Friedrich Schmidt und der Platz hinter dem Rathaus
AutorIn: Heike Krause, Michael Raab | Stand: 31.3. 2022
Das Rathaus wurde von 1872 bis 1883 auf dem ehemaligen Exerzier- und Paradeplatz am Josefstädter Glacis erbaut. Den Entwurf für diesen bedeutenden historistischen Profanbau in Anlehnung an Rathäuser der niederländischen Gotik lieferte der Architekt Friedrich Schmidt. Schon 1868 erfolgte die Projektausschreibung, allerdings zunächst noch für einen anderen Bauplatz. Schließlich wurde am 18. März 1870 die Umsetzung an der heutigen Stelle beschlossen.
Von der Bauhütte zum Containerkomplex
Für die Dauer der Großbaustelle wurde eigens ein sog. Bauhof an der Stelle des späteren Friedrich-Schmidt-Platzes errichtet. Das gesamte Areal war eingeplankt und der Bauhof wies neben einer großen Fläche, die als Lagerplatz für das Baumaterial diente, auch eine Steinmetz-, Bildhauer- und Bauhütte auf. Die aus dem Mittelalter stammende Bezeichnung Bauhütte wurde hier wieder aufgegriffen. Sie spiegelt den Geist des Historismus und passt somit quasi zum neogotischen Baustil des Rathauses.
Ein Plan für das Gebäude der Bauhütte – ebenfalls autorisiert von Friedrich Schmidt – wurde am 18. Oktober 1870 genehmigt. Es ist aus heutiger Sicht erstaunlich, dass für dieses ephemere Gebäude so viel Aufwand betrieben wurde! Denn gegenwärtig löst man dieses Erfordernis anders. Als Baubüro, Aufenthalts-, Umkleide- und Sanitärräume dienen auf Großbaustellen zu mehreren Ebenen aufgestapelte Containereinheiten, die transportabel und daher wiederverwendbar sind. Spuren im Boden bleiben für eine Wiederentdeckung bei künftigen Ausgrabungen somit nicht erhalten.
Das Bau- und Planungsbüro des 19. Jahrhunderts
Ende 2021 kamen am südlichen Rand des Friedrich-Schmidt-Platzes bei der archäologischen Untersuchung der Fläche für den künftigen Zugang zur U-Bahn-Station Rathaus Mauerreste von Gebäuden zum Vorschein, die als Überreste des ehemaligen Bauhofs zu deuten sind. Zumindest drei Räume eines dieser temporären Häuser konnten ausgemacht werden. Das aufgehende Mauerwerk war an den Innenseiten verputzt und bestand aus Ziegeln der Ziegelei der Union-Baumaterialien-Gesellschaft sowie aus Bruchsteinen.
Da es keine Fotos vom Bauhof zu geben scheint, stehen uns nur die im Wiener Stadt- und Landesarchiv verwahrten Entwurfspläne für einen Vergleich zur Verfügung. Versucht man nun den freigelegten, unvollständigen Grundriss mit dem 1870 genehmigten Plan der Bauhütte in Übereinstimmung zu bringen, so wird deutlich, dass es sich nicht um dieses Gebäude gehandelt haben dürfte. Die verwendeten Ziegel sprechen zudem für eine Errichtung nach 1873. Von diesem freigelegten Bau sind bisher keine Entwurfspläne bekannt. Der Rest einer Ost-West-orientierten Mauer im Norden der Grabungsfläche könnte dagegen ihrer Lage entsprechend zur Bauhütte gehört haben. Auf drei Ebenen beherbergte sie einst unter anderem Räume für Modelle und das Anfertigen von Bauplänen und Zeichnungen sowie Büroräume für die Bauinspektion, die Bauführung und die Oberbaurat-Kommission.
Eine Kalkgrube stammt vermutlich ebenfalls aus der Bauzeit des Rathauses. Zudem kamen weitere, wohl eher etwas jüngere Mauern von Bauten unbekannter Funktion zum Vorschein, in die auch recycelte Werksteine wie Fenster- und Türstockelemente und zwei große Mühlsteinfragmente verbaut waren. Diese Art von Wiederverwendung scheint in unserer Zeit, in der Beton der wichtigste Baustoff ist, kaum noch vorstellbar.
Nach Vollendung des Rathauses wurde der Bauhof aufgelassen und seine Gebäude wurden abgebrochen. Der Platz erfuhr eine gärtnerische Ausgestaltung. Zu Ehren seines Architekten Friedrich Schmidt erhielt er 1896 ein Denkmal und 1907 sogar seinen Namen. Der ursprüngliche Standort des Denkmals wurde jedoch aufgegeben. Seit 1966 steht es an der Nordseite des Parks an der Felderstraße.