Stand: Mai 2020 | Autorin: Sylvia Sakl-Oberthaler

In diesem Kapitel sind Lampen(fragmente) zusammengestellt, die nach typologischen und/oder chronologischen Gesichtspunkten im Lampenspektrum von Vindobona gewissermaßen „aus dem Rahmen“ fallen. Es handelt sich ausschließlich um Einzelstücke. Bei vier von ihnen ist es unsicher bzw. sehr unwahrscheinlich, dass sie in Wien gefunden wurden. Trotzdem sind sie als Bestandteil der Sammlung des Wien Museums hier mit aufgenommen worden. In die statistischen Auswertungskapitel zum Fundspektrum von Vindobona wurden sie jedoch nicht mit einbezogen.

VOGELKOPFLAMPE – PAVOLINI III M1/LEIBUNDGUT XXVIII (MV 8499)

Die Lampe MV 8499 ist vollständig erhalten. Vogelkopflampen gehören – aufgrund ihres ornamental verzierten Spiegels – typologisch zu den Vorläufern der Bildlampen.2 Die frühen Varianten tragen Bandhenkel (Ende 1. Jh. v. Chr. bis ca. 20 n. Chr.) und erinnern damit u. a. an hellenistische/spätrepublikanische Vorbilder. Ihren Namen erhielten sie aufgrund der ornamentalen Verzierung auf der Schnauze der frühen Lampenformen, die an Vogelköpfe gemahnt.3 Im Rheinland wurden die Stücke bald auch lokal produziert.4

Das Wiener Stück mit seinem quergestellten, vertikal gelochten Griff5 ist eine spätere Formvariante, für die sich passende Vergleichsstücke aus Zentralitalien (Rom? Ostia) mit einer Datierung in die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. finden.6 Dazu passt auch der inkuse Stempel (OPPI RES) auf dem Boden der Lampe. Die erwähnten Vergleichsstücke aus Zentralitalien tragen ebensolche Herstellernamen, meist sind es tria nomina: Für OPPI RES bietet sich die Auflösung Caius OPPI(us) RES(titutus)7 an.8 Dieser Produzent war in spätflavischer bis frühantoninischer Zeit in der Umgebung von Rom tätig. Die Lampe dürfte also ein mittelitalisches Produkt sein. Dafür spricht auch der deutlich vom Durchschnitt abweichende Scherben der Lampe. Der Fundort Vindobona ist für dieses Stück allerdings keineswegs sicher.9

BYZANTINISCHE LAMPE aus Syrien oder Palästina (MV 3703)

Für dieses gut erhaltene, ovale Lämpchen mit seinem großen Ölloch und dem sternförmigen, rippenartigen Oberflächendekor finden sich Vergleiche, die ausnahmslos in den Nahen Osten und außerdem in die Spätantike deuten (siehe Katalog). Ein besonders treffender Vergleich ist z. B. ein Lämpchen, das sich im Archäologischen Museum von Ploieşti in Rumänien (mit einer Kollektion von Funden aus den Provinzen Dacia, Moesia Superior, Moesia Inferior sowie aus dem Kunsthandel) befindet.10 Das betreffende Vergleichsstück stammt aus Syrien oder Palästina und wird in das 6. Jahrhundert n. Chr. datiert. Damit ist dieses Fundstück für den bisher anerkannten siedlungschronologischen Rahmen von Vindobona eindeutig zu jung. Die Fundortangabe zu dieser Lampe besagt allerdings, dass sie 1925 als Streufund in Wien 9, Boltzmanngasse 2511 (im Territorium von Vindobona westlich der canabae legionis) aufgefunden worden sein soll. Dies erscheint nunmehr fragwürdig.

EPHESOSLAMPE (MV 8506)

Auch bei diesem Exemplar handelt es sich um ein Unikat, für das allerdings bislang kein exakter Vergleich gefunden werden konnte. Die nur leicht beschädigte Lampe trägt als Bildmotiv eine Trauben pflückende (männliche?) Gestalt, die Schulter ist mit einer Reihe kleiner „Warzen“ verziert. Der Fundort von MV 8506 ist unklar, die Lampe stammt möglicherweise nicht aus Wien.12 Die größten formalen und ikonographischen Übereinstimmungen weist das Stück mit einer Gruppe spätrömischer kleinasiatischer Lampen den sog. Ephesoslampen auf, die ab der Mitte des 5. Jahrhunderts produziert wurden.13 Diese sehr späte Datierung erhärtet die Annahme, dass das Stück nicht aus Wien stammt.

