Stand: April 2020 | Autorin: Sylvia Sakl-Oberthaler

Lediglich vier Fragmente können bisher der Gruppe der spätrömischen nordafrikanischen Lampen zugeordnet werden. Damit ist dieser Typus in Vindobona als selten zu bezeichnen.

Dieser Typus einer modelgeformten Bildlampe wurde im 4. Jahrhundert n. Chr.1 von nordafrikanischen Töpfern in der Provinz Africa Proconsularis (im heutigen Tunesien sowie Teilen von Algerien und Libyen) geschaffen und fand v. a. in Italien großen Anklang. Nördlich der Alpen ist er seltener vertreten.2 Mehrere Forscher nahmen formale Einteilungen des Typus vor, gebräuchlich sind v. a. die Typologien von Gerhard Pohl, Jan Willem Salomonsen und John W. Hayes.3 Die Lampen sind grundsätzlich eiförmig und mit einer gerundeten Schnauze und einem nach oben ragenden, zapfenförmigen, teils gelochten Griff versehen. Ornamentale Verzierungen in Form von Palmblättern, Fischgrätmustern oder gestempelten Bändern finden sich auf der Schulter, die beim früheren Typ gerundet, bei der späteren Variante flach ist, und auf dem kleinen, kreisrunden Spiegel, der sich zur Schnauze hin kanalartig öffnet. Als Spiegelmotive kommen Tierfiguren, Rosetten, aber auch christliche Symbole vor. Der Boden zeigt einen flachen – teils zur Schnauze hin geöffneten – Standring, der mit Blattmotiven oder Buchstaben verziert sein kann. In Anlehnung an die importierten Produkte entstanden bald auch lokale Nachahmungen in Werkstätten in Italien, Gallien und auch im Rheinland.4 Die importierten Stücke wurden gleichzeitig mit der spätrömischen Terra Sigillata Chiara (African Red Slip Ware) hergestellt und ähneln ihr auch in der Scherbenqualität. In den Donauprovinzen sind diese Lampen ebenfalls vertreten, so in Carnuntum, in Lauriacum und an anderen Fundorten.5

POHL Typus 2/HAYES Typus I (MV 8311, MV 8578, MV 8308, FN 193)

In Vindobona fanden sich, wie schon erwähnt, bisher vier Fragmente solcher Lampen. Sie alle gehören zur chronologisch älteren Gruppe der sog. Palmwedellampen.6 MV 8308 trägt auf der gerundeten Schulter ein Ornamentband aus aneinandergereihten Voluten („Laufender Hund“). Dieser Dekor ist seltener vertreten als das Fischgrät- und das Palmwedelmotiv.7 Das Spiegelmotiv dieser Lampe ist ein stilisiertes nach links schreitendes Tier. Die Lampenfragmente MV 8308 und MV 8578 sind aufgrund ihrer Scherbenqualität (feiner, roter Ton mit dünnem, gleichfarbigem „slip“) wahrscheinlich als Importe zu bezeichnen. MV 8311, aus gelblichem Ton mit bräunlicher Engobe und Fischgrätornament, erinnert an die von Eva Alram-Stern beschriebenen Stücke, die sie in Carnuntum als provinzielle Erzeugnisse einstuft.8

Beim Lampenfragment FN 193 handelt es sich um ein Segment der Deckplatte, konkret ist der vordere Teil der Schnauze mit Dochtloch und Füllloch erhalten. Außer dem stilisierten Palmblattmotiv auf der Schulter ist ein nach links (in Richtung Griff, wie schon bei MV 8308) laufendes Tier zu erkennen. Das Stück trägt einen Überzug über einem feinen braunroten Scherben.

Drei Fragmente wurden 1949 – wenn auch ohne Schichtdatierung – im Bereich des scamnum tribunorum, in der praetentura des Legionslagers östlich der via praetoria9 geborgen. Dies überrascht nicht, denn die spätesten Phasen römischer Besiedelung (bis in die 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts) sind beinahe ausschließlich im Bereich des spätrömischen Lagers fassbar.10 Das vierte Lampenbruchstück (FN 193) wurde 1994 ebenfalls im Legionslager aufgefunden, diesmal im Innenhof des principia-Gebäudes11. Auch dieses Stück ist unstratifiziert.

  1. Datierungsansätze: Salomonson 1969, 2. Viertel–4. Viertel 4. .Jh.; Hayes: Beginn im frühen 4. Jh. bis frühes 5. Jh; Beispiele bei Iványi: spätes 4. Jh.; Bailey 1980, 384: 4. Viertel 4. Jh./1. Hälfte 5. Jh.; Goethert 1993 (Trierer Importlampen): 2. Hälfte 4. Jh.
  2. Zusammenstellung bei Leibundgut 1977, 55.
  3. Pohl 1962; Salomonsen 1969; Hayes 1972, 310–315. V. a. im mediterranen Raum gebräuchlich ist auch die Typologie von Anselmino/Pavolini 1981. Der Typus „Atlante VIII“ entspricht dabei dem Typus Pohl 2/Hayes I.; „Atlante X „ entspricht dem Typus Pohl 1/Hayes II.
  4. Leibundgut 1977, 54 ff. Form XXXVII–XXXVIII; Bailey 1980, 383 ff. Typ S; Goethert 1993, 223 zu den gallischen Imitationen; Goethert 1997, 164–167. In Trier wurden die chronologisch jüngeren Lampen mit Schulterverzierungen in Form von eingestempelten Ornamentbändern lokal imitiert, wie Funde von Modeln und sog. Zwischemodellen anschaulich beweisen, Goethert 1997, 168–181.
  5. Iványi 1935, 14 f. Typus XII; 105 Kat.-Nr. 970–981 Taf. XXXIX 1–9; Südpannonien: Vikić 1971, 128; Carnuntum: Alram-Stern 1989, 51 f. Kat.-Nr. 572–581; Boulasikis/Lamm/Seidel/Stökl 2013, 145; 148 (L2, L10, L12, L14, L17, L23, L L32, L33, L47) Taf. LXXXVI L2.L10.L12.L33; Lauriacum: Deringer 1965, 55 Kat.-Nr. 344; 345; 347, alle Taf. VII und Abb. 34. Zur Verbreitung nordafrikanischer Lampen in den spätrömischen zentralen und südlichen Donauprovinzen: Parau 2008.
  6. Siehe z. B. Alram-Stern 1989, 51 f., im Gegensatz zum Typ Pohl 1/Hayes 2 unter der Bezeichnung „Nordafrikanische Lampen mit Stempelverzierung“.
  7. Ein gutes Vergleichsbeispiel ist ein in Ostia ausgegrabenes Lampenfragment mit einer solchen Schulterverzierung: Wilmet 2005, Pl. 135 fig. 8.
  8. Alram-Stern 1989, 51 (Kat.-Nr. 576–578 und 581).
  9. Zum Befund: Krinzinger 2005, 196 f. s. v. Wien 1, Hoher Markt 3–4 (M. Mosser) mit älterer Literatur.
  10. Zur Situation in der spätrömischen Epoche: Kronberger 2005, 34; 37; 207; Mosser 2010, 34–41 insbes. 37.
  11. Gaisbauer/Mosser 2001, 151, Abb. 29,77.