ortsgeschichte von Hernals (1680–1820). Dissertation Universität Wien 1953.
- B. Schreiber, Besitzstrukturen von Hernals. Beiträge zur Siedlungs-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des ehemaligen Wiener Vorortes zwischen 1450 und 1700, 2 Bände. Dissertation Universität Wien 1975.