Nach Ansicht der Autorin sollte bei diesem Stück übrigens auch eine Fälschung nicht völlig ausgeschlossen werden.

ÄGYPTISCHE LAMPE (MV 8574/1)

Ebenso exotisch wie die soeben besprochene ist die vollständig erhaltene Lampe MV 8574/1. Vergleichsstücke für dieses flache, birnenförmige Lämpchen mit seinem zarten ornamentalen Reliefdekor auf dem Diskus finden sich in einer Gruppe von mittelkaiserzeitlichen (2. Jahrhundert n. Chr.) Lampen ägyptischen Ursprunges. Diese Lampen stammen aus Gräbern in Alexandria und Karanis, einige davon gelangten in Sammlungen in Großbritannien, Deutschland und der Schweiz.14 Verschiedene dieser Lampen tragen Herstellerstempel wie z. B. PHOETASPUS, ein Name, der sich auch auf Firmalampen findet. Dies lässt an griechische Immigranten in Ägypten denken, die dort Filialen gründeten.

Die Lampe MV 8574/1 gehört zur Sammlung des Wien Museums. Ihr Fundort ist unbekannt, eine Provenienz aus Vindobona ist bei diesem Stück zwar zweifelhaft aber nicht unmöglich.15

SPÄTHELLENISTISCHE LAMPE? (MV 8576)

Die schlichte birnenförmige Lampe mit braunroter Engobe wurde auf der Töpferscheibe produziert. Sie ist gut erhalten, nur der flachstabige (ösenförmige?) Henkel ist abgebrochen.

Die Lampe wurde 1956 in einem Brandgrab in Wien 9, Währingerstraße 25 (einem der frühesten Bestattungsplätze von Vindobona im Umfeld der römischen Limesstraße)16 entdeckt. Sie wurde gemeinsam mit einer Münze des Claudius (41 n. Chr.) aufgefunden. Die erwähnten Fundumstände legen eine Datierung der Lampe in die frühe Kaiserzeit nahe. Exakte Parallelen konnten bisher nicht gefunden werden. Formensprache und Herstellungstechnik verbinden das Stück – allerdings nur sehr allgemein – mit späthellenistischen Lampenformen.17

FIGURENLAMPE ?  (MV 34724)

Bei dem Bruchstück MV 34724 handelt es sich um das Fragment eines formgepressten scheibenförmigen Henkels, der direkt an die Rückseite eines eckigen Behälters angesetzt ist. Als Rekonstruktionsvorschlag kommt hier beispielsweise eine Figurenlampe (etwa in Fussform, wie die im Katalog erwähnte Parallele ) in Frage. Für eine eindeutige Bestimmung ist das Bruchstück jedoch zu klein.
Bemerkenswert ist aber die Tatsache, dass es sich bei dem Fundstück um einen Fehlbrand handelt, der im Umfeld eines Töpferofens in der Zivilsiedlung von Vindobona gefunden wurde. Es könnte sich also um Ausschussware eines Töpfereibetriebes handeln. (siehe auch Kapitel „Lokale Lampenproduktion“)

SCHEIBENGEDREHTE RUNDLAMPE MIT HENKEL (MV 34734)

Auch diese fragmentierte Lampe gehört durch ihre Herstellungstechnik und aufgrund ihrer Form eigentlich zur Gruppe der scheibengedrehten Rundlampen. Ihre Gesamtform entspricht aber nicht den typischen, oft glasierten spätrömischen Formen (siehe Kapitel „Spätrömische Rundlampen“). Sie wurde aus gelblichem, fein gemagertem Ton mit orangeroter Engobe hergestellt und hat einen flachen, kreisrunden Ölbehälter mit Standring sowie einen angarnierten Bandhenkel. Die Schnauze ist abgebrochen.

