Adresse: Marchettigasse 3, Wien 6
Anlass: Bauarbeiten im Hof einer Schule | Grabungsjahr: 2005
Zeitstellung: Neuzeit

Historischer Kontext

Das an der Gumpendorfer Straße gelegene Palais Königsegg wurde nach der Verlegung der kaiserlichen Ingenieur-Schule 1769 als Militärspital adaptiert, als das es bis 1785 diente. Als Bestattungsplatz stellte der Abt des Wiener Schottenstifts, Benno Pointner, dem Militärspital vertraglich einen Seitenfriedhof der Gumpendorfer Pfarre zur Verfügung.
Der von 1769 bis 1784 belegte Soldatenfriedhof lag östlich der Gumpendorfer Kirche, etwa 300 m südlich des Militärspitals. Anfangs erstreckte er sich nur über ein kleines Areal, der Friedhof wurde jedoch bald beträchtlich vergrößert.

Der „Militär-Kirchhof“ und seine Erweiterung sind farbig hervorgehoben. Detail aus J. D. Huber, Perspektivdarstellung von Wien und den Vorstädten bis zum Linienwall, 1769–1773 (1778). (© Wien Museum)

Ergebnisse der archäologischen Dokumentation

Die im Innenhof des Bundesrealgymnasiums Wien VI freigelegten Gräber sind im jüngeren Teil des Friedhofes zu verorten. Insgesamt konnten 141 Grabgruben mit Mehrfachbestattungen von in Summe 393 Individuen freigelegt werden.

Plan der freigelegten Gräber und die Verortung der Grabungsfläche auf dem Friedhofsareal. (Plan: Stadtarchäologie Wien)

Die Toten lagen in 2,20 bis 3,00 m Tiefe. Zumeist waren in den schmalen Grabgruben drei Personen bestattet worden. Es konnten jedoch auch Gräber mit zwei, vier, fünf oder sechs Skeletten nachgewiesen werden. Ein Einzelgrab erhielten nur fünf Verstorbene. Die Reste von einfachen Holzsärgen ließen erkennen, dass oft nur ein Sarg verwendet wurde, in dem eingelegte Bretter die Toten voneinander trennten.

Ein Grab mit drei Bestattungen. (Foto: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)
Grabgrube mit Holzsargresten. (Foto: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)

Lediglich in 15 Grabgruben wurden religiöse Beigaben oder Bestandteile der Kleidung, vor allem Knöpfe aus Metall und Bein, festgestellt. Ein Paar Manschettenknöpfe und zwei Knöpfe aus Proterobas sind Importe aus Bayern.

Fundauswahl: Fragmente eines Rosenkranzes. Medaille mit der Abbildung der Krönung Mariens durch die Heilige Dreifaltigkeit. Wallfahrtsmedaille mit dem Gnadenbild von Mariazell. Medaille mit der Darstellung des Heiligen Antonius von Padua und dem Jesuskind. Knöpfe aus Metall, Bein und Proterobas. Manschettenknopf. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/Ch. Ranseder)

Datum: 29.03.2022 | Autorin: Ch. Ranseder

Literatur (Auswahl)

  • Michaela Binder, Der Soldatenfriedhof in der Marchettigasse in Wien. Die Lebensbedingungen einfacher Soldaten in der theresianisch-josephinischen Armee anhand anthropologischer Untersuchungen. Monografien der Stadtarchäologie Wien 4, Wien 2008.
  • Michaela Binder/Martin Mosser, Ein Militärfriedhof der Barockzeit und ein Beitrag zur Geschichte von Gumpendorf – Grabungen im Innenhof des Bundesrealgymnasiums Wien VI, Marchettigasse 3. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 9, 2006, S. 226–247.
  • Christine Ranseder, Beigaben aus dem Soldatenfriedhof in der Marchettigasse in Wien. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 18, 2015, S. 138–156. (PDF 6,75 MB)