Auch für diese Lampe konnten bisher keine wirklich treffenden Vergleichsstücke gefunden werden.18

Entdeckt wurde sie 1987 bei den Ausgrabungen auf der Freyung.19  

GRIFFAUFSATZ EINER LAMPE/WEIBLICHE GEFLÜGELTE FIGUR (MV 35525)

Bei diesem Stück handelt es sich um eine vollplastische Figur, die als Griffaufsatz einer Keramiklampe diente. Der Oberköper einer Frau mit Flügeln wächst aus dem rückwärtigen Ende einer Lampe gewissermaßen empor. Der Typus der Lampe selbst ist aufgrund ihres Fragmentierungsgrades nicht mehr zu erkennen. Die gerade abfallende Schulterform des noch vorhandenen Behälteransatzes könnte die Variation einer Firmalampe andeuten. Die Statuette selbst trägt provinzielle Züge, so ist der (hohlplastische) Kopf ein wenig zu groß geraten, die Gesichtszüge wirken plump und die Frisur mit den Stirnlocken und den zu einem Knoten hochgesteckten Haaren ist so nachlässig wiedergegeben, dass man auch an eine am Hinterkopf sitzende Haube denken könnte. Formnähte waren an der Figur im Übrigen nicht erkennbar. Als Tragevorrichtung sind zwei Griffe vorne und rückwärts an der Figur angebracht, wohl um das Gewicht der vollplastischen Statuette beim Transport der Lampe auszubalancieren.

Gegen die Rekonstruktion als Statuettenlampe mit einer stehenden Figur sprechen nach Ansicht der Verfasserin die – aufgrund der bei der Statuettenlampe vorhandenen Standfläche nicht notwendigen – Griffe des Wiener Fragmentes.20 Vollplastische anthropomorphe Griffaufsätze bei Lampen finden sich z. B. in Form von Götterbüsten wie etwa der des Sarapis oder des Sabazios.21 Ähnliche Götterbüsten als Lampenaufsätze finden sich – allerdings bunt bemalt – auch bei den Lampen in Wetterauer Ware.22 Der hier (als Symbolfoto für das Kapitel „Sonderformen“) gezeigte Rekonstruktionsvorschlag ist einer in Mainz vorhandenen Parallele mit Sabaziosbüste nachempfunden (siehe Anm. 21).

Auch die Attribute der kleinen Frauenfigur aus Vindobona weisen in Richtung Kult bzw. Mythologie. Einen Hinweis darauf geben die Flügel am Rücken der Statuette. Unter den geflügelten Frauengestalten aus der römischen Mythologie käme hier z. B. Victoria, die Siegesgöttin, oder Aurora, Göttin der Morgenröte, sowie die Götterbotin Iris in Betracht.

Bei dem Lampenfragment aus Vindobona handelt es sich um ein Einzelstück, für das bislang kein wirklich passendes Vergleichsstück gefunden werden konnte. Der Lampenaufsatz wurde 1987 bei den Ausgrabungen auf der Freyung in Wien 1, im Bereich der canabae legionis von Vindobona südwestlich des Legionslagers, direkt an der Limesstraße aufgefunden.23

LAMPENGRIFF IN FORM EINES TIERPROTOMS (MV 35666)

Die Form des Fragmentes MV 35666 lässt an den mittleren Teil eines zoomorphen Lampengriffes in der Art der Pferdekopflampengriffe denken. Das auch bei diesem Stück rundplastisch gestaltete Tier ist jedoch eher ein Fabelwesen oder möglicherweise ein Seepferdchen.

Dieses Fragment wurde ebenso wie das vorher beschriebene 1987 bei der Ausgrabung auf der Freyung in den canabae legionis (südwestlich des Legionslagers) ausgegraben.

Da der Verwendungszweck des Fragmentes nicht eindeutig festzustellen war, wurde das Stück in das Kapitel „Unbestimmte Stücke“ eingereiht und bei den Statistiken nicht mit einbezogen.

  1. Pavolini 1976, 61–63 pl. 15.
  2. Cahn 2009, 13.
  3. Goethert 1997, 105 Abb. 59 (rechts).
  4. Goethert 1997, 104 Kat.-Nr. 75; Cahn 2009, 13.
  5. Leibundgut 1977, 44 Taf. 8,855 (Ende 1. Jh.–3./4. Jh.) bezeichnet diese Form aufgrund ihres lappenartig hochgezogenen, gelochten Griffes als Wandlampe.
  6. Ancient Lamps – RomQ Reference Collection, Roman Period (Italy) RIT1 mit inkusem Bodenstempel BASSA (als bekannter zentralitalischer Produzentenname ausgewiesen); Wilmet 2008, (Ostia, Tempel der fabri navales) 233–238 Pl. 155,7.8.11.13 (formal ähnlich, Diskusverzierung leicht variiert) mit inkusem Stempel CATILIVP.A; Leibundgut 1977, 44 mit Anm. 2 erwähnt neben den fünf von ihr katalogisierten Schweizer Funden „aus altem Privatbesitz“ auch in Gräberfeldern gefundene Vertreter dieses Typus aus Trier; D. M. Bailey katalogisierte ebenfalls mehrere Exemplare mit gelochtem Grifflappen in der Sammlung des British Museum, Bailey 1980, 261–268 Type M, Pl. 50 Q 1149–Q 1157, zwei Stücke wurden in Italien erworben, bei den anderen ist die Provenienz unbekannt.
  7. Bailey 1980, 265 mit epigrafischen Nachweisen.
  8. Eine im Schrifttyp ähnliche Stempelparallele COPPI:RES befindet sich im British Museum Inv. 1814,0704.125.
  9. Das Stück stammt aus der Sammlung Renner, einer Privatsammlung von Funden aus Wien, die 1954 vom Wien Museum angekauft wurde. Theoretisch ist also auch eine Provenienz aus dem Kunsthandel denkbar.
  10. Topoleanu 2012, 183 f. Kat.-Nr. 108 Pl. XIII 108; Fundort unbekannt.
  11. Siehe Katalog MV 3703 mit link zum Fundortkataster.
  12. Auch dieses Stück stammt aus der oben erwähnten Sammlung Renner, woraus sich nicht zwingend ein Wiener Fundort erschließt.
  13. Krunić 2011, Kat.-Nr. 478, 326 f., 434 mit warzenverziertem Diskus; siehe auch Ancient Lamps – RomQ Reference Collection, Late Roman & Byzantine Period (Asia Minor) BAM2, Datierung: 450–650 n. Chr., Herkunft: „probably Ephesus“ (18.02. 2018) mit ähnlicher Schulterdekoration sowie figuralem Diskusmotiv.
  14. Chrzanovski 2013, 9 f. mit Anm 32 (mit weiterführender Literatur) Kat.-Nr. 11 Inv. B 268 (Fig. 11) mit dem Firmenstempel PHOETASPI aus der Collection Jean-Francois et Malou Bouvier (Neuchâtel) mit Parallelen im British Museum und in Tübingen.
  15. D. Iványi (Iványi 1935, 306 Kat.-Nr. 4384 Taf. LXVI 2) publizierte 1935 ein nicht unähnliches Stück aus dem städtischen Museum Osijek.
  16. Kronberger 2005, 198 f. mit Anm. 1228.
  17. Beispiele etwa bei Topoleanu 2012, 46 Kat.-Nr. 7 Pl. 1,7; 248: der Typus ist allerdings deutlich älter (3. Jh. v. Chr ), der Fundort der Lampe unbekannt; siehe auch Ancient Lamps – RomQ Reference Collection, Hellenistic Period (Wheelmade) HW5, Datierung: 150–30 v. Chr.; (Mouldmade) HM1, Datierung: 206–200 v. Chr. (18.02. 2018).
  18. Walters 1914, 40 (Greek Lamps) Kat. 286 fig. 37 Pl. IX zeigt eine Lampe mit ähnlich gestalteter Deckplatte und Bandhenkel, allerdings mit deutlich tieferem Behälter.
  19. Zum Fundort siehe Fundortregister GC: 198702 (oder 199202??).
  20. Beispiele für Statuettenlampen gibt es beispielsweise in Augusta Treverorum: Goethert 1997, 138 Abb. 82.
  21. Römisch Germanisches Zentralmuseum Mainz: Menzel 1969, 28 Kat.-Nr. 90 Abb. 26,7 (Sabazios) und Kat.-Nr. 98 Abb. 26,2 (Sarapis).
  22. Huld-Zetsche 2014, z. B. 117 Kat.-Nr. 395 (Mainz-Kostheim, Gräberfeld); 414 (Frankfurt-Heddernheim, Gräberfeld, Archäologisches Museum Frankfurt am Main); 415 (Einzelfund aus Mainz-Weisenau, Landesmuseum Mainz).
  23. Zum Fundort siehe Fundortregister GC: 198702.